2016-03-12 09:55:00

Buchtipp: Unvermeidlich glücklich


Wie man unvermeidlich glücklich wird, ist eine spannende Frage, kein Wunder also, dass wir an dieser Stelle das neue Buch von Manfred Lütz vorstellen, das sich genau diese Frage vornimmt. Aber wie das beim Thema Glück so ist, es wird weiter, und so drehte sich das Gespräch mit dem Autor um die Ratgeberkultur, um die Integration von Flüchtlingen und das Glück, einfach in sich sinnvolle Dinge zu tun.

RV: Herr Lütz, Sie sind ein glücklicher Mensch …

Lütz: „Das weiß ich nicht genau. Im Moment schon, weil ich bei Radio Vatikan bin …“

RV: Sie haben ein Buch darüber geschrieben, wie man ‚unvermeidlich glücklich’ sein kann, also vermute ich einmal, dass Sie wissen, wie das geht, glücklich sein.

Lütz: „Nicht wie ‚man’, sondern wie Sie, Pater Hagenkord, unvermeidlich glücklich werden können. Das ist ganz persönlich gemeint. Das ist natürlich ironisch, gegen diese ganzen Glücksratgeber, die eine Schneise der Verwüstung durch Deutschland schlagen. Da beschreibt irgendein Autor, wie er persönlich glücklich wurde und lässt den Leser dann traurig zurück, weil der nun mal leider nicht der Autor ist. Und dann kann der gleich das nächste Glücksbuch kaufen.

Aber der Titel hat auch einen ernsten Kern, weil er sich auf den Philosophen Karl Jaspers bezieht. Der hat gesagt, dass die Grenzsituationen menschlicher Existenz unvermeidlich sind: Leid, Schuld, Kampf, Tod sind unvermeidlich, bei jedem Menschen. Wenn man zeigen könnte, wie man in diesen unvermeidlichen Situationen glücklich werden kann, dann kann man unvermeidlich glücklich werden. Darum geht es in dem Buch.“

RV: Also erst einmal ein Warnhinweis: Dies ist kein Glücklich-mach-Buch aus dem Regal mit den Ratgeber-Büchern.

Lütz: „Nein, das ist ein Anti-Ratgeber. In Schwaben habe ich schon Kabarett dazu gemacht und darauf hingewiesen, dass es ein Glücksbuch für Schwaben ist, denn nach diesem Buch braucht man keinen Ratgeber mehr zu kaufen. Man spart sich wahnsinnig viel Geld.“

 

„Alles, was Friseure nicht verstehen, ist auch nicht wichtig“

RV: Warum finden diese ganzen Ratgeber so guten Absatz, also die Sie selber nicht geschrieben haben?

Lütz: „Ich glaube, weil die Leute Orientierung suchen und weil die Welt immer unübersichtlicher wird. Man sucht bei Experten Rat, und das kann man auch verstehen. Natürlich gibt es Gebrauchsanweisungen und Experten für Waschmaschinen, aber das Leben ist keine Waschmaschine.

Nachdem ich das Buch geschrieben habe, habe ich diese Glücksratgeber mal gelesen. Das war wirklich schrecklich. Das kann man nur in der Fastenzeit lesen, ein Werk der Abtötung. Da gibt es ein ‚World Book of Happiness’. Da haben 200 Glücksexperten aus der ganzen Welt jeweils zwei oder drei Seiten geschrieben, was für sie das Glück ist. Ich habe mich da durchgequält, 400 Seiten. 95 Prozent Banalitäten! Mal ausspannen, mal lecker essen, mal die Seele baumeln lassen, das hat meine Großmutter auch gesagt und die hatte Recht. Meine Kritik ist, dass die mit dem Anspruch von Experten kommen und der Leser ist nur ein kleines Würstchen und muss tun, was die großen Experten sagen. Das macht unglücklich.

Und dann steht da hinten noch drauf ‚Modernste Glücksforschung – keine Philosophie’! Das meinen die Ernst! Dabei ist doch die Philosophie über die Frage erfunden worden, wie man ein glückliches Leben führen kann. In meinem Buch habe ich eine kleine Geschichte der Philosophie des Glücks geschrieben, und das sind sehr unterschiedliche Gedanken, Epikur, die Stoa und was weiß ich was. Da kann der Leser dann auf Augenhöhe schauen, was für ihn passt. Dem kann er dann ein wenig nachgehen. Ich habe das dann gegenlesen lassen, von Robert Spaemann, damit das auch philosophisch exakt ist, aber auch von meinem Friseur. Denn alles, was Friseure nicht verstehen, ist auch nicht wichtig.“

 

Das Glück hat mit dem anderen zu tun: „Unser Dorf im Rheinland ist glücklicher, seit wir Flüchtlinge haben“

RV: Wir leben aber nicht gerade in einer Gesellschaft des Glücks, sondern eher in einer der Angst, Pegida, AfD, das lebt von Ablehnung, Angst ist im Kommen und drückt sich aus auf eine Art und Weise, die wir vor zwei oder drei Jahren noch für unmöglich gehalten hätten. Kommt man dagegen mit Glück an?

Lütz: „Ich glaube schon, denn es kommt ja gerade darauf an, in Angstsituationen und in Leidsituationen und da wo der Tod einem begegnet, nicht ins Nichts zu fallen. Ich glaube, dass diese Glücksratgeber so eine neoliberale Vorstellung von Glück gepredigt haben oder immer noch predigen, nämlich Glück als Ego-Trip. Ich soll möglichst viele Glücksgefühle sammeln, und dann bin ich glücklich. Also zusammenraffen ist das Prinzip. Und da sind natürlich Flüchtlinge beängstigend, denn die nehmen mir mein Glück weg. Da kann ich aber sagen, dass unser Dorf im Rheinland glücklicher ist, seitdem wir Flüchtlinge haben. Viele Menschen, die sonst nur für sich alleine gelebt haben, geben jetzt Deutschkurse oder begleiten Flüchtlingsfamilien zum Arzt oder zu Behörden. Wir haben mehr Ehrenamtler als Flüchtlinge. Im Dorf ist eine tolle Stimmung, da gibt es immer Emails „Wer hat Babykleidung?“ und so, das heißt auch die Menschen im Dorf haben viel mehr Kontakt miteinander, und zwar über wichtige Sachen. Ich glaube, dass die Menschen wirklich glücklicher sind. Menschen in Not zu helfen ist in sich sinnvoll, denn der Mensch ist ein soziales Wesen, nicht so ein Ego-Wesen. Wenn man etwas in sich Sinnvolles tut, dann ist man glücklich.“

RV: Manfred Lütz wäre nicht Manfred Lütz, wenn man zum Schluss nicht doch noch den Hinweis bekäme, katholisch wäre noch schöner … .

Lütz: „Klar, da entlarven Sie mich wieder. Aber ich bin nun mal katholisch und bekenne mich auch dazu. In einer Zeitung ist das Buch rezensiert worden und der Autor hat da festgestellt, dass „skandalöserweise“ der Autor tatsächlich der Auffassung sei, katholisch sei ganz gut. Das hätte er auch schon vorher wissen können. Ich habe ausnahmsweise dazu einen Leserbrief geschrieben und habe mal nachgefragt, wo hinein wir eigentlich die Flüchtlinge integrieren wollen. Was soll ich eigentlich einem jungen Mann sagen, der gerade auf dem Weg nach Syrien zum Dschihad ist? Soll ich dem sagen, ich habe da eine Alternative, geh mal shoppen? Oder geh mal zur Giordano Bruno Stiftung oder neues vom fliegenden Spaghettimonster hören? Oder so? Wenn wir unsere eigene europäische Identität nicht auch aus den jüdisch-christlichen Wurzeln verstehen, dann klappt Integration nicht, weil wir gar nicht wissen, wo hinein wir Leute integrieren wollen. Auch ein atheistischer Deutscher muss sehr daran interessiert sein, dass die Menschen wissen, was das Judentum und was das Christentum ist, sonst sind wir integrationsunfähig.“

 

Manfred Lütz: Wie Sie unvermeidlich glücklich werden: Eine Psychologie des Gelingens. Erschienen im Gütersloher Verlagshaus kostet das Buch etwa 18 Euro.

(rv 12.03.2016 ord)








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