2016-06-30 08:42:00

Pakistan: Erzbischof rät christlichem Minister zu Vorsicht


Die Regierung des zweitgrößten muslimischen Staates der Welt, Pakistan, will offenbar wirksamer gegen Menschenrechtsverletzungen im Land vorgehen: Das zuständige Ministerium plant eine rund um die Uhr besetzte Gratis-Hotline für solche Fälle, wie der vatikanische Fidesdienst berichtet. Seit einem Monat ist Kamran Michael Minister für Menschenrechte in Pakistan. Der Senator gehört der christlichen Minderheit an. Teil seiner Pläne ist auch die Einrichtung lokaler Menschenrechts-Komitees auf Provinz- und Distriktebene. Der Erzbischof von Lahore, Sebastian Francis Shah, würdigt diese Vorstöße des Ministers. Er hoffe, sie würden in Pakistan mittelfristig „zu mehr Bewusstsein“ in der Frage der Menschenrechte führen, sagte der Franziskaner im Gespräch mit Radio Vatikan. „Meine Auffassung ist, wenn es keine Gerechtigkeit gibt, wird es keinen Frieden geben. Um Frieden zu erlangen, müssen wir für Gerechtigkeit sorgen, für alle Leute, ob sie Christen sind oder Muslime, arm oder reich. Alle Leute haben das Recht auf Gerechtigkeit.“

Erzbischof Shah hat einige Angehörige der nationalen Menschenrechtskommission bereits in Lahore getroffen; sie arbeite „sehr gut“, so der Bischof. Zugleich rät er dem christlichen Menschenrechtsminister, in seiner Position auf der Hut zu sein. „Kamran Michael muss sicherlich vorsichtig sein. Wenn wir nämlich über Gerechtigkeit für alle reden, müssen wir etwas vorsichtig sein, mit wem wir sprechen und wo wir sprechen.“

Mit diesem allgemein formulierten Rat deutet Erzbischof Shah das schwierige Umfeld an, in dem die Christen seit Jahren in Pakistan leben. 2011 wurde in Islamabad der damals einzige christliche Minister im Kabinett Shabaz Bhatti ermordet. Er war ins Visier islamischer Extremisten geraten, weil er das berüchtigte Blasphemiegesetz kritisierte. Dieses Gesetz sieht schwerste Strafen bis hin zur Todesstrafe für die Beleidigung des Islam vor und kann, so sehen es Menschenrechtler, sehr leicht missbraucht werden, weil es Muslimen ermöglicht, Angehörige religiöser Minderheiten unter fast beliebigen Vorwänden strafrechtlich zu belangen.

Oder schlimmer noch: Christen werden von Mitbürgern der Blasphemie beschuldigt und unmittelbar gelyncht. Das geschah dem jungen Ehepaar Shama Bibi und Shahzad Masih am 4. November 2014 in dem Dorf Chak 60 Kilometer südlich von Lahore. Eine aufgebrachte Menge ermordete die beiden, indem sie sie lebend in einen Ziegelofen warfen. Das Ehepaar habe beim Hausputz Koranseiten verbrannt, lautete der Vorwurf. Mehr als 100 Tatverdächtige wurden vorübergehend festgenommen, doch selbst der Hauptverdächtige kam frei. Erst vergangene Woche nahm Papst Franziskus am Rand der Generalaudienz aus der Hand der pakistanischen Menschenrechtlerin Aneeqa Anthony einen Ziegelstein entgegen, den drei Kinder des ermordeten Ehepaares in Erinnerung an ihre Eltern bemalt hatten.

Asia Bibi: „Sie wird freikommen"

Relativ besser erging es der wegen Blasphemie zum Tod verurteilten Christin Asia Bibi. Hinrichtung durch den Strang, hieß zwar das Gerichtsurteil 2009, das Höchstgericht setzte aber die Vollstreckung des Urteils 2015 aus. „Wir arbeiten hart an Asia Bibis Sicherheit und ihrer Freilassung“, sagte uns Erzbischof Shah; in seinen wiederum sehr vorsichtig gewählten Worten schwingt mit, dass die Frau, einmal freigelassen, den umgehenden Lynchmord riskiert. „Es ist derzeit ein sehr langsamer Prozess“, erklärt der Erzbischof. „Aber es gibt trotzdem ein Voranschreiten. Wir hoffen, dass sie eines Tages freigelassen wird. Ich habe ihren Anwalt vor zwei, drei Wochen getroffen, auch er ist sehr optimistisch. Er sagte: sie wird freikommen.“

Zweieinhalb Millionen Bürger des 170-Millionen-Staates bekennen sich zum Christentum, die meisten leben in der Gegend von Shahs Bischofsstadt Lahore. Warum es in Pakistan diesen Hass, diese Wut auf Christen gibt, darauf weiß der Erzbischof selbst keine rechte Antwort. „Wir sind Pakistaner, wir leben in Pakistan“, erklärt er, „wir sind hier geboren. Mein Großvater und meine Großmutter waren schon hier geboren, als Christen. Wir wissen selbst nicht, warum es diesen Hass gibt.“ 

Und Shah, der bei der pakistanischen Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog zuständig ist, deutet an, es sei ein Gewissensbildungsprozess in ganz kleinen Schritten im Gang. „Wir hatten Anfang Juni eine sehr gute Konferenz über interreligiösen Dialog zusammen mit vielen Imamen und Muslimgelehrten, auch die Botschafter  von Saudi-Arabien und Qatar waren dabei. Und ich sagte, es ist das Jahr der Barmherzigkeit, und das ist nicht nur zum Machen von Fahnen und Kalendern gut, sondern dazu, unseren Geist zu reinigen. Das sagte ich vor den Imamen und Botschaftern. Wenn alle Menschen barmherzig werden untereinander, und auch ihre Kinder dazu anhalten, sodass sie keinen Menschen mehr hassen auf der Welt, welcher Religion auch immer er angehört, das wäre ein Weg. Das Jahr der Barmherzigkeit ist ein Übungsjahr, um barmherzig zu werden. Viele Leute mochten diese Idee; das sei eine tolle Hausaufgabe, unsere Kinder sollten lernen, niemanden zu hassen. Und so ganz langsam, durch unsere kleinen Anstrengungen, geht es voran.“

(rv/fides 30.06.2016 gs)








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