2016-10-30 15:31:00

Kardinal Marx: „Luther gehört der ganzen Welt“


Kardinal Reinhard Marx erhofft sich von der Schweden-Reise des Papstes Impulse für weitere Fortschritte in der Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Sonntag bei einem ökumenischen Gottesdienst zum Reformationsfest in der Evangelisch-Lutherischen Kirche Roms. Protestanten und Katholiken rief der Kardinal zum Auftakt des ökumenischen Reformationsgedenkens dazu auf, das Jahr 2017 als „Chance“ zu begreifen. Papst Franziskus und Spitzen des Lutherischen Weltbundes (LWB) erinnern am kommenden Montag und Dienstag in Schweden zum ersten Mal gemeinsam an die Reformation.

Luther „gehört der ganzen Welt“

Dass der Papst den Auftakt zum Reformationsgedenken am Gründungsort des Lutherischen Weltbundes begeht und nicht in Deutschland, unterstütze er, sagte Marx nach dem Gottesdienst gegenüber Journalisten. Der Reformator von Wittenberg sei „keine deutsche Figur“ und auch kein Nationalheld, führte er aus: „Luther gehört der ganzen Welt, und (die Wahl der Papstreise zum, Anm.) Lutherischen Weltbund macht deutlich: Die meisten Lutheraner wohnen außerhalb Deutschlands, und das sollten wir nicht vergessen. Und deshalb war es und ist es richtig, dass der Papst deutlich macht, es geht hier um eine universale Gemeinschaft der Lutheraner und nicht um eine deutsche Sondergeschichte.“ Auch ein möglicher Papstbesuch in Deutschland im Jubiläumsjahr sei wohl „erst mal kein Thema“, so der Kardinal, wenn er persönlich auch dafür arbeite und sich dafür einsetze, dass Franziskus in absehbarer Zeit nach Deutschland komme, so Marx: „Aber wann, das kann ich jetzt noch nicht sagen.“

Die Katholische und Evangelische Kirche in Deutschland könnten heute weltweit eine ökumenische Vorreiterrolle spielen, fuhr der DBK-Vorsitzende fort: „Die Reformation ist von Deutschland ausgegangen, auch die Trennung der Kirchen in diesem Punkt – wir haben schon eine besondere Aufgabe, auch viel dazu zu tun, dass wir zusammenkommen! Wir haben eine besondere Bedeutung in Deutschland, die beiden Kirchen haben eine besondere Sendung.“ Hierbei dürfe man sich nicht überheben, aber auch nicht verstecken. Marx äußerte hier die Hoffnung, dass die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Ende des Gedenkjahres nicht nur „einfache Fortschritte“ erzielt haben würden, sondern einen Beitrag „zu einer wirklich und sichtbaren Einheit“ leisten könnten.

Papstreise kann Prozess anstoßen

In seiner Predigt in der Evangelisch-Lutherischen Christuskirche Roms zeichnete Kardinal Marx das gemeinsame Reformationsgedenken als Chance für Protestanten und Katholiken. Für die katholische Kirche sei das Erinnern an die Verdienste der Reformation vor 500 Jahren keine „Bedrohung“, so Marx, der an beide Seiten appellierte, das Gedenkjahr zu gemeinsamen Zeugnis zu nutzen. Einen Tag vor der Papstreise nach Schweden nahm er im Gespräch mit Journalisten zugleich überzogenen Erwartungen an das historische ökumenische Spitzentreffen Wind aus den Segeln. Im Vorfeld war etwa die Hoffnung auf ein Übereinkommen bezüglich einer möglichen gegenseitigen Teilhabe am Eucharistischen Tisch geäußert worden. Einen schnellen Durchbruch beim Abendmahl hält Kardinal Marx für unwahrscheinlich: In der Frage warte auf beide Seiten „noch Arbeit“, so der Kardinal im Anschluss an den Gottesdienst in Rom. Er hoffe jedoch darauf, dass die Begegnungen in Schweden einen Prozess anstoßen könnten, der zu weiteren konkreten Schritten auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Christenheit führe, so Marx. Ein solcher sei etwa nach der Deutschlandreise von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1980 in Gang gekommen, erinnerte der deutsche Kardinal: „Die Reise von Papst Johannes Paul II. damals nach Deutschland – wir sollten das nicht vergessen – hat angestoßen in Deutschland die Diskussionen über die Lehrverurteilungen. ,Lehrverurteilungen - kirchentrennend?‘ – diese Frage initiierte dann einen Prozess, der über mehrere Jahre stattgefunden hat und der letztlich zur Erklärung über die Rechtfertigung geführt hat.“

Über Diskrepanzen bezüglich des Abendmahls könne nicht einfach hinweggegangen werden, führte der DBK-Vorsitzende weiter aus. Schließlich sei die Frage der Eucharistie zentraler Ausdruck christlicher Einheit: „Es ist nicht einfach eine beiläufige Sache, die man eben aus guten Gründen auch macht, sondern die Eucharistiefeier ist Ausdruck einer sichtbaren Kirchengemeinschaft. Die ist so noch nicht gegeben, und deshalb muss man darüber nachdenken. Man kann nicht etwas nach außen hin sagen, was innerlich gar nicht nachvollzogen wird.“

Gemeinsamer Weg

Mit Blick auf bestehende Differenzen plädierte Marx für ein Bemühen um einen „differenzierten Konsens“ zwischen Katholiken und Protestanten. Hier müssten sich freilich beide Seiten aufeinander zubewegen: „Man denkt immer in die Richtung, die katholische Kirche muss sich bewegen, die ist scheinbar der einzige Akteur auf dem Feld, alle anderen müssen sich nicht bewegen. Da muss ich schon ab und zu mal sagen, es ist ein gemeinsamer Weg und nicht nur: Da ist jemand unbeweglich, der soll sich endlich bewegen, und die anderen haben schon alles getan. Das ist keine gute Ökumene, wenn das so in der Öffentlichkeit dargestellt wird.“ Die „nachdenklichen lutherischen Gesprächspartner“ wüssten schon, „dass sie auch Schritte gehen müssen“, fuhr Kardinal Marx fort. Neben der Eucharistie-Frage nannte er hier etwa das Verständnis vom kirchlichen, bischöflichen und päpstlichen Amt.

„Ungewöhnliche Einladung“

Bei dem ökumenischen Gottesdienst dankte der Münchner Kardinal dem Gastgeber in Rom, Pfarrer Jens-Martin Kruse. Die von ihm kurz nach dem Papstbesuch in der Christuskriche ausgesprochene Einladung sei „ungewöhnlich“, formulierte Marx. In einer evangelischen Gemeinde predigen zu dürfen, sei für ihn „auch in letzten Jahren eher selten“, es bewege ihn innerlich. Den Auftakt des Gedenkjahres in Rom zu erleben, sei für ihn „spannend und schön“. Der ökumenische Gottesdienst in der Evangelisch-Lutherischen Christuskirche fand anlässlich des Gedenkens an die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ statt, die vor genau 17 Jahren, am 30. Oktober 2016, unterzeichnet worden war.

(rv 30.10.2016 pr)








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