2016-11-12 07:28:00

Buchtipp: Raus aus der Kirche – und wieder zurück


„Ein Wutausbruch, eine Auseinandersetzung, eine Liebeserklärung, eine Meditation“: So nennt die Berlinerin Nina Achminow ihr Buch „Gott – glaube ich“. Es schildert, wie der Untertitel etwas schnippisch mitteilt, ihren „Weg raus aus der Kirche und wieder zurück“. Tatsächlich, die 1963 geborene Achminow (ihren russischen Nachnamen hat sie von ihrem Vater) ist einen ungewöhnlichen inneren Weg gegangen.

Aufgewachsen ist sie als Katholikin. „Und ich bin im Erwachsenwerden wutschnaubend aus der Kirche ausgetreten – in großem Zorn, nach langem Hadern. Und war sehr überrascht, wie erleichtert ich war, als ich mich dann dazu durchgerungen hatte.“ Vieles hatte sie geärgert an ihrer Kirche, etwa wie diese Frauen auf den zweiten Platz verweise. Den Glauben an Gott habe sie zwar nie verloren, aber wenn sie an die Kirche dachte, war da vor allem Wut.

Die innere Gemengelage blieb so, bis sie Mutter wurde. „Und dann hatte ich ein Problem. Dass ich meiner Tochter den Zugang zum Glauben ermöglichen möchte, das stand für mich nie in Frage. Die Frage war halt: In welcher Kirche? Wie mach‘ ich das jetzt?“ Sie beschäftigte sich also eine Weile mit den Altkatholiken, fand dann aber die altkatholische Gemeinde, die es in Berlin gibt, „ein bisschen sektiererisch“. „Und katholisch ist doch auch die Gemeinschaft: die verschiedenen Städte, die verschiedenen Gemeinden, auch dass man die Gemeinde wechseln kann, wenn einen in einer Gemeinde das Umfeld nervt…“

Mit der Kirche reden statt über die Kirche

Nina Achminow grübelte, so sagt sie es heute. Derweil ging ihre Mutter zu einem katholischen Pfarrer in Berlin und fragte, ob er denn das Kind taufen würde. Dieser erklärte, ja, er könne das mit seinem Gewissen vereinbaren. „Und dann wurde das Kind getauft, und ich blieb auf einer Beobachterposition... und dann kam die Erstkommunion. Ich suchte nach einer Gemeinde, wo wir hingehen könnten, und fand eine sehr herzenswarme Gemeinde – aber ich kam mir schlicht und ergreifend blöd vor!“

Irgendwie musste sie ihr Verhältnis zur katholischen Kirche „klären“, das wurde ihr immer deutlicher. Eigentlich fing sie schon an, sich der Kirche gegenüber „etwas entspannter“ zu fühlen. Aber dann war da auf einmal dieser Fall einer zweiten Ehe in ihrem Freundeskreis, mit dem Ausschluss von der Kommunion. „Entsetzt“ sei sie darüber gewesen, „und ich habe gemerkt, ich muss mal reden! Dann habe ich mir weit weg von zuhause einen Gesprächspartner in der „Katholischen Glaubensinformation“ gesucht und über all die Dinge sprechen können, die mich beschäftigt haben. Dann war ich sehr erstaunt, was passiert, wenn man mit der Kirche redet statt über die Kirche. Wenn man nicht von außen guckt, sondern mit den Menschen redet, nachfragt, es zu verstehen versucht, sich selbst auch klar darüber wird, was man annehmen kann und was nicht.“

Das Pendel schlug zurück. Der Weg, der sie aus der Kirche rausgeführt hatte, führte sie jetzt wieder zurück. Der Wiedereintritt war für sie, wie sie heute formuliert, „eine Frage der Fairness“. Sie habe sich gesagt: „Es gibt so viel Gutes in dieser Kirche, dass ich die Sachen, die ich nicht ertragen kann, doch akzeptieren kann – wenn ich sie nur offen aussprechen darf.“ Natürlich sei ihr klar, dass die Punkte, über die sie sich ärgert in der Kirche, immer noch da sind. „Ja – wir beten in der Messe: Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen. Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche… Wenn ich Gott bitte, mich so anzuschauen, dann kann ich ja vielleicht die Kirche auch so anschauen? Auch ich will nicht so angeschaut werden, dass man sich konzentriert auf das, was ich alles falsch mache. Und genauso will ich auch die Kirche nicht angucken!“

Ein Weg raus aus dem Schneckenhaus

Bei vielen Freunden und Bekannten, die aus der Kirche ausgetreten sind, habe sie „so einen merkwürdigen Groll gespürt“, erzählt Frau Achminow. „Ich habe die beobachtet und gedacht: Die haben ja ein ganz schönes Feindbild. Und dann habe ich in den Spiegel gesehen und gesagt: Ja, und du?“ Das war für sie der Ausgangspunkt, um ihr Feindbild Kirche zu revidieren. Entscheidend war dabei, dass sie offen aussprechen konnte, was sie nicht annehmen wollte. „Und siehe da: Es geht nicht die Welt unter. Niemand regt sich ernsthaft darüber auf. Man kann offen sprechen in der Kirche, das ist gar keine Frage!“

Allerdings – hört auch jemand zu? „Ja. Tatsächlich schon. Jedenfalls auf der Ebene, auf der ich mich bewege. Die Priester und Kirchenmitarbeiter, mit denen ich gesprochen habe – da war immer wieder die Erfahrung, angenommen und akzeptiert zu werden. Respektiert zu werden in dem, wo ich mitgehen kann und wo nicht.“

Achminow hat ihre Erlebnisse aufgeschrieben, das war für sie „ein Weg aus dem Schneckenhaus heraus“. „Ich arbeite ja am Theater, ich schreibe auch manchmal fürs Fernsehen oder fürs Theater… und ein bisschen Sinn fürs Drama ist beim Schreiben über den Katholizismus natürlich auch schön!“ Ihre Wiederaufnahme in die Kirche sei „mit einem kleinen Ritus“ vollzogen worden.

Glauben ist wie Klavier spielen

Viele aus ihrem Bekannten- und Freundeskreis hätten ihren inneren Weg „nicht ganz verstanden“, bis heute treffe sie auf „gemischte“ Reaktionen. Ihr aber sei inzwischen klar: „Katholisch ist meine Muttersprache. Das ist die Sprache, in der ich mit Gott sprechen kann. In der ich Formen finde, das Glücken und das Scheitern anzuschauen. In der ich Rituale finden, um aufzutanken, mich zu erden, das Herz zu öffnen… Das ist ein großes Erbe.“

Ihr Mann sei „atheistisch aufgewachsen“, erzählt Frau Achminow noch, und ein katholischer Freund habe ihn mal gefragt, wie das denn für ihn sei, dass seine Tochter katholisch aufwachse. „Da hat er gesagt: Als er ein Kind war, hatten sie ein Klavier, aber keiner wusste, was man damit macht. Sie haben halt manchmal darauf rumgehauen, dann kamen Geräusche raus, und das fanden sie lustig. Er wusste, dass es Kirchen gibt – aber was das ist, hat ihn eigentlich nicht interessiert. Jetzt hat er eine Tochter, die lernt Klavier spielen, und die lernt glauben. Was sie damit macht, ist ihre Sache… Das ist wunderschön, nicht wahr?“

Gott – glaube ich. Mein Weg raus aus der Kirche und wieder zurück. Herder Verlag, ca. 20 Euro.

(rv 12.11.2016 Stefan von Kempis)








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