2016-08-06 09:31:00

Gewalt und Medien: Keine Bühne für die Täter


Wann hat ein Attentäter „Erfolg“? Wann ist das, was er in Wahn oder fundamentalistischer Verzerrung an Gewalt ausübt, „erfolgreich“? Berühmtheit gehört dazu, Attentate und Amokläufe wollen auch Öffentlichkeit, die Täter wollen sich inszenieren, wollen bekannt werden, wollen in die Medien, um ihrem Wahn und sich selbst eine Bühne zu geben. Dass das einen Einfluss hat auf Journalisten und Berichterstattung, ist in den vergangenen Wochen eingehend debattiert worden, im Nachgang zu den Ereignissen in Würzburg, Ansbach und vor allem München, wo es einen Medienhype und eine Dauerberichterstattung hab, obwohl kaum Informationen vorhanden waren, oder nur falsche.

Täter – seien es Terroristen oder seien es Amokläufer – planten diese Form der Öffentlichkeit mittlerweile mit in ihre Tat ein, das sei in der Forschung bereits gut untersucht, berichtet MelanieVerhofnik, sie arbeitet an der Universität Eichstätt am Lehrstuhl für Journalistik und hat sich mit den so genannten ‚School Shootings‘, Amokläufen an Schulen, wissenschaftlich auseinandergesetzt, und dann auch genereller mit Amok und Gewalt und der Berichterstattung darüber. „Medien machen sich mit zum Handlanger, indem sie die Botschaften der Täter verbreiten. Besonders prekär wird das, wenn [vom Täter] selbst inszeniertes Material verbreitet wird. Bei Terroristen kennen wir diese Bekennervideos, d.h. wir haben es mit Tätern zu tun, die nicht im Verborgenen operieren wollen, sondern es geht um Täter, die der Öffentlichkeit gezielt mitteilen wollen, was sie getan haben. Die einzig richtige Reaktion wäre, nicht das zu machen, was die Täter möchten, dass man den Tätern kein Gesicht und auch keine mediale Bühne gibt.“ Das sei keine Berichts-Verweigerung, man müsse aber klug handeln.

Die Täter wollen mit ihrer Tat nicht im Verborgenen bleiben

Der Appell von Melanie Verhofnik geht aber nicht nur an Journalisten und Redaktionen, er richtet sich zugleich an alle, die Medien nutzen, egal welche das sind. Schließlich seien Mediennutzer im überwiegenden Fall Individuen, die selber Entscheidungen treffen könnten. „Da hat jeder Leser, jeder User, Verantwortung dafür, welche Inhalte er konsumiert.“ Mitunter lohne es sich auch, einfach den Fernseher auszuschalten, wenn klar ist, dass noch niemand etwas weiß.

Und wie gehen die Medienprofis damit um, die Journalisten? „Gewalt hat per se schon einen hohen Nachrichtenwert. Wenn dann noch andere Faktoren hinzu kommen, zum Beispiel wenn es im Nahbereich stattfindet, dann müssen Journalisten einfach darüber berichten, aus so einem Ereignis wird immer eine Nachricht,“ so Verhofnik „Die Frage, wie man unter diesen Bedingungen gut berichten kann, ist eigentlich gar nicht so schwer zu beantworten. Journalisten können dann gut berichten, wenn sie auf solche Situationen gut vorbereitet sind, wenn sie geschult sind, wenn sie sich gut mit der rechtlichen Lage auskennen und wenn sie dann auch noch in der Lage sind, sich selbst dabei zu schützen.“

Schnittstelle Redaktion - Journalist vor Ort

Ein Faktor für eine gute Berichterstattung sei das Zusammenspiel von Journalist vor Ort und Redaktion, das könne man an ganz vielen Fällen aus den letzten Jahren belegen, berichtet Verhofnik. Journalisten müssten auch vor Ort selber entscheiden dürfen und gleichzeitig Hilfe und Unterstützung aus der Redaktion bekommen, „ohne gleich einem riesigen Druck ausgesetzt zu sein, jetzt etwas Neues und Spektakuläres liefern zu müssen. Dann kann das ganz gut gelingen.“ Aus Befragungen von Journalisten wisse man, dass Berichterstattung in solchen Fällen besonders gut gelinge, wenn der Journalist das hauptberuflich mache. Schwierig wird es dann, wenn ein Lokaljournalist oder ein fachfremder Journalist sich plötzlich in so einer Situation befindet. Dazu komme der ökonomische Druck, zu liefern, was die Leute sehen und hören wollten, Emotionen und dramatische Geschichten.

Spekulationen, Dauer-Live-Schaltungen, all das sind Phänomene, die auch mit der digitalen Welt zusammen hängen. Informationen kommen eben nicht mehr nur durch Tagesschau am Abend und Zeitung am Morgen, sie kommen über soziale Netzwerke und andere Quellen. Dort verbreiteten sich Spekulationen wie im Lauffeuer. „Und da liegt diese Gefahr von Hysterie und Panik einfach sehr nahe".

 

(rv 06.08.2016 ord)








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