2016-02-12 02:32:00

Mexiko: „Der Papst braucht keine Werbung"


Wie bereitet sich Mexiko-Stadt auf den Papst vor? Herrscht große Begeisterung? Das wollten wir von unserer Kollegin Gudrun Sailer wissen, die den Papstbesuch für uns vor Ort begleitet und schon auf Tuchfühlung mit Mexiko-Stadt gegangen ist.

Gudrun Sailer: „Mexiko-Stadt, das sind in Wirklichkeit viele Städte auf einmal, nebeneinander, ineinander. Es  ist eine Mega-City, wie Papst Franziskus sie von zu Hause gewohnt ist. Mexiko-Stadt hat 24 Millionen Einwohner, täglich werden es mehr. Zwei Dinge fallen auf: Zum einen die massive Präsenz von Polizei und Sicherheitskräften. Wir Radio Vatikan-Journalisten wurden vom Flughafen mit Polizeieskorte ins Hotel gebracht, und hier im Pressezentrum passieren wir täglich mehrmals eine Sicherheitsschleuse mit mindestens zehn Polizisten. Das andere ist: Im Stadtbild gibt es so gut wie keine Papst-Willkommensplakate. Wir sind viel herumgekommen in den letzten zwei Tagen, Mexiko-Stadt besteht ja vom Lebensgefühl her aus viel Zeit, die man im Auto zubringt, und die Ausbeute an Wimpeln und Fahnen auf den Straßen und an den Häuserfassaden war sehr gering, hie und da ein kleines Papstbild, immer dasselbe, auf Telefonzellen, das ist alles.“

Radio Vatikan: Wie kommt das? Mexiko ist doch tief katholisch und hat große Verehrung für den Papst, heißt es immer?

Sailer: „Das stimmt, neun von zehn Mexikanern sind katholisch, und deshalb hört man hier gerne: Der Papst braucht keine Werbung. Wir wissen ohnehin alle, dass er kommt. Der andere Grund für die fehlende Aufwimpelung der Stadt ist politischer Art. In Mexiko gibt es eine strenge Trennung von Kirche und Staat, und es würde womöglich zu Protesten führen, gäbe es viel Papst-Konterfei im öffentlichen Raum.“

RV: Was beschäftigt die Mexikaner? In welche Situation hinein kommt Papst Franziskus?

Sailer: „Interessanterweise sind die Probleme, die Mexikos Bürger als schlimm empfinden, nicht viel anders als unsere in Mitteleuropa. Es sind Unsicherheit und Arbeitslosigkeit. Der Drogenkrieg zum Beispiel, ein Drama ungeheuren Ausmaßes, ein echter Bürgerkrieg mit 100.000 Toten in den vergangenen 15 Jahren, das empfinden die Mexikaner im Durchschnitt gar nicht so sehr als Problem. Da sagt man sich, nun gut, ich habe selber nichts mit Drogen zu tun, es geht mich nichts an. Aber wo es darum geht, dass ich mich persönlich unsicher fühlen muss auf dem Weg zur Arbeit, wegen Kleinkriminalität, das geht den Leuten an die Nieren. Ebenso die Tatsache, dass man um seinen Lebensunterhalt kämpfen muss und die Perspektiven für die Jugend schlecht sind. Deshalb schreiben viele Zeitungen jetzt auch von den wirtschaftlichen Erträgen des Papstbesuchs, dass die Hotels in Morelia und San Cristobal de las Casas ausgebucht sind und der Papstbesuch alles in allem 130 Millionen Dollar einbringen wird. Aber gut, das ist ein bekanntes Muster bei Papstreisen: in Erwartung des Gastes spricht man von Geld und Sicherheit. Ist der Papst einmal im Land, dreht sich alles um seine Botschaft, und die übersteigt das Weltliche.“

RV: Was wünschen sich die einfachen Leute von Papst Franziskus?

Sailer: „Dass er etwas wie ein ‚Balsam‘ für das Land ist. Dass er einen Teil ihrer Lasten mit ihnen trägt. Und dann hat Papst Franziskus ja selbst etwas sehr Schönes gesagt, im Interview mit der mexikanischen Agentur Notimex: Ich komme nicht wie einer der Heiligen drei Könige mit einem funkelnden Geschenk, sondern ihr müsst mir etwas geben. Ich brauche euren starken Glauben. Das hat das mexikanische Volk zu Tränen gerührt. So hätten sie es nämlich selber nie gesehen.“

RV: Es heißt, die Politik habe auf diesen Papstbesuch noch mehr gedrängt als die mexikanische Kirche. Kann das stimmen?

Sailer: „Welches Land immer der Papst besucht: eine politische Komponente ist zwangsläufig dabei. Franziskus weiß das natürlich auch – und lässt sich nicht vor den Karren spannen. So hat er zum Beispiel die Einladung des mexikanischen Senats nicht angenommen, dort eine Rede zu halten. Dabei war es ein kleines politisches Wunder, dass diese Einladung zustande kam, denn Mexiko ist ein Land mit einer offenen Streitkultur, die mitunter auch ins Polemische schlägt, und dass sich die Parlamentarier auf diese Einladung an den Papst verständigen konnten, überraschte viele. Präsident Pena Nieto hat möglicherweise auch einen halbprivaten Grund, den Papstbesuch auf seiner Haben-Seite zu verbuchen. Seriöse mexikanische Zeitungen wollen herausgefunden haben, dass seine Ehefrau, deren erste Ehe nichtig gewesen war, diese Ehenichtigkeit möglicherweise auf nicht ganz kanonischen Wegen erlangt hat. Aber dem Papst geht es natürlich nicht um persönliche Dramen eines Präsidenten, sondern um die persönlichen Dramen der Millionen, die in Mexiko auf ganz andere, auf existentielle Weise leiden: als Arme, als Migranten, als Gefangene, als Angehörige von Verschwundenen, als Indigene. Und dass er das Augenmerk der Welt – und auch der mexikanischen Politik - auf diese Dramen lenken wird, davon können wir ausgehen.“

(rv 12.02.2016 gs)








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