2016-11-20 14:31:00

Papst Franziskus gibt großes Interview zum Heiligen Jahr


Wie sich die Kirche der Zukunft ändern muss, wie die Barmherzigkeit an die Herzen und Gewissen der einzelnen und der Staaten appelliert, der Götzendienst am Geld und die Aufmerksamkeit für die Ärmsten: wäre er nicht so munter und tatkräftig, wie er es immer wieder beweist, könnte man dieses Interview glatt als Vermächtnis von Papst Franziskus bezeichnen. In einer 40 Minuten langen Aufzeichnung reflektiert er bei dem Gespräch mit dem Fernsehsender der Italienischen Bischofskonferenz, TV2000 und InBlu Radio über den Erfolg des Heiligen Jahres, seine Gesten der Barmherzigkeit und die Todesstrafe. Am Sonntagmorgen wurde ein Auszug des Interviews vorab gesendet.

Auf die Frage, welche seiner Gesten der Barmherzigkeit, mit denen er während des Heiligen Jahres einmal im Monat an einem Freitag Arme, Ausgeschlossene oder Kranke besuchte, ihm besonders im Gedächtnis geblieben sei, antwortete er ohne zu Zögern mit der Geschichte einer jungen afrikanischen Zwangsprostituierten: „Sie wurde ausgebeutet. Auch mit Folter wurde sie dazu gezwungen, zur Arbeit zu gehen. Sie war schwanger. Und sie musste bis zum Tag der Geburt arbeiten und hat ihr Kind, allein und im Winter, auf der Straße zur Welt gebracht. Sie erzählte mir, dass das Mädchen nicht überlebt hat." Fassungslos zeigte sich der Papst über das Verhalten der Kunden von Zwangsprostituierten: „Ich dachte bei mir, nicht nur die Zuhälter, sondern auch diejenigen, die die Mädchen bezahlen: Wissen sie denn nicht, dass sie mit diesem Geld, mit dem sie sich eine sexuelle Befriedigung kauften, den Ausbeutern geholfen haben?" 

Ein weiterer Gedanke ging zum Thema der Abtreibungen, das Papst Franziskus zum wiederholten Mal als „schwere Sünde" bezeichnete. Er hatte bei einem unangemeldeten Besuch in der Wöchnerinnenstation eines italienischen Krankenhauses eine Mutter getroffen, die um einen bei der Geburt verstorbenen Drilling trauerte. „Sie hatte drei Kinder bekommen und weinte um das eine, das sie verloren hatte. Sie konnte sich nicht mit den beiden, die überlebt hatten, trösten. Die Liebe für das Leben." Diesem Erlebnis hingebungsvoller mütterlicher Liebe für einen von drei Säuglingen stellte er entgegen, dass es mittlerweile zu einer „Gewohnheit" verkommen sei, Abtreibungen vornehmen zu lassen, aus dem schlichten Grund, weil es „einfacher" sei. Das sei ein „schreckliches Verbrechen", so der Papst.

Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, so ein anderer Themenkomplex des Gesprächs, seien nicht voneinander zu trennen. Dies antwortete der Papst auf die Frage, ob die Kritiker nicht Recht hätten, wenn sie sich darüber beschwerten, dass die Barmherzigkeit eine gerechte Strafe „verwässere". „Die Barmherzigkeit ist Gerechtigkeit und die Gerechtigkeit ist barmherzig," antwortete der Papst. Er wolle nicht als Heuchler wie die Gesetzeslehrer bezeichnet werden, weil er die Gesetze auf den Buchstaben befolge und dabei eine steife Moral an den Tag lege, betonte er in Erinnerung an das Gleichnis vom Verlorenen Sohn und Kapitel 23 aus dem Matthäusevangelium.

Doch auch persönliche Fragen fehlten in dem Gespräch nicht: Die Frage etwa, welches das Geheimnis sei, das ihn trotz seines stolzen Alters von bald 80 Jahren und seiner ausgefüllten Tage nicht unter Stress und Druck geraten lasse. Die Tatsache, dass er sechs Stunden täglich „wie Holz schlafe“ so dass selbst das starke Erdbeben in Mittelitalien, das bis nach Rom spürbar gewesen war, ihn nicht geweckt habe, sowie sein tägliches Gebet könnten dafür mitverantwortlich sein, mutmaßte Franziskus. Weitere „Bekenntnisse“ des Papstes: seine „Allergie gegen Schmeichler“ und das Rezept, täglich das Gebet des Heiligen Thomas Morus zu sprechen, „schenke mir, Gott, Sinn für Humor“. Humor, das beweist der Papst mit diesem spontan und authentisch scheinenden Interview ein weiteres Mal, den hat er vom Herrn jedenfalls zur Genüge mitbekommen.

Das gesamte Interview wird am Sonntag um 21.00 Uhr ausgestrahlt.

(rv/tv 2000 20.11.2016 cs)








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