2016-06-02 09:50:00

Papstmeditation für Priester, Teil eins: Beschämung und Würde


Dreimal Franziskus: In den drei Papstbasiliken von Rom leitet Franziskus an diesem Donnerstag einen Einkehrtag für Priester und Seminaristen - vormittags im Lateran, mittags in Santa Maria Maggiore und nachmittags in Sankt Paul vor den Mauern. Vor den Teilnehmern der internationalen Priesterwallfahrt zum Heiligen Jahr entfaltet Franziskus das Thema Barmherzigkeit in drei Meditationen. Sie lassen deutlich erkennen, dass dieser Papst als Angehöriger des Jesuitenordens durch die Schule der „Geistlichen Übungen“ von Ignatius von Loyola gegangen ist. In ihrer Gesamtheit bilden die Meditationen einen Einkehrtag zur Reflexion über das Selbstverständnis und den Dienst als Priester.

Erste Meditation: Unsere beschämte Würde

Barmherzigkeit: „erste und letzte Eigenschaft Gottes“, ja sogar sein „Name“. So beginnt Franziskus. „Wenn wir über die Barmherzigkeit nachsinnen, geschieht etwas Besonderes. Die Dynamik der Exerzitien wird von innen her gesteigert.“ Wer sich einlasse auf die Barmherzigkeit, der spüre, dass wir „immer einer neuen Umkehr, einer tieferen Betrachtung und einer erneuerten Liebe bedürfen“. „Nichts vereint mehr mit Gott als eine Tat der Barmherzigkeit“, so der Papst. „Die Barmherzigkeit erlaubt uns, von dem Gefühl, Empfänger des Erbarmens zu sein, zu dem Wunsch überzugehen, Erbarmen zu erweisen.“ Vom Gefühl zur Tat, vom Beschenktwerden zum Weitergeben. Er ist ganz typisch für Franziskus, dieser Drang ins Konkrete.

„Man kann nicht über Barmherzigkeit meditieren, ohne dass sich alles in die Tat umsetzt. Darum tut es beim Gebet nicht gut, zu intellektualisieren. Mit Hilfe der Gnade muss unser Gespräch mit dem Herrn ganz schnell konkret werden in der Frage: Welche meiner Sünden verlangt, dass deine Barmherzigkeit in mich eindringt; wo, Herr, empfinde ich am meisten Scham und den stärksten Wunsch zur Wiedergutmachung?“ Das gilt zunächst für die persönliche Ebene. Doch diese Betrachtung sollte auch zu einer „Umkehr unserer institutionellen Mentalität“ führen: „Wenn unsere Strukturen nicht gelebt und genutzt werden, um die Barmherzigkeit Gottes besser zu empfangen und um barmherziger gegenüber den anderen zu sein, können sie sich in etwas sehr Befremdliches und Kontraproduktives verwandeln.“

Der erste Text, den Franziskus eingehend meditiert, ist das berühmte Gleichnis vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater im Lukas-Evangelium. Eine der Lieblings-Bibelstellen dieses Papstes. Der reuige Rückkehrer wird von seinem Vater übergangslos auf ein Fest zu seinen Ehren geführt: eine Spannung zwischen „Beschämung und Würde“, die auch wir in unserem Leben immer wieder erfahren. In diese „fruchtbare Spannung“ stelle uns Gottes Barmherzigkeit hinein: „nicht nur als Sünder, die Vergebung erlangt haben, sondern als Sünder, denen Würde verliehen wurde.“

„Hier müssen wir uns ansiedeln, in dem Raum, in dem unsere beschämendste Schwäche und unsere höchste Würde nebeneinander existieren. Schmutzig, unrein, kleinlich, selbstgefällig, egoistisch und zugleich mit gewaschenen Füßen, berufen und erwählt und damit beschäftigt, die vermehrten Brote auszuteilen; gepriesen, geliebt und umsorgt von unseren Leuten. Allein die Barmherzigkeit macht diese Lage erträglich. Ohne sie halten wir uns entweder für gerecht wie die Pharisäer oder wir entfernen uns wie jene, die sich nicht würdig fühlen. In beiden Fällen verhärtet sich unser Herz.“

Der Papst rät zur Maßlosigkeit: Maßlos sei die Barmherzigkeit Gottes, maßlos sollten wir sein, wenn wir sie empfangen und wenn wir sie weitergeben. „Wir können lange Zeit „ohne“ die Barmherzigkeit des Herrn leben. Das heißt, wir können leben, ohne uns ihrer bewusst zu sein und ohne sie ausdrücklich zu erbitten – bis man entdeckt, dass „alles Barmherzigkeit ist“, und bitterlich weint, dass man sie nicht vorher genutzt hat, da man ihrer so sehr bedurfte!“

Die vollständige erste Meditation von Papst Franziskus bei den Exerzitien für Priester und Seminaristen finden Sie hier

(rv 02.06.2016 sk)








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