2016-09-14 10:30:00

Pakistan: „Opfer des Blasphemiegesetzes gibt es viele“


Diesmal traf es Shikarpur: Vor einer schiitischen Moschee sprengte sich am Montag in der pakistanischen Sindh-Provinz ein Attentäter selbst in die Luft. Dabei wurden mindestens 13 Menschen verletzt, die dort gerade das islamische Opferfest Eid al-Adha begingen. In Khanpur, nicht weit von Shikarpur entfernt, konnte ein ähnlicher Anschlag gerade noch abgewendet werden.

Es sind Nachrichten wie diese, die Erzbischof Joseph Coutts von Karatschi alarmieren. Der nahezu tägliche Terror einiger Islamistengruppen richte sich gegen alle Menschen in Pakistan, ganz gleich welcher Religion oder Gruppe sie angehörten. Das sagte der Präsident der pakistanischen Bischofskonferenz im Gespräch mit Radio Vatikan.

„Das ist das grundlegende Problem, dem sich Pakistan im Moment gegenübersieht. Der Extremismus von islamischen Gruppen, die zu Gewalt, Terror und Bomben greifen, ist nichts, das etwa nur die Christen anginge: Er wirft einen Schatten über das ganze Land. Das ganze Land ist besorgt über diese gewalttätigen Gruppen. Und schon seit zwei Jahren geht das pakistanische Militär gegen die Bastionen dieser Gruppen vor, zerstört ihre Waffen und ihre Rückzugsgebiete. Dank dieser Militäroperation ist die Lage sicher besser als noch vor ein paar Jahren.“

Und dennoch: Es gibt in Pakistan durchaus Terror und Diskriminierung, die sich speziell gegen die christliche Minderheit richtet. Der Fall Asia Bibi ist dafür emblematisch, zumindest aus westlicher Sicht: Die etwa 45-jährige Christin wurde 2010 im Punjab zum Tod verurteilt; der Hebel zu diesem Urteil war das Blasphemiegesetz, das die Beleidigung des Korans und Mohammeds unter schwere Strafen bis hin zur Todesstrafe stellt. Doch Erzbischof Coutts gibt zu bedenken: „Opfer des Blasphemiegesetzes gibt es viele – nicht nur Asia Bibi! Das Positive ist allerdings, dass das Oberste Gericht vor ein paar Monaten festgestellt hat: Das Blasphemiegesetz zu kritisieren ist nicht dasselbe, wie wegen Blasphemie angeklagt zu werden. Das könnte Ihnen vielleicht etwas simplizistisch erscheinen, aber das Gegenteil ist der Fall: Das ist, aus meiner Sicht, ein sehr wichtiger Schritt. Schließlich sind ja einige Menschen allein deshalb getötet worden, weil sie dieses Gesetz kritisiert hatten.“

Der Erzbischof von Karatschi zielt da vor allem auf den Fall von Salman Taseer: Der Gouverneur des Punjab, ein Muslim, wurde 2011 von seinem eigenen Leibwächter umgebracht. „Er hatte nichts gegen den Propheten gesagt, er war nicht blasphemisch – er hatte lediglich das Gesetz als solches kritisiert! Und jetzt hat eben das Oberste Gericht festgehalten, dass solche Kritik nicht selbst schon als Blasphemie eingestuft werden kann. Sehr  viele Pakistaner – auch viele Muslime – sind der Ansicht, dass das Gesetz nicht richtig angewandt wird und dass einige Änderungen daran notwendig sind. Allerdings ist noch nicht klar, wie eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen wäre. Immerhin hat man aber darüber zu reden begonnen, das allein ist sicher schon ein Schritt nach vorn.“

Erzbischof Coutts setzt darauf, dass die Christen trotz der Widrigkeiten in Pakistan ausharren. Einen Exodus von Christen aus dem Land kann er nicht erkennen. „Wissen Sie – diese Nachrichten, dass Leute jetzt das Land verlassen, das sind ja nicht nur Christen. Diejenigen, die diese Entscheidung treffen, tun das aus den unterschiedlichsten Gründen. Einige werden tatsächlich verfolgt, das ist wahr. Aber es gibt viele andere – darunter auch viele Muslime –, die das Land aus politischen Gründen verlassen wollen. Und dann gehen viele auch aus wirtschaftlichen Gründen, sie sehen keine Möglichkeiten mehr in Pakistan und suchen woanders ein besseres Leben. Leider haben viele den irrigen Eindruck, dass im Ausland alles besser gehen wird, dass dort alles okay sein wird.“

(rv 14.09.2016 sk)








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