2016-08-24 13:46:00

D: 100 Jahre Caritas, 100 Jahre Einsatz für Benachteiligte


Der Deutsche Caritasverband feiert ein rundes Jubiläum: Vor 100 Jahren wurde er als Zusammenschluss der Diözesan- und Ortscaritasverbände von den deutschen Bischöfen anerkannt. Wir sprachen aus diesem Anlass mit dem Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes, Prälat Peter Neher, und fragten ihn zunächst, wie er heute das Wirken der katholischen Hilfsorganisation auf den Punkt bringen würde.

„Das ist am einfachsten mit dem Slogan der Caritas in Deutschland: Not sehen und handeln. Das macht deutlich, dass wir national mit den vielen sozialen Einrichtungen engagiert sind, ob das die Altenhilfe, Behindertenhilfe, Flüchtlingsarbeit ist oder politische Arbeit, aber auch die internationale Arbeit mit unserem Hilfswerk Caritas International, wo wir praktisch in allen Krisenregionen der Welt engagiert sind, um Menschen in ihrer Not zu unterstützen und ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Das bringt es auf den Punkt: Not sehen und handeln.“

RV: Sie sprachen auch von einer politischen Arbeit: hat das in der Geschichte der Caritas, auch gerade in den letzten Jahren, zunehmend den Verdacht geweckt, eine Einmischung der katholischen Kirche in die Politik zu sein?

„Das ist, denke ich, unsere Aufgabe. Das Evangelium fordert von uns, dass wir auch Stellung nehmen, dass wir uns einmischen in die politische Debatte. Das war ja genau auch der Gründungsimpuls der deutschen Caritas von Lorenz Werthmann, zu sagen, die vielen sozialen Aktivitäten, die wir in der Caritas haben, die müssen gebündelt und politisch wirksam sein, um der Menschen willen. Es geht nicht darum, den Einfluss der Kirche auf irgendetwas zu intensivieren, sondern wir haben gleichsam in der prophetischen Tradition unserer eigenen Glaubensüberzeugung dort den Mund aufzumachen, wo Ungerechtigkeit herrscht, wo Menschen an den Rand gedrängt werden, wo Vorurteile gepflegt werden, wie das gerade im Bereich der Flüchtlingsarbeit intensiv ist, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Das gehört zum wesentlichen Selbstverständnis einer Caritas der Kirche, und zwar begründet im eigenen Glaubensverständnis.“

RV: Was war damals der „Geist“ der katholischen Caritas, und wie hat er sich bis heute verändert?

„Die Gründung war bereits 1897, und die Bischöfe haben dann inmitten des Ersten Weltkriegs die verbandliche Caritas anerkannt. Der Geist der katholischen Caritas war von der Gründung an ganz stark geprägt von den zahlreichen Kongregationen, die im 19. Jahrhundert entstanden sind, also Ordensleute wie die barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul oder die Laienvereinigungen wie die Vinzenz- und Elisabethenvereine. Natürlich hat sich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern her, was eigentlich selbstverständlich als katholisch war, weil bei jedem Ordensmann oder Ordensfrau wird das Katholischsein nicht in Frage gestellt, das hat sich im Lauf des Jahrhunderts doch deutlich verändert. Allein schon durch die Zahl der Ordensangehörigen in den Einrichtungen der Caritas. Wir haben zuletzt nur noch etwa knapp 4.000 Schwestern und Brüder im Bereich den sozialen Einrichtungen in Deutschland, also Ordensangehörige, während gleichzeitig die Zahl der weltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter exponentiell gestiegen ist. Von daher ist es heute in unserer Gesellschaft anders, das heißt, das katholische Profil, der Geist des Evangeliums, der fällt nicht einfach vom Himmel. Sondern da müssen wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stützen, schulen, Impulse geben. Das ist, was sich deutlich verändert hat, wenn man vom Gründungsimpuls herkommt.“

RV: Auch wer mit der katholischen Kirche nicht mehr viel anfangen kann, hat oft besonderen Respekt für das, was die Mitarbeiter der Caritas leisten, besonders auch die Freiwilligen. Inwiefern ist die Caritas ein Bindeglied zwischen Kirche und verweltlichter Welt?

„Ich tu‘ mich etwas schwer mit dem Bild, weil natürlich ist die Kirche mit ihrer Caritas immer auch Teil dieser Welt, nicht nur ein Gegenüber, und gleichzeitig gehen wir in der Welt nicht auf, weil wir eine Botschaft haben, die über die Welt hinauszeigt. Insofern ist es Aufgabe der sozialen Aktivität der katholischen Kirche mit ihrer verbandlichen Caritas, in die Gesellschaft hineinzuwirken, tatsächlich hier beim Evangelium von der Tatsprache des Glaubens inspiriert zu sein, und da glaube ich schon, dass das etwas ist wie ein Glaubwürdigkeitsbeweis und -erweis für die Kirche in der Gesellschaft. Gleichzeitig dürfen wir Kirche nie reduzieren auf reine Nützlichkeitsaspekte, weil es wichtig ist, dass sich jemand der sozialen Themen annimmt, sondern Kirche hat auch per se ihre Rolle und Bedeutung in einer Gesellschaft, wenn sie auch von kirchlichen Themen manchmal weit weg ist. Also der Dienst an Gott ist ein Dienst an den Menschen – und umgekehrt, das Gebet und die Liturgie sind ganz wichtige Teile der Kirche als Dienst an und in der Gesellschaft. Das würde ich nicht gern gegeneinander ausspielen, wenngleich für viele Menschen das soziale Engagement das ist, wo sie vorrangig das Wirken der Kirche in der Gesellschaft erkennen und wertschätzen.“

(rv 24.08.2016 gs)








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