2016-08-04 13:49:00

Papst in Assisi: Besuch in einem kleinen Jerusalem


Papst Franziskus besucht an diesem Nachmittag die Portiuncula-Kapelle, wo er beten wird und im Anschluss zu den Versammelten sprechen wird, eine Meditation über das Vergeben will er vorlegen. Der Papst komme als Pilger, betont der Bischof von Assisi, Domenico Sorrentino. Im Gespräch mit Radio Vatikan hebt er die Bedeutung des Ortes für das Heilige Jahr der Barmherzigkeit hervor und erklärt, warum die Botschaft des Heiligen Franziskus heute aktueller denn je ist. Und wir haben mit Pilgern gesprochen, die sich heute vor der Kirche versammelt haben. 

Es war nicht geplant, doch es könnte nicht besser passen: Zum 800. Jahrestag des Ablasses von Portiuncula, der „Vergebung von Assisi“, feiert die Kirche das außerordentliche Jubiläum der Barmherzigkeit. Nicht zuletzt aus diesem Anlass kommt Papst Franziskus an den wichtigen Ort seines Namensgebers, der hier die Barmherzigkeit Gottes auf besondere Weise spürte, erklärt der Bischof von Assisi, Domenico Sorrentino: „Der Papst macht sich selbst zum Pilger, er will Pilger unter Pilgern sein. Er lässt uns Anteil haben an der Schönheit dieser kleinen Kirche, die dem Heiligen Franziskus so wichtig war. Diese Kirche sollte die Zärtlichkeit Gottes zeigen, den mütterlichen Blick und Schoß Mariens. Es ist also ein Ort, wo man die Nähe Gottes, seine Barmherzigkeit spüren kann und echte Geschwisterlichkeit erfahren kann. Schließlich war die Portiuncula-Kapelle auch der Ort, an dem Franz von Assisi sich oft mit seinen Mitbrüdern versammelte. Von dort aus schickte er sie als Samen der Evangelisierung in die Welt, als Samen der Geschwisterlichkeit und des Friedens.“

Ein kleiner Ort

Bischof Sorrentino selbst sieht sich als privilegiert, an dem besonderen Ort Assisi wirken zu dürfen. Schließlich hat sich am Bischofssitz der heilige Franziskus vor seinem Vorgänger, dem damaligen Bischof Guido aller Kleider und seines Reichtums entledigt, um sich ganz Christus hinzuwenden. „Er war in der Lage, den Sinn des Evangeliums wirklich neu zu definieren“, findet der Bischof. „Und zwar insofern, dass man den großen Kampf für den Frieden und die Geschwisterlichkeit nicht ohne Entbehrungen, ohne sich zu entblößen, gewinnen kann. Franziskus lehrt uns auch heute noch, dass die Sanftmut und Milde keine Schwäche sind, sondern authentisches Zeichen von innerer Stärke. Es zeigt die Fähigkeit, Zeugnis abzulegen, indem man die Herzen und die Arme öffnet auch für schwierige Brüder.

Mit den schwierigen Brüdern dürften auch die islamistischen Terroristen gemeint sein, die auch vor Christen nicht Halt machen, wie sich jüngst auch in Europa, in Frankreich gezeigt hat. Aber auch wenn die Kirche bedroht sei,  müsse sie auf Christus vertrauen, meint Sorrentino. „Der Weg der Sanftmut wird auf lange Sicht gewinnen. Heute befinden wir uns sicher in einer Zeit, die einige Parallelen mit der Epoche des Heiligen Franziskus hat. Wenn wir uns angegriffen, verfolgt fühlen oder gar umgebracht werden durch Terrorismus und Fanatismus. In dieser Situation ist es nicht leicht, mit Milde zu reagieren. Wir sind versucht mit Gewalt auf die Gewalt zu antworten. Das Evangelium lehrt uns etwas Anderes und Franziskus legt ein Zeugnis ab, dass ein anderer Weg möglich ist. Assisi hat also noch viel zu sagen, nicht umsonst hat Johannes Paul II. 1986, vor 30 Jahren, das Gebetstreffen der Religionen hier ins Leben gerufen. Diese Initiative ist aktueller denn je.“

Stimmen vor Ort

Auch bei den Pilgern, die vor der Kirche der Heiligen Maria von den Engeln sind die Gewalt und die Kriege der jüngsten Zeit sehr präsent. Umso wichtiger sei es, sich im Glauben zu stärken und dem Beispiel der Barmherzigkeit zu folgen. Das gehe kaum woanders besser, als in der Portiuncula-Kapelle, findet Anna aus Brescia. „Für mich ist die Portiuncula auf der gleichen Ebene wie Jerusalem. Die Gefühle, die Freude im Herzen, die sie dir gibt, sind schwer zu beschreiben.“

Seit neun Uhr warten Anna und ihr Mann auf den Papst; sie haben spontan von seinem Besuch erfahren. „Wir kommen hier her, weil wir auch in Jerusalem waren. Dort haben wir den Wert und die Bedeutung Christi und seiner Werke verstanden. Hier in Assisi wiederum wird uns das Leben und Wirken des Heiligen Franziskus deutlich. Man sagt ja nicht umsonst, dass Franziskus wie ein weiterer Christus ist. Und heute kommt nun der Papst, der der Stellvertreter Christi auf Erden ist.

Jedes Jahr pilgern die beiden auf dem Franziskus-Pilgerweg über La Verna bis nach Assisi. Dieses Jahr, im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, ist das ein ganz besonderer Anlass für sie:

„Das Heilige Jahr gibt uns neue Lust auf Leben, und zu verstehen, wie die Welt funktioniert trotz all der schlimmen Dinge, die in letzter Zeit passiert sind. Wir wollen den Katholizismus weitertragen, ohne es zu übertreiben. Aber wir wollen in jeder Hinsicht Christen sein und zeigen, dass wir existieren. So wie auch die anderen Religionen und Völker existieren – aber alle als Brüder und Schwestern.“

Warten auf den Papst

Omar ist Malteser und kommt aus der gleichen Ecke wie das Ehepaar. „Wir haben uns durch Zufall getroffen und tauschen uns nun über unseren Glauben aus, denn das bringt Freude. Für mich ist der Heilige Franziskus der kürzeste Weg zu Jesus. Der Papst sagt es selbst, Gott ist Barmherzigkeit, wenn wir nicht einander vergeben, können wir auch nicht darauf bauen, dass uns vergeben wird. Der Ablass ist also eine Gelegenheit, einmal in uns zu schauen und ein wenig von der Bescheidenheit zu erfahren, die uns im Alltag verlorengeht. Wir sollen umkehren, in einfachen Worten: Jedes Mal wieder neu geboren werden.“

Mariana kommt aus Venezuela und lebt in den USA. Sie will den um den Papst um ein Gebet für ihre Heimat bitten, die in einer schweren gesellschaftlichen Krise steckt. „Es ist das erste Mal das ich ihn sehe, er ist eine wunderbare Person und wird allen Menschen hier Frieden bringen. Er wie der heilige Franziskus bringt uns bei, in Frieden zu leben, materielle Dinge beiseite zu lassen und zu leben wie ein Mensch – dass wir alle zusammenleben, ohne Kriege und Gewalt.“

Besonders die kleine Anna hat verstanden, was dem Papst wichtig ist: „Der Papst ist gut und hat uns alle lieb. Wir sind Kinder Gottes. Wir sind gut. Und der Papst hat uns lieb, weil er glücklich ist. Er ist glücklich, weil es viele Leute gibt, die andere lieb haben.“

Diese Pilgergruppe aus Sizilien ist seit einer Woche in Assisi. Was man hier mitgenommen hat bis jetzt? „Dass wir einfach sein müssen. Wir müssen die Brüder um uns herum schätzen. Einfach leben, und sich vergeben.“

(rv 04.08.2016 cz)








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