2016-11-04 15:56:00

Religionsdialog: Barmherzigkeits-Symposium in Rom


Die Universalität von Barmherzigkeit stand nicht nur im Mittelpunkt der Papstansprache vor etwa 200 Religionsvertretern aus aller Welt an diesem Mittwoch. Sie war auch das Thema eines weiteren interreligiösen und interkulturellen Treffens, das in diesen Tagen in Rom stattfand: Das Internationale Dialogzentrum KAICIID, an dem der Vatikan beteiligt ist, hat rund 40 Vertreter aller Weltreligionen zu einem Symposium an die Päpstliche Uni Gregoriana geladen. Das Treffen mit Papst Franziskus am Donnerstagmorgen im Vatikan war Startpunkt und Inspirationsquelle der Diskussionen. Im Anschluss an das Symposium war Peter Kaiser bei Radio Vatikan zu Gast. Er ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Internationalen Dialogzentrums mit Sitz in Wien. Christine Seuss hat mit ihm gesprochen. 

Kaiser: Beim Symposium haben rund 40 Würdenträger aus sechs verschiedenen Religionen das Thema Barmherzigkeit im Dialog bearbeitet, und sie sind verhältnismäßig schnell zu dem Schluss gekommen, dass Barmherzigkeit ein zentrales Element jeder Religion ist. Das wirft dann die Frage auf, warum wird Barmherzigkeit nicht universell angewandt? Sie sind darauf gekommen, dass es bestimmte Hemmnisse bzw. Hürden gibt, die genommen werden müssen, um Barmherzigkeit anzuwenden. Es braucht beispielsweise Mut dazu.

RV: Was sind denn Beispiele für weitere Hürden, die die Religionsvertreter identifiziert haben?

Kaiser: Manche müssen in den eigenen Gemeinden fürchten, dass Barmherzigkeit dem Feind gegenüber als Verrat oder als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt werden kann. Gleichzeitig werden Gemeinden emotional manipuliert, so dass sie glauben, dass derjenige, der vielleicht einfach nur anders ist, ein Feind wäre. Das macht die Anwendung von Barmherzigkeit schwierig. Manche glauben auch, dass man erst einmal für eine gewisse Ordnung sorgen muss, bevor man Barmherzigkeit anwenden darf.

RV: Sie vereinen ja unglaublich viele Regionen und Kulturen in Ihren Diskussionsforen. Wie können die dann auch wieder konkret tätig werden in ihren jeweiligen Gemeinden mit dem, was besprochen worden ist?

Kaiser: Sie können die Geschichten von den so genannten Vorbildern der Barmherzigkeit nach Hause tragen. Das sind die Menschen, die in schwierigen Situationen in besonderer Weise Barmherzigkeit angewandt haben, insbesondere in Krisenzeiten. Mir kommt da die Geschichte eines katholischen Ehepaares in Syrien in den Sinn, die ihren Peinigern des Islamischen Staats gegenüber Barmherzigkeit gezeigt haben und damit letztlich ein kleines Wunder bewirkt haben. Der Ehemann war Gefangener der IS, während seine Frau, in Freiheit, sich um das kranke Kind eines IS-Kämpfers gekümmert hat. Der Ehemann wiederum hat einen gewissen theologischen Dialog mit seinen Gefängniswärtern angefangen. Letztlich sind fast alle Gefangenen aus der Gruppe des Ehemanns freigekommen. Es gibt aber auch andere Fälle aus anderen Gebieten, wo Menschen Barmherzigkeit gezeigt haben, um Frieden herzustellen.

RV: Sie haben im Rahmen ihres Symposiums auch Papst Franziskus getroffen. Was für einen Eindruck hatten Sie von der Audienz, inwiefern fühlen Sie sich durch den Papst unterstützt?

Kaiser: Ich kann nur sagen, obwohl wir eine sehr heterogene Gruppe waren, waren ausnahmslos alle begeistert von diesem Erlebnis. Seine Rede war wunderbar, und wir haben auch gesehen, dass Barmherzigkeit ein naturgegebenes Talent ist, das jeder anwenden kann und muss. Ohne Barmherzigkeit werden wir nie zum Frieden kommen, und ich glaube, das hat den gesamten Dialog auf eine neue und viel tiefere Ebene gebracht, die wir nicht ohne diese wunderschöne Audienz erreicht hätten.

RV: Das Internationale Dialogzentrum steht ja auch immer wieder in der Kritik, weil einer seiner Hauptgeldgeber, nämlich Saudi-Arabien, doch gewisse Probleme mit der Umsetzung von Menschenrechten und Religionsfreiheit hat, die aber ihrerseits vom Dialogzentrum selbst immer wieder angemahnt werden. Was antworten Sie den Kritikern?

Kaiser: Wir antworten darauf immer, dass wir Brückenbauer sind und Dialog herstellen müssen. Dialog funktioniert nur dann, wenn alle am Tisch sind, auch die, die Schariarecht anwenden. Wenn wir nur kritisierten, könnten wir niemals alle an den Tisch bitten – bzw., auch wenn wir es täten, kämen manche eben nicht. Damit könnten wir aber unserem Auftrag nicht gerecht werden. Ich verstehe sehr wohl, dass man gerne von uns bestimmte Aussagen zu bestimmten Fällen hören würde, doch wenn wir das tun, wissen wir, dass wir kurz- und langfristig unser Mandat nicht mehr umsetzen könnten, weil diejenigen, die diese Kritik hören, unter Umständen nicht mehr am Dialog teilnehmen könnten.

Das 2012 ins Leben gerufene KAICIID ist die erste internationale Einrichtung auf der Grundlage des Völkerrechts, die sich dem Dialog der Religionen und Kulturen verschreibt. Das Leitungsgremium besteht aus Vertretern der großen Weltreligionen (Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus) und Kulturen. Der Vatikan ist durch den Sekretär des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog vertreten, Miguel Angel Ayuso Guixot; er ist Beobachter des Heiligen Stuhles am KAICIID.

(rv 04.11.2016 cs)








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