2016-03-31 11:38:00

D: „Islamistische Attentäter üben Betrug an unserer Religion“


Terroristen, die ihre Attacken im Namen des Islam ausführen, üben Betrug an der Religion und ihren Gläubigen. Das sagt der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, im Interview mit Radio Vatikan. Nach Anschlägen wie in Brüssel oder Lahore, die namentlich zwar Christen gelten, aber letztlich auch Muslime mit in den Tod reißen, positioniere sich sein Verband, im Einklang mit den muslimischen Verbänden ganz Europas, stets sehr deutlich gegen diese „verheerenden und feigen Terroranschläge“:

„Diese Menschen verüben Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Überschrift ,Terror im Namen des Islam´, auch wenn diese Gruppierungen das selbst im Namen führen, ist letztendlich ein Betrug am Islam. Wenn wir die Diskussion in diesem Sinne weiter führen und sie auf DEN Islam als solches beziehen, dann würden wir die Betrüger damit aus ihrer Verantwortung entlassen und die Betroffenen - und damit auch einen großen Teil der betroffenen Muslime, die selbst Opfer dieser Anschlägen sind - damit noch zusätzlich bestrafen. Denn mit dieser Zuschreibung würden wir den Terroristen letztendlich Recht geben und auch den Extremisten, die versuchen, das auszunutzen, nur Wasser auf ihre Mühlen geben.“

Scheitern bei Erklärungsversuchen

Eingefahrene Erklärungsmuster hätten in den 15 Jahren seit 9/11 zu keinem greifbaren Ergebnis geführt. Dieses Scheitern müsse man sich eingestehen, um zu einer neuen Form des Dialogs und einer gesamtgesellschaftlichen Bekämpfung von Brutstätten der Radikalisierung zu finden. Wenn Gruppierungen wie Pegida sich ganz selbstverständlich die Rettung des christlichen Abendlandes auf die Fahnen schrieben, dann käme richtigerweise niemand auf die Idee, das zu einem Problem der „Christen“ zu machen, so Mazyek weiter. „Ich vermisse bei dieser ganzen Diskussion auch einen selbstkritischen Ansatz. All die Mittel und Methoden, die wir in der Vergangenheit gegen Terror eingesetzt haben, sind gescheitert. Ich schließe nicht aus, dass es Jugendliche gibt, die sich von einer Art verkapptem Islam angezogen fühlen. Aber was ich auch nicht ausschließen will, ist die Tatsache, dass wir  auch sozioökonomische, psychologische, soziale und wirtschaftliche Gründe hinzufügen müssen, um das Phänomen zu verstehen, warum Jugendliche in die Kriminalität abgleiten.“

So wie es in den 70er-Jahren manche radikalen sozialistischen Organisationen gewesen seien, die orientierungslosen Jugendlichen Halt versprochen hätten, so seien es heute teils muslimisch-extremistische Milieus. Diese hätten aber letztendlich mit der Religion im eigentlichen Sinne nichts zu tun: „Es geht um Gewaltanwendung, es geht um Machtanwendung und die Herabsetzung anderer Menschen, um sich hervor zu heben und anderes mehr. So rekrutieren der IS und andere ihre Leute.“ Die Attentäter von Brüssel beispielsweise hätten eine Lebensweise an den Tag gelegt, die sich mit einem richtigen Verständnis des Islam nicht vereinbaren lasse.

Moderater Islam in Deutschland

Wichtig sei bei der Prävention auch die unermüdliche Arbeit der muslimischen Gemeinden, die mit dazu beitrage, dass es von 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland nur etwa 600 so genannte Gefährder gebe: „Die Tatsache, dass es nur so relativ wenige Gefährder gibt - aber natürlich ist einer immer noch einer zuviel - ist auch ein Verdienst der täglichen Arbeit in den Gemeinden, die ein Angebot für die Muslime leisten. Einer der Gründe dafür ist, dass wir in Deutschland ein moderates und richtiges Verständnis des Islam leben, und das ist auch der Grund, warum wir nicht noch viel mehr Gefährder haben.“ Dafür wünsche er sich die richtige Wertschätzung, so Mazyeks Appell.

Projekt gegen Radikalisierung

Doch dabei halte sich sein Verband nicht auf: So gebe es beispielsweise seit einem Jahr ein vom Bund unterstütztes Projekt dafür, jungen Menschen, die dabei seien sich zu radikalisieren, auf ihrem Weg zurück in die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik zu helfen. „Und da brauchen wir tatsächlich eine Allianz von Muslimen und Nicht-Muslimen. Wir versuchen, das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu fördern, indem wir ihnen die Botschaft geben, dass sie ihren Glauben nicht verleugnen müssen, sondern dieser vielmehr, richtig verstanden und gelebt, gar nicht im Gegensatz mit unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Das heißt, Islam und die Religion als immunisierende Wirkung gegen extremistische Strömungen und Gewalt zu verstehen und die Jugendlichen da abzuholen, wo sie in der Gesellschaft sind und ihnen Perspektiven aufzeigen.“

Das sei seiner Ansicht nach die wahre Essenz von Extremismusbekämpfung, betont Mazyek. „Sonst verfallen wir immer wieder in die alten Stereotypen, wie wir es seit Jahren tun: Hat das nicht doch etwas mit dem Islam zu tun? Und lenken damit aber vom eigentlichen Versagen ab, weil die Methoden und der Kampf gegen Terror offenkundig gescheitert sind. Sonst hätten wir nicht heute, 2016, solche Anschläge auch in Europa.“

(rv 31.03.2016 cs)








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