2016-09-25 12:38:00

Papst: „Man spricht nicht gut von Jesus, wenn man traurig ist“


„Gott verkündet man durch die Begegnung mit den Menschen“, und: „Der Herr ist nicht eine Idee, sondern eine lebendige Person“. Das sagte Papst Franziskus an diesem Sonntag auf dem Petersplatz. Er feierte dort bei strahlendem Sonnenschein eine Messe zu den Heilig-Jahr-Feiern der Katecheten und Religionslehrer. Franziskus mahnte seine Zuhörer, „nicht viele Einzelheiten und Aspekte“ des Glaubens weiterzugeben, sondern seine „Mitte“.

„Diese Mitte, um die sich alles dreht, dieses pulsierende Herz, das allem Leben gibt, ist die Osterbotschaft, die Urverkündigung: Jesus, der Herr, ist auferstanden; Jesus, der Herr, liebt dich und hat für dich sein Leben hingegeben; auferstanden und lebendig steht er dir zur Seite und erwartet dich jeden Tag. Das dürfen wir nie vergessen! In diesem Jubiläum der Katecheten wird von uns verlangt, nicht müde zu werden, an die erste Stelle die hauptsächliche Verkündigung des Glaubens zu setzen: Der Herr ist auferstanden. Es gibt keine wichtigeren Inhalte; nichts ist zuverlässiger und aktueller. Jeder Glaubensinhalt wird schön, wenn er mit dieser Mitte verbunden bleibt, wenn er von der Osterbotschaft durchdrungen ist. Wenn er hingegen isoliert wird, verliert er Sinn und Kraft.“

Am besten verkündige man, wenn man liebe, fuhr der Papst fort, denn Gott sei ja die Liebe. Nicht um „mühevolles Überzeugen“ gehe es also und erst recht nicht um ein Aufzwingen der Wahrheit – auch nicht darum, dass man „sich auf irgendeine religiöse oder moralische Pflicht versteift“.

„Gott verkündet man durch die Begegnung mit den Menschen und unter Berücksichtigung ihrer Geschichte und ihres Weges. Denn der Herr ist nicht eine Idee, sondern eine lebendige Person: Seine Botschaft wird übertragen durch das einfache und wahre Zeugnis, durch Zuhören und durch Aufnahme und durch die Freude, die man ausstrahlt. Man spricht nicht gut von Jesus, wenn man traurig ist; und ebenso wenig vermittelt man die Schönheit Gottes, indem man nur schöne Predigten hält. Den Gott der Hoffnung verkündet man, indem man im Heute das Evangelium der Liebe lebt, ohne Angst, es auch mit neuen Formen der Verkündigung zu bezeugen.“

„Weltlichkeit ist wie ein schwarzes Loch“

Der Papst beschäftigte sich in seiner Predigt dann auch mit dem Evangelium dieses Sonntags: Es ist das Gleichnis Jesu vom armen Lazarus und dem reichen Prasser. Der Reiche in diesem Gleichnis tue eigentlich nichts Böses, gab Franziskus zu bedenken; es werde nirgendwo gesagt, dass er schlecht sei. Er habe aber eine Krankheit, die schlimmer sei als das Elend des Lazarus: Blindheit. Es gelinge ihm nämlich nicht, über seine Luxus-Welt hinauszusehen und die Misere vor seiner Haustür wahrzunehmen.

„Er sieht nicht mit den Augen, weil er mit dem Herzen nicht empfindet. In sein Herz ist die Weltlichkeit eingedrungen, die die Seele betäubt. Die Weltlichkeit ist wie ein „schwarzes Loch“, das das Gute verschlingt und die Liebe auslöscht, weil es alles in das eigene Ich aufsaugt. Dann sieht man nur den Anschein und nimmt die anderen nicht wahr, weil man allem gegenüber gleichgültig wird. Wer unter dieser schweren Blindheit leidet, nimmt oft Verhaltensweisen an, die gleichsam „schielen“: Mit Ehrfurcht schaut er auf berühmte, hochrangige, von der Welt bewunderte Personen und wendet seinen Blick von den vielen heutigen Lazarus, den Armen und den Leidenden ab, die der Herr besonders liebt.“

Ja, der Herr sehe „auf die von der Welt Vernachlässigten und Ausgesonderten“, rief der Papst – und wies auf ein interessantes Detail hin: Lazarus sei der einzige Mensch in einem Gleichnis Jesu, dessen Name genannt werde.

„Der reiche Mann hingegen hat in dem Gleichnis nicht einmal einen Namen; sein Leben gerät in Vergessenheit, denn wer für sich selber lebt, schreibt nicht Geschichte. Und ein Christ muss Geschichte schreiben! Er muss hinausgehen aus sich selbst, um Geschichte zu schreiben! Aber wer nur sich selbst lebt, schreibt nicht Geschichte. Die Gefühllosigkeit von heute höhlt Abgründe aus, die für immer unüberwindlich sind. Und wir sind in diesem Moment in diese Krankheit der Gleichgültigkeit verfallen, des Egoismus, der Weltlichkeit.“

„Wir sind keine Unheilspropheten“

Der Papst wies seine Zuhörer dann darauf hin, dass Lazarus sich in dem Gleichnis nicht beschwere; keine Klage komme aus seinem Mund, während er da krank vor der Tür des Reichen liege. „Das ist eine wertvolle Lehre: Als Diener des Wortes Jesu sind wir aufgerufen, nicht den Schein zur Schau zu stellen und nicht nach Ruhm zu suchen; wir dürfen nicht einmal traurig und wehklagend sein. Wir sind keine Unheilspropheten, die Gefallen daran finden, Gefahren oder Abweichungen aufzuspüren. Wir sind nicht Leute, die sich in ihrer eigenen Umgebung verschanzen, bittere Urteile über die Gesellschaft, die Kirche, über alles und alle äußern und so die Welt mit Negativem verunreinigen. Der jammernde Skeptizismus gehört nicht zu dem, der mit dem Wort Gottes vertraut ist.“

Wer die „Hoffnung Jesu“ verkünde, sei vielmehr „ein Freudenbote“, so Franziskus. „Er ist weitsichtig, weil er über das Schlechte und die Probleme hinauszusehen versteht.“ Zugleich sehe er aber auch gut auf kurze Distanz, weil er „dem Nächsten und seinen Bedürfnissen gegenüber aufmerksam“ sei. „Das ist es, was der Herr heute von uns verlangt: Angesichts der vielen Lazarusse, die wir sehen, sind wir aufgerufen, unruhig zu werden und Wege zu finden, ihnen zu begegnen und zu helfen, ohne das immer auf andere abzuschieben oder zu sagen: „Morgen werde ich dir helfen, heute habe ich keine Zeit, morgen werde ich dir helfen.“ Und das ist eine Sünde. Die Zeit zum Helfen ist eine Jesus geschenkte Zeit, ist bleibende Liebe: Sie ist unser Schatz im Himmel, den wir uns hier auf Erden erwerben.“

Zum Schluss der Messfeier betete Franziskus auf dem Petersplatz mit den Anwesenden das Mittagsgebet „Der Engel des Herrn“. Dabei würdigte er auch kurz den Mariannhill-Missionar Engelmar Unzeitig, der am Samstag in Würzburg seliggesprochen worden ist. Der Nazi-Gegner sei „aus Hass auf den Glauben im Vernichtungslager Dachau getötet“ worden, doch habe er „dem Hass die Liebe, der Grausamkeit die Milde“ entgegengesetzt.

Der Papst schickte auch einen Gruß nach Mexiko: Er bete für ein Ende der Gewalt im Land, sagte er und erinnerte an die zwei vor einer Woche getöteten katholischen Priester. Sie wurden im Bundesstaat Veracruz von Bewaffneten entführt und dann umgebracht, vermutlich wurden sie Opfer der grassierenden Auseinandersetzungen von Drogenbanden.

(rv 25.09.2016 sk)








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