2016-02-13 00:00:00

Guadalupe: Besuch bei der Mutter Mexikos


„Ich kann doch nicht nach Mexiko reisen, ohne die Jungfrau von Guadalupe zu sehen!“ Mit diesen Worten hatte Papst Franziskus einst gerechtfertigt, warum er nicht bloß eine Stippvisite in dem mittelamerikanischen Land macht, um von der mexikanischen Grenze aus – wie einer der zahllosen Migranten – US-amerikanischen Boden zu betreten. Nun also ist es soweit: Der Papst aus Lateinamerika besucht Mexiko und macht seinen Antrittsbesuch, wie es sich gehört, bei der Hausherrin. Unsere Liebe Frau von Guadalupe in Mexiko Stadt ist der größte katholische Wallfahrtsort der Welt. Gudrun Sailer hat ihn zwei Tage vor Papst Franziskus besucht.

112 Millionen Einwohner hat Mexiko, und keiner von ihnen fühlt sich ohne Mutter. Das wird mit Händen greifbar für jeden Besucher im Heiligtum der Jungfrau von Guadalupe. Das Gelände im Norden der 20-Millionen-Metropole Mexiko Stadt ist weitläufig, drei Kirchen erheben sich dort, eine altehrwürdige und eine aus den 1970er-Jahren in der Ebene sowie eine auf dem Hügel an der Stelle, wo 1531 die Muttergottes einem jungen Mexikaner erschien. Juan Diego war ein Indigener. Maria, die Mutter des Gottes der ungeliebten spanischen Eroberer, offenbarte sich hier in Mexiko einem Eingeborenen. Das erwies sich als folgenreich, sagt uns der Priester Juan Castillo Hernandez, Sekretär des Heiligtums.

„Die Jungfrau von Guadalupe ist wesentlich in unserem katholischen Glauben. Wir können sagen, sie war die erste Evangelisiererin unserer Kultur, jene, die das Evangelium inkulturiert hat, sowohl für die Indigenen als auch für die Spanier.“

Das ist gewissermaßen bereits das erste Wunder. Das Gnadenbild nämlich entstand zehn Jahre nach der Eroberung des Aztekenreiches durch die Spanier, die sich als unvorstellbar grausame neue Herrscher gebärdeten. Die Urbevölkerung litt große Qualen. Da erschien einem von ihnen diese wunderschöne junge Frau, eine Mestizin, schwanger, und stellte sich dem noch nicht lange getauften Juan Diego als „Mutter aller Menschen“ vor, die seinem Volk „den wahren Gott“ bekannt machen wollte. Sie gab ihm Rosen. Damit solle er zum Bischof gehen und den Bau einer Kirche erbitten. Juan wickelte die Rosen in seinen Umhang. Vor den Augen des Bischofs entfaltete er das Tuch, und die Rosen fielen zu Boden. Auf dem Stoff des Umhangs zeigte sich daraufhin das Bild, das die Menschen seither zu Millionen nach Mexiko zieht. Das Gnadenbild von Guadalupe ist die Innenseite des Umhangs Juan Diegos.

An dem Wallfahrtsort hängt das Gnadenbild heute in der modernen Kirche, die an ein großes Zelt erinnert. Wer die Mutter von Guadalupe aus nächster Nähe sehen will, begibt sich zu einer unter dem Bild eingerichteten Kammer mit vier Rollbändern, die von einer Seite zur anderen fahren. Mit Vertrautheit und Ehrfurcht zugleich nähern sich die Pilger der Muttergottes. Viele einfache Menschen sind darunter. Ein erwachsener Sohn trägt seinen gehbehinderten Vater auf dem Rücken, damit der besser sehen kann. Kinder schauen und schauen. Viele fahren Dutzende Male auf den Rollbändern unter der Muttergottes hin und her, solange der Andrang und die Aufseher es zulassen.

Die Muttergottes von Guadalupe hat zarte Farben. Der Stoff besteht aus Agavenfasern, die sich seit bald 500 Jahren erhalten. Die Azteken konnten das Bild mühelos lesen, viele seiner Zeichen gehörten ihrer Kultur an. Die Sterne beispielsweise auf dem Mantel der Muttergottes. Oder ihr offenes Haar, das sie als Jungfrau kennzeichnet. Zugleich deutet der schwarze Gürtel unter der Brust ihre Schwangerschaft an. Die Blume, die auf Bauchhöhe den Stoff des Kleides ziert, ist für Azteken ein Kennzeichen Gottes. Eine Jungfrau, die soeben Mutter wird, Mutter Gottes. Zu Abertausenden baten die Indigenen um die Taufe, nachdem sie das Bild gesehen hatten.

22 Messen täglich werden bei der Muttergottes von Guadalupe gefeiert, und unzählige Rosenkränze gebetet. Der Platz, auf dem die Kinder herumtollen, ist bereits hergerichtet für den Papstbesuch.

„Die Jungfrau von Guadalupe verehre ich sehr, sie ist wundertätig, wir kommen jedes Jahr“, sagt uns diese Frau, die mit fünf Kindern aus der neuen Kirche tritt. „Einer meiner Söhne war ziemlich krank, ich habe für ihn gebetet bei der Jungfrau, und er wurde gesund. Wir beten für die Gesundheit unserer Familie und dafür, dass uns das tägliche Brot nicht fehle.“

„Sie kümmert sich um uns und schützt uns. Sie wirkt Wunder“. Und: „ Sie ist unsere Mutter, für uns alle. Mutter des Glaubens von uns allen. Das ist so mexikanisch. Hier erschien sie, und das ist für uns so wichtig wie der Glaube selbst. Eine Tradition, die mehr ist als nur Vergangenheit.“

Tatsächlich: ganz viele Pilger hier sind unter 30. Und viele kommen mit Eltern oder Kindern, in der Familie. Denn die Mutter ist eben die Mutter.  „Sie gehört zur mexikanischen Kultur, wie die Nationalhymne und die Staatsflagge“, sagt dieser Mann. „Genauso identifizieren sich alle Mexikaner mit der Jungfrau.“

(rv 11.02.2016 gs)








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