2016-10-05 18:00:00

Ökumenische Vesper: Gemeinsam missionarisch sein


Gebet, Zeugnis und Mission: Diese drei Begriffe kommen dem Papst in den Sinn, wenn er an den bisherigen gemeinsamen ökumenischen Weg zwischen Katholiken und Anglikanern denkt. Das sagte Franziskus an diesem Donnerstagvormittag bei einer Audienz für den anglikanischen Primas Justin Welby und eine anglikanische Delegation. Der Papst hatte seine Besucher schon am Mittwochabend getroffen, als er zusammen mit Welby in Rom eine Vesper feierte.

Schauplatz war die Kirche St. Gregor auf dem Celio-Hügel, von der im 6. Jahrhundert die Missionierung der Britischen Inseln ausgegangen war. Zu den Klängen des Kathedralchors von Canterbury und des Chores der Sixtinischen Kapelle des Vatikans beschworen Papst und Primas das Gemeinsame der Konfessionen und warben für einen neuen missionarischen Geist. Ökumenisch missionarisch sein, das war der Leitgedanke dieser Gebetsstunde.

Mehrere Dutzend katholische und anglikanische Bischöfe aus vielen Teilen der Welt nahmen am interkonfessionellen Abendgebet in der Nähe des Kolosseums teil. Die Stimmung war festlich-ernst; die beiden Kirchenführer erteilten gemeinsam den Segen. Eine Erklärung von Franziskus und Welby, die sie vor Beginn der Vesper unterschrieben, erinnerte an das bahnbrechende Treffen ihrer Vorgänger Paul VI. und Erzbischof Michael Ramsey vor genau fünfzig Jahren. „Die Welt muss uns als gemeinsame Zeugen wahrnehmen, als Zusammenarbeitende im gemeinsamen Glauben an Jesus“, so der Text. Und weiter: „Wir sind ungeduldig, voranzukommen, um endlich zur Gänze geeint zu sein in der Verkündigung des Evangeliums.“

Es gehe darum, „die Einheit der christlichen Familie und die Einheit der Menschheitsfamilie gleichzeitig zu fördern“, sagte der Papst während der Vesper. „Diese beiden Gebiete sind nicht nur keine Gegensätze, sondern bereichern sich gegenseitig. Wenn wir als Jünger Christi unseren Dienst gemeinsam tun, dann arbeiten wir gleichzeitig an beidem, der christlichen Einheit und der Einheit der Menschheitsfamilie. Wir anerkennen uns dadurch gegenseitig als Geschwister, die zu unterschiedlichen Traditionen gehören, aber vom selben Evangelium zur selben Mission in der Welt angetrieben werden.“

Für eine „mutige und reale Ökumene“

Wie wäre es denn, so fragte der Papst, wenn sich Katholiken und Anglikaner künftig bei allen Projekten fragten, ob sie in dieser Sache nicht auch mit der jeweils anderen Seite zusammenarbeiten könnten? „Durch das konkrete Teilen der Schwierigkeiten und Freuden des Dienstes nähern wir uns einander an! Gott lasse uns zu Förderern einer mutigen und realen Ökumene werden – immer auf dem Weg, um nach neuen Pfaden zu suchen...“

Von allem, was sie noch voneinander trenne, sollten sich die beiden Kirchen nicht irremachen lassen. „Wir haben die Freude, gemeinsam das Herz des Glaubens anzuerkennen und zu feiern. Konzentrieren wir uns von neuem darauf, ohne uns ablenken zu lassen und ohne uns von der ursprünglichen Frische des Evangeliums zu entfernen! Von dort rührt unsere gemeinsame Verantwortung her, die eine und einzige Mission, nämlich dem Herrn und der Menschheit zu dienen.“

Einmal mehr warnte Franziskus vor dem Sich-einschließen in einem kirchlichen „Mikroklima“. Und er ging zurück bis zu den Anfängen der ökumenischen Bewegung vor über hundert Jahren: „Es war das Feuer der Mission, das es damals möglich machte, die Hürden zu überwinden, die uns bis dahin einen gemeinsamen Weg unmöglich gemacht hatten. Bitten wir gemeinsam darum: Der Herr schenke uns, dass von hier eine neue Dynamik von Gemeinschaft und Mission ausgehen möge!“

Auch der anglikanische Primas von Canterbury ergriff während der Liturgie das Wort: „Wir sind Schafe, und unser Hirte ist Gott selbst“, sagte er, „darin liegt unsere ganze Hoffnung, unsere Sicherheit, dass die Kirche alle Kämpfe und Schwierigkeiten überstehen wird.“ Der Gute Hirte sei „jemand, der befreit“: „Freuen wir uns darüber! Aber wir wissen auch, dass wir dazu berufen sind, seine Hände und Füße und sein Mund zu sein. Der Mund, der ruft, die Hände, die zusammenführen, die Füße, die jedes Hindernis überwinden, um das verlorene Schaf zu finden und nach Hause zu bringen.“

Die zwei Kirchenführer begrüßten nach der Vesper die Mitglieder der Kommission beider Kirchen für Gerechtigkeit und Mission. Sie erteilten ihnen auch das feierliche „Mandat“, sich bei allen Vorhaben um die größtmögliche Zusammenarbeit mit Vertretern der jeweils anderen Kirche zu bemühen. Der Papst schenkte seinem Gast aus Canterbury eine Nachbildung der Krümme vom Hirtenstab Gregors des Großen; in ihr ist das Osterlamm dargestellt, und Franziskus hatte sich in seiner Predigt darauf bezogen. Welby revanchierte sich mit einem Brustkreuz, das sich Franziskus spontan umhängte.

(rv 05.10.2016 sk)








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