2016-06-15 10:54:00

Generalaudienz: Der Blinde von Jericho und die Flüchtlinge heute


Arme, Bedürftige, Flüchtlinge, Asylsuchende: sie alle spiegeln sich in der Gestalt des Blinden, den Jesus in Jericho heilte. Papst Franziskus legte an diesem Mittwoch bei der Generalaudienz diese Erzählung im Lukasevangelium aus (Lk, 18,35-43) und betrachtete sie im Leseschlüssel der Barmherzigkeit. Gleichgültigkeit und Feindschaft seien oft der erste Reflex angesichts des Bedürftigen, erklärte Franziskus, der sich selbst nicht von einem solchen Reflex ausnahm. „Wie oft fühlen wir uns belästigt, wenn wir diese Leute auf der Straße sehen – bedürftige, kranke Leute, die nichts zu essen haben. Wie oft fühlen wir uns belästigt, wenn wir uns so vielen Flüchtlingen gegenübersehen. Das ist eine Versuchung, die wir alle haben, stimmt‘s? Alle, ich auch. Und deshalb lehrt und das Wort Gottes etwas.“

Als Jesus in Jericho den Blinden heilte, geschahen zwei Wunder, nicht nur eines, so Franziskus: der Mann, der nun sehen konnte, brachte auch die Menschen in die Lage, zu sehen. Jericho ist die Oase in der Wüste, jene Stadt, in der das Volk Israel nach seinem Exodus aus Ägypten ankam, beschrieb der Papst den Hintergrund der Szene. Eine große Menschenmenge war zusammengelaufen, um Jesus zu sehen, und die Leute befahlen dem Blinden zu schweigen, „so als hätte er kein Recht zu reden. Sie haben kein Mitleid mit ihm, im Gegenteil, sie fühlen sich von seinen Rufen belästigt“, verdeutlichte Franziskus. „Gleichgültigkeit und Feindseligkeit machen blind und taub. Sie ermöglichen es nicht, die Brüder zu sehen und in ihnen den Herrn zu erkennen.”

Aus Gleichgültigkeit wird Aggression und Beleidigung

„Und wenn diese Gleichgültigkeit und Feindseligkeit Aggression und Beleidigung werden – jagt sie fort, die da! Weg mit ihnen! – dann ist das genau das, was die Leute machten, die dem Blinden zuriefen: geh weg, du! Sprich nicht! Hör auf zu rufen!“

Jesus aber hört die Rufe des behinderten Mannes und verlangt ihn zu sehen. „Auf diese Weise holt Jesus den Blinden vom Straßenrand und stellt ihn in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit seiner Jünger und der Menge.“ Genau das macht Jesus auch heute mit uns, betonte der Papst. „Denken wir an uns, wenn wir in hässlichen Situationen sind, auch Situationen der Sünde, da kam Jesus daher und nahm uns bei der Hand und vom Straßenrand weg führte er uns auf den Weg des Heils.“ Auf diese Weise sei das Vorübergehen des Herrn sei „eine Begegnung der Barmherzigkeit, die alle um ihn versammelt und erlaubt, denjenigen zu sehen, der Hilfe und Trost braucht. Wenn Jesus vorbeigeht, dann gibt es immer Befreiung, immer Heil.“

Der tägliche Auftrag an uns: Vom Bettler zum Nachfolger werden

Wie ein Diener stellt Jesus dem Blinden die Frage: „Was soll ich dir tun? Wie kann ich dir helfen?“ und heilt ihn auf seine Bitte hin. Dank seines Glaubens kann der Mann nun sehen „und vor allem fühlt er sich von Jesus geliebt“, so Franziskus. „Da pries er Gott und folgte Jesus. Und alle Leute, die das gesehen hatten, lobten Gott“, heißt es bei Lukas. Der blinde Mann machte sich also selbst zum Jünger und wurde Teil seiner Gemeinschaft, erklärte der Papst, der das Gesagte sogleich wieder ins Heute ausrichtete: „Vom Bettler zum Nachfolger, das ist auch unser Weg: Wir alle sind Bettler, alle. Wir brauchen Heilung. Und wir alle müssen jeden Tag diesen Schritt tun: vom Bettler zum Nachfolger.“

„Der, den sie zum Schweigen bringen wollten, verkündet nun mit lauter Stimme seine Begegnung mit Jesus von Nazaret. Und es geschieht ein zweites Wunder: was dem Blinden geschah, sorgt dafür, dass die Leute endlich sehen. Auf diese Weise gibt Jesus seine Barmherzigkeit allen, denen er begegnet: er ruft sie, er versammelt sie, er heilt sie und er erleuchtet sie, macht ein neues Volk und feiert die Wunder seiner barmherzigen Liebe.“

(rv 15.06.2016 gs)








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