2016-09-29 12:47:00

D: „Wir sitzen im selben Boot“, sagen die Kirchen in Ostdeutschland


Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche sind in Ostdeutschland nur eine kleine Minderheit. Beiden Kirchen ist die enge Zusammenarbeit lieb, und beide wollen das 2017 anstehende 500-Jahr-Reformationsjubiläum ökumenisch begehen. Das ist der Tenor zahlreicher Gespräche, die die österreichischen Bischöfe Manfred Scheuer und Michael Bünker bei ihrem aktuellen Besuch in Ostdeutschland geführt haben. Bünker und Scheuer haben bei ihrem Besuch im Vorfeld des Reformationsjubiläums die lutherischen Reformationsbotschafterin Margot Käßmann und den Magdeburger katholischen Bischof Gerhard Feige getroffen.

In Ostdeutschland liegt der Anteil aller christlichen Konfessionen je nach Region zwischen 7 und 15 Prozent. Diesen Christen steht eine überwältigende Mehrheit der Konfessionslosen gegenüber. Da rücken beide christlichen Konfessionen automatisch enger zusammen, man teilt sich auch Kirchengebäude, wenn es nötig ist, berichtet Bischof Feige: „Und wenn ich Visitationen in unseren Pfarreien mache: Da gehört es in der Regel dazu, dass ich Kontakt mit evangelischen Geistlichen in dieser Region habe. Meistens ergeben sich dann Gesprächsrunden, wo ich dann höre, wie die Ökumene vor Ort läuft, wo wir uns über unsere gemeinsamen Herausforderungen austauschen. Den da  merken wir auch, wir sitzen im selben Boot und haben ähnliche Probleme.“

Dass auch das Reformationsjubiläum 2017 gemeinsam begangen wird, ist naturgemäß keine Frage, schließlich gehe es ja auch nicht um „Luther-Festspiele“ oder protestantische Jubelstunden, sondern um ein Christusfest , unterstrich Bischof Feige. Das sei letztlich auch das zentrale Anliegen Martin Luthers gewesen: neu auf Christus hinzuweisen. Er freue sich jedenfalls über viele gemeinsame Aktivitäten. Feige verwies in diesem Zusammenhang auf eine im Oktober geplante gemeinsame Israelreise von Vertretern der Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie einen besonderen evangelisch-katholischen Versöhnungsgottesdienst im kommenden März in Hildesheim. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf ein gemeinsames Dokument der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD mit dem Titel: „Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen“. Bischof Feige hält das Papier für bahnbrechenden Text, der noch vor wenigen Jahren so nicht möglich gewesen wäre. Das Dokument war im Vorfeld des Reformationsjubiläums entstanden. Es räume auf mit zahlreichen gegenseitigen Vorurteilen und Vorbehalten und eröffne neue Perspektiven für die Zukunft, betonte der Bischof.

Auch die Reformbotschafterin Margot Käßmann unterstreicht den ökumenischen Charakter des Reformationsjubiläum. „Es kann 2017 kein abgrenzendes konfessionalistisches Reformationsfest geben. Es wurde überlegt, ob man das überhaupt feiern kann, da gab es Diskussionen. Ich finde Bischof Feige hat da einen treffenden Artikel geschrieben, in dem er schreibt: Vielleicht ist das Reformationsjubiläum die Gelegenheit jeweils im anderen zu sehen, was uns fehlt und uns gegenseitig mehr im Lichte von Jesus Christus zu sehen, weil das ist in Deutschland heute glasklar. Uns verbindet mehr, als uns trennt.“ Und gerade in einer zunehmenden säkularen Gesellschaft müssten Christen mehr gemeinsam zu feiern als Unterschiede zu feiern.

Für Käßmann muss das Reformationsjubiläum international und ökumenisch begangen werden. Und es solle auch ein deutliches Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit gesetzt werden.

 

Ökumenisch gegen Fremdenfeindlichkeit

Sorgen bereiten dem katholischen Bischof genau diese Entwicklung in seiner Diözese. Der jüngste Wahlerfolg der rechtspopulistischen AfD in Sachsen-Anhalt wie auch in vielen anderen Teilen Deutschlands sei ein vielschichtiges Phänomen. Hinter der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit stecke wohl aber vor allem auch ein dramatisches soziales Problem. „Die Armut ist inzwischen mitten in der Gesellschaft angekommen“, so Bischof Feige. „Wir haben eine gebildete Mittelschicht, in der es auch immer weiter auseinanderklafft. Diese Stimmungslage ist das bedrückende. Verbitterung, Verärgerung, Enttäuschung machen sich hier breit. Die Flüchtlingsproblematik ist nur der Katalysator

Margot Käßmann wies darauf hin, dass die ostdeutsche Gesellschaft über Jahrzehnte abgeschottet gelebt habe. Begegnungen mit Gastarbeitern, wie im Westen üblich, seien gar nicht erst möglich gewesen. Zum anderen gebe es gerade im Osten so wenige Migranten, „und das, was man nicht kennt, vor dem hat man die größte Angst“. So gebe es beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern bei nur zwei Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Eine wesentliche Aufgabe für die Kirchen sieht die Reformationsbotschafterin deshalb auch darin, Begegnungsräume und -möglichkeiten für Einheimische und Migranten bzw. Flüchtlinge zu schaffen.

Weitere Themen, die im Rahmen des Jubiläumsjahres im Vordergrund stehen müssen, sind laut Käßman die Frage der Bildung oder der Dialog mit den Muslimen. Auch Luthers Antisemitismus bedürfe noch einer weiteren gründlichen Aufarbeitung. Und im Übrigen gehe es natürlich auch nicht nur um Martin Luther. Auch andere große Reformatoren wie Johannes Calvin oder Huldrych Zwingli müssten gebührend Berücksichtigung finden. 2017 sollte daher auch nur ein Symboldatum und Startschuss für einen Prozess sein, der dann von anderen reformatorischen Kirchen in den kommenden Jahren weitergeführt werden soll, so Käßmann.

(kap 29.08.2016 pdy)

 








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