2016-09-24 12:33:00

Religionslehrer: „Barmherzigkeit wird bei Flüchtlingen konkret“


Der Papst feiert an diesem Sonntag auf dem Petersplatz das Heilige Jahr der Barmherzigkeit mit tausenden Katecheten aus aller Welt. Der Religionsunterricht gehört in den meisten christlich geprägten Länder zum Unterrichtsprogramm dazu. Dolch welchen Stellenwert haben die Kirche und Papst Franziskus im Religionsunterricht? Dieser Frage ging unsere Kollegin Anna Hlawatsch im Vorfeld der Heiligen Messe für die Katecheten mit Papst Franziskus an diesem Sonntag nach, gemeinsam mit dem deutschen Religionslehrer und Chefredakteur des religionspädagogischen Fachmagazins RABS, Hans Christoph Trilling.

RV: Was bedeutet denn für Religionslehrer das heilige Jahr der Barmherzigkeit?

Trilling: „Das Jahr der Barmherzigkeit findet in der Schule konkret kein Thema. Aber es ist sicherlich ein wichtiger Aspekt des Glaubens, der gerade in der katholischen Kirche viel zu kurz gekommen ist. Die Chance, dass menschenfreundliche Gesichter die Kirche darstellen, das versuchen wir natürlich mit den Schülern im Unterricht zu machen, vor allem, da früher gerade die katholische Kirche eher durch negative Schlagzeilen bekannt geworden ist und da ist jetzt dieser Aspekt der Barmherzigkeit zum Beispiel im Umgang mit den Flüchtlingen, was unsere Schüler ja konkret betrifft, schon sehr wichtig und ein gutes Thema.“

RV: Wie wird das Thema des Heiligen Jahres in den deutschen Schulen und Bildungseinrichtungen eingebracht?

Trilling: „Etwa indem man über ehrenamtliche Arbeit mit den Flüchtlingen arbeitet und das am Beispiel dieser Metapher „Jahr der Barmherzigkeit“ thematisiert. Denn dieser Aspekt der Barmherzigkeit ist doch gerade in der Öffentlichkeit und im Bewusstsein unserer Schüler eher im Hintergrund gewesen. Die Schüler und vor allem deren Eltern haben die Kirche als autoritär oder restriktiv empfunden und keineswegs als barmherzig. So dass wir dieses Thema ganz bewusst einbringen und dieses Thema, da, wo zum Beispiel mit den Schülern verabredet worden ist, dass aktuelle Themen besprochen werden sollen, da gibt es natürlich einen Ansatzpunkt für den Begriff der Barmherzigkeit, gerade in der Flüchtlingsdebatte oder, das darf ich jetzt aus deutscher Sicht sagen, wenn man gestern Abend die Nachrichten gehört hat, dann hätte man das heute Vormittag im Unterricht thematisieren können, wie die deutschen Bischöfe ganz konkret gegen die unbarmherzige Flüchtlingspolitik bestimmter Parteien Stellung nehmen. Das ist einmalig in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, dass die Bischöfe die Sache beim Namen nennen und so konkret Stellung nehmen, und das fasziniert die Schüler.“

RV: Der Papst feiert eine Messe mit Katecheten an diesem Sonntag: welche Rolle nimmt denn Papst Franziskus im Religionsunterricht ein?

Trilling: „Der Papst spielt eine kleinere Rolle, als man zunächst annehmen möchte. Früher war das alles anders, zum Beispiel zu Benedikts Zeiten haben wir ja eher negative Schlagzeilen gehabt und wir haben eher Aufreger in den Nachrichten gehabt und das interessierte die Schüler natürlich auch. Das, was der Papst jetzt sagt, ist kein Aufreger mehr, auch nicht in den sozialen Netzwerken. Denn er spricht vielen Menschen einfach so aus dem Herzen. Wenn man ihn im Unterricht vorstellt und thematisiert, erhält man durchwegs eine positive Resonanz, das kann man schon sagen. Andererseits ist Kirche und vor allem Kirche in Rom, von Jahr zu Jahr weniger Thema für unsere Schüler. Das hat natürlich verschiedene Ursachen. Der Papst repräsentiert ja die Kirche, aber die Praxis der Kirche und die Praxis christlicher oder sich christlich nennender Organisationen widerspricht sich ja absolut. Ein Bischof wie Franz-Peter Tebartz-van Elst, um es in den Worten der Schüler zu umschreiben: der absoluten Unsinn, Mist gebaut hat, der bekommt jetzt in der Kurie einen Posten mit einem tollen Titel, diesen Widerspruch spüren die Schüler. Aber daran kann man auch den Begriff Barmherzigkeit festmachen, der Papst ist insofern da konsequent, er sagt, auch denen gegenüber muss man barmherzig sein. Aber zwischen diesem Spagat stehen wir, einerseits der Anspruch an die Religionslehrer, die Lehre der Kirche oder Glaubensinhalte weiterzugeben, andererseits der Widerspruch der sich in der Öffentlichkeit und in der öffentlichen Wahrnehmung zeigt und da schalten dann viele Schüler ab und sagen das ist ja unglaubwürdig.“

Übrigens: Radio Vatikan überträgt die Messe der Katechisten live und mit deutschem Kommentar und zwar ab 10.25 Uhr. Sie können die Übertragung auf unserem Vatican Player mitverfolgen.

(rv 24.09.2016 ah)








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