2016-06-11 10:00:00

Buchtipp: Als Bischof in Arabien – Erfahrungen mit dem Islam


Christen auf der Arabischen Halbinsel sind in jüngster Zeit vor allem durch tragische Umstände in die Schlagzeilen geraten. Zuletzt erschossen Islamisten im Jemen vier Missionarinnen der Nächstenliebe und ihre freiwilligen Helfer in einem Pflegeheim. Ihnen ist das neue Buch des Schweizer Bischofs Paul Hinder, Apostolischer Vikar von Abu Dhabi, gewidmet, das er gemeinsam mit dem katholischen Journalisten und Autor Simon Biallowons geschrieben hat. Das Buch schlägt jedoch keinen klagenden Ton an, im Gegenteil, es versucht mit einem differenzierten Blick die Chancen des Dialogs mit dem Islam auszuloten und Europa angesichts der Flüchtlingskrise den Spiegel vorzuhalten.

„Als Bischof in Arabien“ betreut Paul Hinder mit Jemen, Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Bahrain und Saudi-Arabien eines der flächengrößten Bistümer weltweit. Rund eine Million Christen leben dort, die meisten sind Arbeitsmigranten aus Asien.

In dem Buch wird deutlich, dass die Arabische Halbinsel weiß Gott keine Wüste des Christentums ist, sondern dass dort bereits in vorislamischer Zeit mit dem Nestorianismus eine starke christliche Tradition entstand. Auch die Missionare seit dem 19. Jahrhundert zeigten sich trotz vieler Widerstände und Rückschläge äußerst robust. Und die demografische Entwicklung etwa in Abu Dhabi heute lässt es zu, dass die Zahl der Christen tendenziell steigt. Das kann natürlich aber nicht über einen schweren Alltag hinwegtäuschen, der für Christen geprägt ist vom Versteckspiel bis hin zur Verfolgung. „Bei Bischof Paul hat es auch schon einmal eine Bombendrohung gegeben, und er ist evakuiert worden“, berichtet Simon Biallowons. „Das Problem ist nur, dass man von staatlicher Seite nicht wirklich Bescheid bekommt, worum es sich eigentlich handelt. Die Bedrohungen sind da und natürlich achtet man schon darauf, wo man sich aufhält.  Aber man muss als Christ jetzt nicht um sein Leben fürchten, wenn man durch Abu Dhabi läuft. Grundsätzlich ist auch das Land sehr sicher. Ich glaube ich hatte noch nie so wenig Sorge in einem Land, das Schloss zuzuschließen. Aber man muss sich schon überlegen, wie offen man mit christlichen Symbolen umgeht. Das macht auch Bischof Paul. Ich bin vielleicht ein, zwei Mal komisch angeredet worden von Muslimen, aber im Prinzip ist das kein großes Thema da.“

Das Buch zitiert aus einem offenen Brief muslimischer Führer an christliche, in dem sie betonen: „Die Zukunft dieser Welt hängt vom Frieden zwischen Muslimen und Christen ab.“ Dieser Friede, so sind sich beide Autoren des Buches einig, hängt wiederum vor allem von der Bildung ab, vom Wissen der einen Religion über die andere. Am Golf wird jedoch oft deutlich, wie weit religiöse und staatliche Vertreter entfernt sind von der europäischen Realität. „Man muss fairerweise sagen, dass im Bereich des täglichen Teilens Dialog kaum stattfindet. Auch der interreligiöse Dialog auf Fachebene der Experten ist relativ wenig ausgeprägt. Ich habe den Begriff des herrschaftsfreien Dialogs benutzt, der ist faktisch nicht möglich dort, wobei man je nach Land unterscheiden muss. Was tatsächlich gegeben ist bei der offiziellen Seite, das ist eine gewisse Neugier, die dann aber unglaubliche Blüten treibt. So hat mir Bischof Paul erzählt, er wurde, während in Rom das Konklave lief, von hochrangigen Vertretern des Gastlandes gefragt, warum denn da überhaupt gewählt wird und warum nicht der Sohn des Papstes das Amt übernimmt. Woran man sieht, dass es einen großen Abstand zu katholischen Tradition gibt.“

Wichtig sei also die Bildung, aber nicht nur auf Seiten der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch bei uns in Europa. Die Flüchtlingskrise und Zuwanderung vieler Muslime aus dem arabischen Raum stellt da vor neue Herausforderungen, findet auch Simon Biallowons:

„Was ich mir wünschen würde, dass man die Flüchtlingskrise und auch die veränderte religiöse Zusammensetzung in Deutschland zum Anlass nimmt, um beispielsweise in den Schulen oder anderen Bildungseinrichtungen das Thema aufzugreifen. Ich merke das selbst, das Interesse ist da. Andererseits höre ich in Gesprächen, dass auch eine gewisse Ermüdung eintritt, und das wäre natürlich gefährlich.“

Vielleicht könnte in der Auseinandersetzung mit den Muslimen dann auch die Auseinandersetzung mit dem Christentum neu angeregt werden. Zumindest, so schreibt Bischof Hinder, ist für Muslime ein Europa, das gar nicht glaubt, eine Horrorvorstellung. Sie verstehen eher, wenn dort etwas anderes geglaubt wird. Das Christsein in der islamisch geprägten Gesellschaft Abu Dhabis wiederum sei sogar manchmal erfüllender als in der europäischen Kirche. Simon Biallowons berichtet in diesem Zusammenhang von einer besonderen Erfahrung während der Osternacht in einer Kirche in Abu Dhabi, als plötzlich ein Muezzin die Messe übertönte:

„Und auf einmal plärrte da diese Stimme hinein. Und was wirklich absurd war – auch wenn da vielleicht bei mir das Kopfkino anfing – dass die Stimme immer lauter wurde. Der Diakon, der in der Messe gerade auch sang, gab sich wirklich Mühe, seinerseits lauter zu werden. Aber mit Lautsprechern kann man nun einmal nicht konkurrieren. Danach ging es mir so: Einerseits dachte ich, dass das störend war. Aber vielleicht war es auch einfach nur ungewohnt für meine Ohren. Der eigentlich schönere Gedanke war dann: Vielleicht ist es ein gemeinsames Duett des Gotteslobes.“

(rv 04.06.2016 cz)








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