2016-09-13 13:32:00

Assisi: Franziskus setzt neue Akzente im interreligiösen Dialog


Noch eine Woche, dann ist es soweit, Papst Franziskus wird nach Assisi reisen und an einem neuen Friedensgebet der Weltreligionen teilnehmen. Genau vor 30 Jahren hat Papst Johannes Paul II. das Friedensgebet ins Leben gerufen, seither gibt es verschiedenste Neuauflagen nicht nur in Assisi, sondern weltweit. Timo Güzelmansur ist Geschäftsführer der CIBEDO, der Christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz. Pia Dyckmans sprach mit ihm über die Bedeutung des Friedensgebetes für den interreligiösen Dialog 30 Jahre nach dem ersten Friedensgebet - und 15 Jahre nach dem 11. September, der eine neue Epoche interreligiöser Kontroversen einläutete.

Timo Güzelmansur: „Die Entwicklung zeigt eines: Wo Menschen sich begegnen, wo Freundschaften geschlossen werden, wo religiöse Menschen – vor allem in Form in dieser Friedensgebete – diese Freundschaft vor Gott vortragen, ohne dass die religiösen Traditionen miteinander vermischt werden, angesichts der Herausforderungen, angesichts der Probleme, die im Zusammenleben der verschiedenen Religionen aufkommen können, da werden die Wege kürzer. Die Menschen können sich schneller verständigen, schnell auf Missverständnisse oder auf Querschüsse reagieren. Daher haben die Friedensgebete seit der Gründung 1986 bis heute eine sehr wichtige Bedeutung bekommen. Sie haben eine wichtige Funktion.“

Radio Vatikan: Auf der einen Seite haben wir die Bedeutung für den interreligiösen Dialog, aber auf der anderen Seite auch etliche Kritiker des Friedensgebetes. Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger stand den Friedensgebeten anfangs differenziert gegenüber, reiste aber dann als Papst Benedikt selbst nach Assisi. Was ist das theologische Problem hinter den interreligiösen Gebeten?

Güzelmansur: „Ein Hauptmerkmal der Kritiker ist, dass das christliche Gottesbild von den anderen Religionen nicht geteilt wird und damit auch die Grenze markiert ist. Also das trinitarische Gottesbild im Christentum markiert die Grenze. Die Kritiker haben befürchtet, dass aufgrund des Zusammenkommens mit anderen religiösen Traditionen dieses Gottesbild irgendwie verweichlicht oder verkürzt wiedergegeben wird. Aber genau das ist nicht der Fall. Sondern aufgrund des Respekts vor anderen Religionen, aber auch aufgrund der Selbstvergewisserung in den eigenen religiösen Traditionen wird auf das gemeinsame Gebet verzichtet. Das heißt, es gibt keine vorformulierten Gebetstexte, sondern jeder betet in seiner eigenen religiösen Tradition mit seinen Gebeten in Beisammensein mit den Anderen. Das ist der springende Punkt bei den ganzen Diskussionen."

RV: Dieses nebeneinander und nicht miteinander beten ist das traditionelle Assisi-Modell, dass Papst Johannes Paul II. entwickelt hat. Gibt es denn mit Papst Franziskus neue Entwicklungen und Aspekte des interreligiösen Gebets?

Güzelmansur: „Papst Franziskus hat bei seinem Besuch 2014 in Albanien und dem Kosovo in einer spontanen Geste gesetzt, er forderte die Anwesenden auf, ein vorformuliertes Gebet  gemeinsam zu beten. Das war ein erstes Zeichen, das er gesetzt hat. Ein zweites kam mit seiner Enzyklika ‚Laudato Si’. Am Ende hat er uns zwei Gebete geschenkt, der eine Gebetstext richtet sich an Christen und der andere an alle Menschen von verschiedenen religiösen Traditionen, den sie beten können, wenn sie zusammen kommen, um sich für die Schöpfung einzusetzen. Das ist eine neue Entwicklung, die ich sehr spannend finde. Ich bin auch gespannt, ob in der kommenden Woche beim Friedensgebet in Assisi in diese Richtung neue Akzente geben wird oder wie sich der Papst dort positionieren wird.“

RV: Würde diese Entwicklung den Kritikern interreligiöser Gebeten nicht wieder neuen Aufwind geben?

Güzelmansur: „Es wäre abzuwarten, glaube ich, wie der Papst uns das erklären wird und in welchem Kontext er dieses Gebet einsetzen wird. Es könnte Kritiker praktisch ermutigen, weiterhin in diese Richtung zu argumentieren, aber ich bin gespannt auf die theologischen Deutungen und Erklärungen, die dann vielleicht erfolgen werden.“

(rv 13.09.2016 pdy)








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