2016-08-13 10:23:00

Papst besucht Ex-Zwangsprostituierte


Es war eine der Gesten der Barmherzigkeit, die Papst Franziskus für das Heilige Jahr angekündigt hatte: Barmherzigkeit zum Nachmachen. In diesem Monat war es ein Überraschungsbesuch in einem Haus am Stadtrand von Rom, wo zwanzig ehemalige Zwangsprostituierte leben, ein Haus voller körperlichem und seelischem Leid. „Es war eine große Überraschung, vor allem für die jungen Frauen, die so sehr unter Zwangsprostitution gelitten haben.“ Das sagt der geistliche Verantwortliche des Frauenhauses, Don Aldo Bonaiuto. „Der Papst ist extra zu ihnen gekommen, um sie zu sehen und ihre Geschichten anzuhören. Es waren wirklich ungewöhnliche Momente des Weinens, aber auch des Trostes durch die Umarmung des Heiligen Vaters. Der Papst hat sehr schöne Worte gesagt, aber auch ganz schön kräftige: Er hat im Namen aller Christen um Vergebung gebeten für die Gewalt und all das Böse, das diese jungen Frauen haben erleiden müssen. Das waren wirklich sehr bewegende Worte.“

Sieben der früheren Prostituierten, die sich mit Franziskus unterhielten, stammen aus Nigeria, sechs aus Rumänien und vier aus Albanien; die anderen kamen aus Tunesien, der Ukraine und auch aus Italien. Der Vatikan gibt ihr Durchschnittsalter mit etwa dreißig Jahren an. Alle Frauen hätten schwere physische Gewalt erlebt und müssten vor ihren früheren Zuhältern beschützt werden. Franziskus hielt sich etwas über eine Stunde in dem Frauenhaus auf.

„Der Heilige Vater hat sich lange die Geschichten dieser Frauen angehört. Er war bewegt, hat sie umarmt und mit jeder einzelnen geredet – auch mit einer jungen Frau, die erst am Abend zuvor angekommen war und die leider gerade ihr Kind auf der Straße hat zur Welt bringen müssen, ganz alleine; das Kind ist in ihren Armen gestorben. Also, wirklich dramatische Geschichten. Der Heilige Vater hat mit eigenen Augen die Wunden dieser Frauen gesehen, sie haben sie ihm gezeigt. Die Spuren der Schläge... Verstümmelte Frauen, mit abgeschnittenen Ohren...”

Der Vatikan – genauer: der Päpstliche Rat für Neuevangelisierung, der das Heilige Jahr  der Barmherzigkeit organisatorisch begleitet – bezeichnete den Papstbesuch bei den Ex-Prostituierten als „Ruf an die Gewissen, Menschenhandel zu bekämpfen“. Papst Franziskus hat Menschenhandel und Zwangsprostitution immer wieder kritisiert und zu einem „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ erklärt.

„Die Frauen waren sehr überrascht; sie hätten nie damit gerechnet, dem Papst zu begegnen. Wir hatten ihnen kurz vorher nur gesagt, dass ein berühmter Mensch zu Besuch kommen würde, aber dann haben wir sie auf falsche Fährten gelockt – also, das hätten sie sich nie träumen lassen, dass der Heilige Vater ankommen würde. Es war wirklich eine Riesen-Überraschung für sie. Sie waren fast geschockt – glücklich geschockt!“
Die Frauen, die Franziskus in diesem Haus im Norden Roms getroffen habe, tragen – so formuliert der Priester – „allesamt Geschichten von Gewalt und Missbrauch“ mit sich herum. „Es gibt Frauen mit sehr schweren psychiatrischen Problemen. Das alles sind Frauen, denen leider niemand mehr die psychische und physische Gesundheit zurückerstatten wird. Und diese Gesundheit haben ihnen ihre Kunden genommen – Männer, die dachten, sie hätten ein Recht darauf, zu ihrer sexuellen Befriedigung den Körper einer Frau zu kaufen. Mehr als 100.000 Frauen prostituieren sich in Italien auf der Straße!“

Die „Gemeinschaft Johannes XXIII.“, die das Haus unterhält, versucht die Italiener mit einer Kampagne für die Leiden der Zwangsprostituierten zu sensibilisieren. Die Kampagne trägt den Titel „Das ist mein Leib“. „Wir haben sie absichtlich so genannt. Die Kampagne soll sagen: Es ist Zeit, die Nachfrage zu stoppen, indem man sich an das nordische Modell hält [das die Kunden von Prostituierten bestraft], das funktioniert und das dafür sorgt, dass diese große Nachfrage auf diesem furchtbaren Markt entmutigt wird. Das ist die einzige Art und Weise, um auch diese schreckliche Macho-Mentalität zu ändern, die davon ausgeht, dass man einen Menschen kaufen könnte.“


Im Laufe des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit besucht der Papst jeweils an einem Freitag im Monat besondere Einrichtungen. Im Januar war er in einem Pflegeheim, im Februar besuchte er eine Gemeinschaft in Castelgandolfo, die sich um Drogenabhängige kümmert. Es folgte im März eine Visite in einem Flüchtlingszentrum, im Mai war ein Treffen mit psychisch Kranken in Ciampino dran, und im Juli war er auf seiner Polen-Reise in Auschwitz und anschließend in einer Kinderklinik in Krakau zu Besuch.

(rv 13.08.2016 sk)








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