2016-04-17 09:00:00

Pax Christi: Hoffnung auf einen gerechten Frieden


Boko Haram, Islamischer Staat, Bürgerkrieg in Syrien und im Irak. Was Papst Franziskus als „Weltkrieg in Etappen“ bezeichnet, ist ein komplexes Gemisch aus Kriegsschauplätzen und –parteien, wo es selten nur zwei Gegner oder klare Fronten gibt. Angesichts dieser Krisen fordert die katholische Friedensbewegung Pax Christi gemeinsam mit Bischöfen, Priestern und Laien nicht weniger als einen Paradigmenwechsel. Denn die katholische Kirche hat in ihrem Katechismus das Prinzip vom „gerechten Krieg“ festgeschrieben. Bei einer Konferenz diese Woche im Vatikan kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass man – auch unter Berücksichtigung der Lehre von Papst Franziskus - viel eher von „gerechtem Frieden“ sprechen müsste.

Gibt es einen gerechten Krieg? Wenn es nach der Lehre der katholischen Kirche geht, schon. Bereits Thomas von Aquin (1225–1274) entwickelte in seiner Summa theologica entsprechende Kriterien, wonach ein Krieg gerechtfertigt sei, um das Gemeinwohl, auch das Wohl der Christen, zu schützen. Im Katechismus der katholischen Kirche sind die Bedingungen, unter denen es einem Volk gestattet ist, sich in Notwehr militärisch zu verteidigen, genau definiert. Eine solche Entscheidung sei so schwerwiegend, dass sie nur unter den folgenden strengen Bedingungen, die gleichzeitig gegeben sein müssen, sittlich vertretbar sei:

Der Schaden, der Nation oder Völkergemeinschaft zugefügt wird, muss sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein. Alle anderen Mittel, um diesem Schaden ein Ende zu bereiten, müssen undurchführbar sein oder sich als wirkungslos erwiesen haben. Es muss eine ernsthafte Aussicht auf Erfolg geben. Der Gebrauch von Waffen darf nicht Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel.

Auch wenn die Kriterien eng gestrickt sind, gehen sie manchen nicht weit genug. Die internationale Friedensbewegung Pax Christi hat im Rahmen einer Konferenz im Vatikan nun ein Plädoyer herausgegeben, wonach sie die Abschaffung der Lehre vom „gerechten Krieg“ fordert hin zum Leitbild des „gerechten Friedens“ . Es markiert einen friedensethischen Paradigmenwechsel weg von der Lehre vom gerechten Krieg und hin zur Option für die Gewaltfreiheit. Die Bundesvorsitzende von Pax Christi Deutschland, Wiltrud Rösch-Metzler, erklärt, warum es in ihren Augen dafür an der Zeit ist:

„Es gibt so viele Beispiele, wo wir gesehen haben, dass Krieg nicht weiterführt. Wenn wir Afghanistan anschauen oder den Irak, Syrien. Es ist nur Leid und Tod für die Menschen dort vor Ort. Und es ist keine Perspektive, mit Gewalt weiterzumachen. Aus deutscher Sicht ist es keine so abrupte Wendung, weil es gab ja das Dokument der Bischofskonferenz von 2000 ,Gerechter Friede´. Das heißt, in Deutschland hat die Bischofskonferenz eigentlich schon diesen Prozess eingeleitet, und will diesen Paradigmenwechsel vollziehen. Es ist noch nicht wirklich vollzogen, das hat man ja gesehen bei den Waffenlieferungen an den Irak. Da hatte die Bischofskonferenz sich ja zustimmend geäußert, obwohl sie sonst sehr kritisch gegenüber Waffenlieferungen an Rebellengruppen, Milizen und Staaten sowie alle möglichen Akteure ist. Aber da sind immer wieder aus meiner Sicht Rückfälle in so ein altes Denken zu beobachten. Nach dem Motto ,Vielleicht ist es doch richtig, Krieg zu führen dort.´“

Der Gedanke des „gerechten Friedens“ wurde in der katholischen Kirche insbesondere mit der Enzyklika „Pacem in terris“, 1963 von Papst Johannes XXIII. und beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) entwickelt. Die deutschen Bischöfe führten diese Überlegungen in dem Hirtenwort „Gerechter Friede“ (2000) fort. In ihrem Schreiben betonen die Bischöfe den Auftrag der Kirche, sich für den Frieden in der Welt stark zu machen. Wörtlich heißt es: „Mitten in einer Welt voll Krieg und Gewalt kann die Kirche nicht als Sakrament des Friedens wirken, wenn sie sich anpasst. Diese Welt braucht keine Verdoppelung ihres Unfriedens durch eine Religion, die zu allem Ja und Amen sagt. Es geht um Pro und Kontra, Zustimmung und Widerspruch. Denn Christen treffen mit dem Taufversprechen eine Wahl, unterscheiden sich durch Entscheidung, bekräftigt durch die dreimalige Absage an den ,Satan und alle seine Werke´, die dem dreifachen Bekenntnis zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist vorausgeht. Der Widerstand gegen den Unfrieden und die Mächte des Todes in dieser Welt stellt folglich keine beiläufige Ergänzung kirchlichen Lebens dar, sondern muss es von Grund auf formen.” Wie dieser Widerstand gegen den Krieg aussehen kann, kam in vielen Fallbeispielen von Menschen aus Konfliktregionen zum Ausdruck, erklärt Wiltrud Rösch-Metzler:

„Diese Konferenz lebte ja sehr stark von Beispielen, die Menschen erzählt haben, die in solchen Konfliktsituationen leben. Beispielsweise eine Schwester aus dem Irak oder jemand aus Afghanistan, Uganda oder aus dem Südsudan. Also wirklich umkämpfte Gebiete. Oder jemand aus Kolumbien, der zwischen Rebellen und der Regierung dort vermittelt. Das sind alles umkämpfte Gebiete, wo man denkt: Es ist nicht möglich, da mit gewaltfreien Mitteln weiter zu kommen. Aber ein gewaltfreies Mittel ist ja der Dialog. Und es hat sich gezeigt, dass das eben doch möglich ist. Es ist natürlich sehr unterschiedlich, wie das zustande kommt. Zum Beispiel hat im Südsudan die Bevölkerung gesagt, dass der Bischof in den Dialog mit den Rebellengruppen eintreten soll. Sodass sie nicht mehr von diesem Konflikt betroffen sind. Wenn dann jemand da ist, der wirklich ein Vertrauensverhältnis aufbaut, ist es tatsächlich möglich. Wir hören in Deutschland immer: Es ist nicht möglich, mit den Taliban zu verhandeln, es ist nicht möglich mit der Hamas zu verhandeln oder mit IS zu sprechen. Wer weiß es? Sind wir überhaupt offen für die Chancen, die sich da ergeben? Diese Chancen zu erkennen und sich da auf den Weg zu machen – das ist wichtig.“

Auf der Konferenz „Gewaltfreiheit und gerechter Friede“ in Rom versammelten sich katholische Bischöfe sowie Priester, Theologen und Laien, um über eine zeitgemäße Antwort auf die Kriege in der Welt zu beraten. In ihrem Schlussappell fordern die Teilnehmer, das Prinzip der Gewaltfreiheit auch innerkirchlich stärker zu verbreiten, sei es in der Gemeindearbeit, in den Priesterseminaren und an Universitäten. Die Änderung des Begriffs „gerechter Krieg“ wäre da ein Anfang, findet Wiltrud Rösch-Metzler.

„Ich glaube schon, dass das etwas ändern würde. Im Moment wird die Lehre vom gerechten Krieg ja auch an Priesterseminaren gelehrt und in der Moraltheologie. Es ist die Begründung für jegliche Kriegsführung, egal ob jetzt eine Rebellengruppe Krieg führt oder ob ein Staat Krieg führt. Diese Gründe, die einen gerechten Krieg erlauben, erlauben das jeder Seite. Aber wir wollen gar nicht so stark in der Bewertung dieses gerechten Krieges bleiben. Denn wenn man die Kriterien nimmt, dann würden ja schon die derzeit geführten Kriege diesen Kriterien nicht mehr entsprechen: Also Verhältnismäßigkeit der Mittel. Ein Krieg sollte ja nach diesem Prinzip auch nur geführt werden, wenn man danach eine Friedenslösung anstrebt. Man hat aber den Eindruck, die derzeitigen Kriege beginnen plan- und perspektivlos.“

Neben Frontenkriegen gibt es in jüngster Zeit aber auch ein ganz neues Phänomen: den Terrorismus Einzelner. Die islamistischen Terroranschläge von Paris und Brüssel zeigen, dass Krieg in der globalisierten noch viel komplexer geworden ist. Dennoch seien die Kriegshandlungen des Westens als Antwort vorschnell getroffen worden, findet Rösch-Metzler.

„Ich denke auch, dass zu schnell nach militärischen Mitteln gegriffen wird, einfach, weil das ein verfügbares Mittel ist. Man hat ja Streitkräfte und Militär, man hat Waffen und die kann man einsetzen. Und die werden auch eingesetzt, ohne, dass zunächst überlegt wird, was sonst gemacht werden kann. Wenn wir das Beispiel IS nehmen: Wie unterbindet man, dass er weiterhin Öl liefern kann, dass er weiterhin Finanzen bekommen kann. Das würde den IS ja auch zurückdrängen oder drängt ihn schon zurück. Von daher ist diese ganze militärische Seite ein Aktionismus, der da an den Tag gelegt wird ohne wirklich das Ende zu bedenken und ohne zu bedenken, was man damit auch anrichtet auf dem Weg, also wie viel Zivilbevölkerung wieder in Mitleidenschaft gezogen wird.“

Pax Christi hofft nun auf Papst Franziskus. Das Treffen im Vatikan mitten im Jahr der Barmherzigkeit soll auch ein Signal an den Pontifex sein, in dem Weltkrieg in Etappen klare Zeichen zu setzen – notfalls auch mit einer neuen Enzyklika.

„Papst Franziskus ist natürlich ein Hoffnungsträger. Für uns innerhalb der Kirche und in der Friedensorganisation Pax Christi und eben auch für sehr viele Menschen außerhalb der Kirche. Für nichtreligiöse und religiöse. Von daher ist es wirklich auch eine Chance, wenn er sich um das Thema kümmert. Wenn es dann eine Enzyklika gibt, wie wir ja hoffen. Damit ist aber unsere Arbeit nicht beendet. Wir müssen ja trotzdem in den einzelnen Gemeinden und Diözesen schauen, was heißt das jetzt für uns. Wie kann sich jeder Christ und jede Christin da beteiligen an diesem gewaltfreien Weg? Wie kann ich in Nachfolge zu Jesus treten?”

(rv 15.04.2016 cz)








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