2016-03-04 13:47:00

Zollner: „Das Thema Missbrauch lässt den Vatikan nicht los“


„Ein wirklich wichtiges, für mich sehr beeindruckendes Gespräch“: Das sagt der deutsche Jesuitenpater Hans Zollner über seine Begegnungen mit den Australiern David Ridsdale, Andrew Collins und Peter Blenkiron. Die drei Männer waren in ihrer Kindheit Opfer von sexuellem Missbrauch durch Kirchenleute; insgesamt viereinhalb Stunden hat Zollner, der zur Päpstlichen Kinderschutzkommission gehört, an diesem Donnerstag und Freitag in Rom mit ihnen gesprochen. 

Sie hätten ihm von den verschiedenen Stadien berichtet, die jeder von ihnen nach dem traumatischen Erlebnis des Missbrauchs emotional durchgemacht habe, bis hin zu Selbstmordgedanken. Doch Zollner bewundert es, dass die Männer aus Ballarat im Süden von Australien schließlich beschlossen hätten: Wir müssen die Letzten sein, die missbraucht wurden!

„Und deshalb haben sie versucht, in ihrer Heimat ein Modell an den katholischen Schulen, die die Männer selbst besucht haben, einzurichten; während ihrer Schulzeit dort haben sie Missbrauch erlebt. Das Modell besteht darin, an diesen Schulen eine Erziehung, eine Pädagogik sowohl für Kinder wie für Eltern einzurichten, die dazu hilft, dass Missbrauch nicht mehr verübt werden kann.“

Das Medieninteresse der letzten Tage habe den australischen Missbrauchsopfern eine „große Chance und Herausforderung“ eröffnet, so Zollner. „Sie merken, dass sie natürlich auch identifiziert werden mit dem ganzen Geschehen, das zusammenhängt mit der Aufmerksamkeit, die der Royal Commission von Australien entgegengebracht wird. Diese Kommission hat Kardinal Pell hier befragt, 29 Stunden lang an vier verschiedenen Tagen – oder besser gesagt: hier in Europa waren es ja Nächte. Und diese Betroffenen haben dann gestern Nachmittag auch Kardinal Pell selbst getroffen und haben, wie sie mir vorhin bestätigt haben, ihm dabei auch Dinge sagen können, die vorher unmöglich waren, ihm zu sagen – zum einen, weil keine Gelegenheit dazu bestand, zum anderen, weil sie den Eindruck hatten, dass sie jetzt in der Lage sind, solche Dinge anzusprechen.“

Kardinal Pell, ein früherer Erzbischof von Sydney, hat per Video-Link freiwillig vor der Kommission in seiner australischen Heimat ausgesagt; er bat auch die vatikanische Kinderschutzkommission, sich mit den aus Australien angereisten Missbrauchsopfern zu treffen.

Das Thema Missbrauch lasse den Vatikan „und die Kirche insgesamt“ nicht los, so Pater Zollner. Viele vatikanische Einrichtungen beschäftigen sich mittlerweile damit. „In allererster Linie natürlich die Glaubenskongregation, die mit den Anklagen gegen Priester, Diakone und auch Bischöfe befasst ist. Dann die jeweiligen Kongregationen für Bischöfe, Priester; die Kongregation für die Evangelisierung der Völker, weil es ja allmählich in manchen Teilen der Welt, in denen bisher kaum über dieses Thema gesprochen wurde, die Aufmerksamkeit darauf wächst.“

Die Missbrauchsopfer aus Australien haben nach Angaben von Pater Zollner an diesem Freitag an der Päpstlichen Universität Gregoriana auch über eine Stunde lang mit Studenten im Diplomstudiengang für Kinderschutz gesprochen. Diese Studenten wurden von ihren Ortskirchen bzw. Ordensoberen nach Rom geschickt, um bald als Präventionsbeauftragte in ihren Heimatgegenden zu arbeiten. „Das war sicherlich, wie mir gerade einige von diesen afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Studierenden gesagt haben, eine der wichtigsten Erfahrungen, die sie bisher gemacht haben – dass sie wirklich so klar, so nuanciert und so eindrucksvoll gehört haben, was Betroffene sich erwarten, wie die Kirche reagieren muss und was sie tun kann, damit Kinder und Jugendliche den Schutz erfahren, den sie brauchen.“

(rv 04.03.2016 sk)








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