2016-03-26 09:27:00

Unser Buchtipp: Meriam. Mit der Kraft der Liebe gegen religiösen Fanatismus


Die „Festigkeit im Glauben“ der Muslime, die christliche Kirchenvertreter gerne positiv hervorheben, hat eine Schattenseite: den islamistischen Fundamentalismus, der sich zu einer Plage unserer Tage ausgewachsen hat. Dies äußert sich auf ganz verschiedene Weise: Das grausame und gezielte Abschlachten oder Versklaven von Christen durch den Daesh, Hasspredigten von Imamen beim Freitagsgebet in der Moschee, ein aufgebrachter Mob, der die Verurteilung oder gar den Tod von Christen fordert, die angeblich den Islam beleidigt haben.

Dieser Fanatismus hat aber noch eine andere, äußerst beunruhigende Ausprägung, wenn er auf schleichende Weise in rechtstaatlichen Institutionen Einzug hält und so Gesetzgebung und Justiz dem islamischen Rechtsinstitut der Scharia unterordnet. Kundigen mag dabei sofort das international kritisierte Blasphemiegesetz in Pakistan einfallen. Doch auch in anderen Ländern, in denen die freie Religionsausübung verfassungsrechtlich garantiert ist, können Gerichte Bürger, die sich zu Christus bekennen, zum Tod verurteilen.

So geschehen an Meriam Yahya Ibrahim Ishaq, geboren 1987 im Sudan und Tochter einer christlichen Mutter und eines islamischen Vaters. Meriams Vater verlässt die Familie frühzeitig, sie wächst im christlichen Glauben auf und ist sich ihrer - nach islamischem Recht unumstößlichen - Zugehörigkeit zum islamischen Glauben, der vom Vater automatisch übertragen wird, nicht bewusst. Nach ihrem Studium heiratet sie Daniel, auch er ein Christ; sie bekommen einen Sohn und Meriam wird bald darauf wieder schwanger. Niederste Habgier ist das Motiv, aus dem sie wegen „Glaubensabfall und Unzucht“ von ihrem Halbbruder, von dessen Existenz sie bis dato nicht einmal ahnt, angezeigt wird. Ihre Ehe mit einem Christen ist nach Schariarecht ungültig.

Meriam wird festgenommen und trotz ihrer weit fortgeschrittenen Schwangerschaft zum Tode verurteilt, weil sie dem christlichen Glauben nicht abgeschworen hat. Der Richterspruch soll nach der Entbindung vollstreckt werden, zuvor soll die junge Christin 100 Stockhiebe ertragen. Unter prekärsten Umständen muss sie nur wenige Tage nach dem Urteil ihre Tochter im Gefängnis zur Welt bringen. 

Gleichzeitig geht jedoch bei diesem exemplarischen Urteil ein Aufschrei durch die westliche christliche Welt. Eine internationale Unterstützungskampagne, die federführend durch eine italienische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin initiiert wurde, führt schließlich nach langem Bangen zu Meriams Freilassung. Ihren Kampf um Meriams Leben beschreibt Antonella Napoli in einem nun auch auf Deutsch erschienen Buch aus der Perspektive der einzelnen Akteure, die bei Meriams Freilassung eine Rolle gespielt haben.

Mit eindringlichen Worten, in denen stets die tiefe Zuneigung durchscheint, die sie zu ihrem Schützling aufgebaut hat, gibt sie Einblick in ein Verfahren, das sich von einem puren „Missverständnis“ (so die anfängliche Auffassung der Angeklagten) zu einem nicht endenden Albtraum auswächst. Großmächte wie Großbritannien und die USA schalten sich ein, dennoch scheinen auch sie vor der Sturheit eines Provinzrichters kapitulieren zu müssen. Das minutiös beschriebene diffizile diplomatische Tauziehen, in dem Italien eine herausragende Vermittlerrolle eingenommen hat, verdeutlicht einmal mehr, wie leicht der einzelne Mensch zum Spielball einer Justiz werden kann, die ein bestimmtes Urteil gegen ihn gefällt sehen will - so offensichtlich ungerecht dies auch erscheinen mag .

Emotionaler Höhepunkt des Buches: Meriams Begegnung in Rom mit dem Papst. Franziskus dankt der jungen sudanesischen Mutter für ihre Glaubensfestigkeit und bezeichnet sie als Beispiel für jeden Christen – inklusive ihn selbst. Ein Buch, das zu Tränen rührt und zugleich Respekt abnötigt für die unbeugsame Gradlinigkeit einer Frau, die zum Äußersten bereit ist, um ihre Würde zu verteidigen.

Antonella Napoli: Meriam. Mit der Kraft der Liebe gegen religiösen Fanatismus. Erschienen im camino Verlag, kostet das Buch etwa 18 Euro.

(rv 26.03.2016 cs)








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