2016-08-21 10:53:00

Nuntius im Irak: „Größte Aufgabe ist Versöhnung“


Der Apostolische Nuntius Alberto Ortega Martín im Irak ist erst seit gut einem Jahr Apostolischer Nuntius im Land. Er kam in einem Moment der tiefen Krise, mit einer immer gravierenderen humanitären Situation. Mit Radio Vatikan sprach er über seine Eindrücke und die Notwendigkeit der Versöhnung im Land.

„Die humanitäre Lage im Land ist schwierig, es gibt eine riesige Zahl an Vertriebenen mit etwa 3,5 Millionen Menschen, es gibt eine starke wirtschaftliche Krise, mit sehr vielen Herausforderungen, vor denen das Land steht. Die Vereinten Nationen haben sich engagiert, aber die Hilfsgelder sind nur zu einem Teil angekommen, nicht einmal zur Hälfte. Wie der Papst bereits viele Male beklagt hat, gibt es viel Geld für Waffen, und wenig Geld für die Menschen und ihre Nöte.“

Zwar werden immer wieder Städte aus der Herrschaft des Islamischen Staates befreit, wie jüngst auch wieder in der syrischen Stadt Manbidsch der Fall. Doch auch in der befreiten Region seien die Menschen nicht immer sicher. Denn oft würden dann die Männer von ihren Frauen getrennt und kontrolliert, um sicher zu gehen, dass sie nicht dem IS angehören.

„Man versucht diese Untersuchungen voranzubringen aber nicht immer werden dabei die Rechte der Menschen respektiert. Für die Familien ist das schwer. Die Frauen und Kinder können leicht hinausgehen, aber die Männer müssen diese Kontrollen machen. Man versucht sie so gut wie möglich zu machen und es wurde sogar eine Untersuchung gestartet, wie diese Kontrollen am besten von statten gehen könnten.“

Die Caritas versucht unterdessen ihr Mögliches für die Menschen zu tun. Viele christliche Familien haben zwar ein Dach über dem Kopf und wohnen in Mietwohnungen, allerdings mit zwei drei anderen Familien zusammen. Bislang brauchen sie noch Unterstützung für die Miete, Nahrung. Die beste Lösung für sie ist es, wenn sie sich selbst ein kleines Gehalt verdienen und sich stärker integrieren. Die Flüchtlingslager jedenfalls leerten sich allmählich, sagt Nuntius Martín.

„Die Christen haben sehr gelitten. In Mossul, in der Niniveh-Ebene, sind alle fortgegangen. Viele sind ins Ausland oder nach Kurdistan gegangen. Leider ist die christliche Präsenz im Land gesunken, aber viele bleiben noch in Bagdad. Und wir versuchen sie zu ermutigen, ihnen Hoffnung zu geben weil wir denken, das ihre Präsenz nicht nur für die Kirche sehr wichtig ist, aber für die ganze Gesellschaft. Nur wenn sie bleiben wollen, brauchen sie Sicherheit, Arbeit und ein Zuhause.“

Mossul ist nach wie vor in den Händen des IS, die Stadt ist eine Hochburg der Terroristen. Die irakische Armee bereitet sich langsam auf eine Offensive vor. Die Folgen für die Menschen seien aber noch nicht absehbar: „Auf humanitärer Ebene erwarten wir eine sehr schwere Krise. Wir bereiten uns schon vor, denn wir können nicht einfach improvisieren, wenn es soweit ist. Was ziemlich vorhersehbar ist, ist eine hohe Zahl an Flüchtlingen, eine Million, in kürzester Zeit. Es wäre eine Notlage ohne Vergleich in der jüngeren Geschichte. Das wird eine riesige Herausforderung.“

Die wohl größte Herausforderung, so der Nuntius, sei die Versöhnung unter den Menschen. Denn eigentlich sei der Irak ein reiches Land voller Möglichkeiten. „Wenn der Extremismus bekämpft werden soll, müssen wir an die Wurzel gehen und gemeinsam eine Gesellschaft aufbauen, in der jeder einen Platz hat, wo gemeinsam gearbeitet wird, es Dialog gibt. Davon hängt die Zukunft des Landes ab und auch die Zukunft der Christen, die, auch wenn sie in der Minderheit sind, einen unerlässlichen Beitrag leisten wollen.“

Auf die politischen Institutionen sei zurzeit kein Verlass, es stehe ein Regierungswechsel an und auch im Parlament gebe es Schwierigkeiten. Dabei müsse die politische Klasse mit gutem Beispiel vorangehen und sich für das Gemeinwohl einsetzen. Hier seien aber auch die Christen des Landes Vorbilder: „Sie sind Vorbilder indem sie den Menschen Mut machen und ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten. Die Christen sind immer Schöpfer des Friedens, des Reichtums, der Entwicklung und diese Aufgabe wollen sie auch weiterhin gemeinsam mit anderen Religionen übernehmen.“

Von dem Zeugnis dieser „wunderbaren Christen“ wolle auch er lernen, meint Martín. „Sie haben alles verloren, um ihren Glauben aufrecht zu halten“. Ihnen wolle er die echte Nähe des Heiligen Vaters und der Kirche zukommen lassen. Mit Nähe, Sorge und Hilfe, um sie dann mit der Frohen Botschaft zu ermutigen und zusammenzuarbeiten für den Frieden.

 

(rv 21.08.2016 cz)








All the contents on this site are copyrighted ©.