2016-02-09 10:06:00

Zurück zum Mittelalter?


Zunächst ist das Heilige Jahr eher schleppend angelaufen; nur selten sah man vor dem Petersdom mal Pilger in Richtung Heilige Pforte wallen. Das hat sich jetzt geändert: Menschen stehen Schlange, um (noch bis Donnerstag) in Sankt Peter an den sterblichen Überresten der heiligen Pater Pio und Pater Leopoldo Mandic vorbeizudefilieren. Ein eigentümliches, irgendwie vorkonziliares Bild, diese zwei gestrengen Männer mit braunen Kutten und grauen Bärten, die in ihren Glassärgen im Petersdom liegen.

Pater Raniero Cantalamessa ist der offizielle Prediger des Päpstlichen Hauses und selbst Kapuziner. Wir fragten ihn, ob wir jetzt zurück sind im Mittelalter.

„Das Mittelalter ist wieder da – das könnte ja auch heißen, der heilige Franz von Assisi ist wieder da! Auch der große heilige Franziskus gehörte ja zum Mittelalter, und ich glaube nicht, dass irgendjemand etwas dagegen hätte, wenn wir heute einen neuen heiligen Franz hätten. Von Mittelalter sprechen ist also etwas Zweideutiges, weil Mittelalter auch etwas Positives, Wunderschönes bedeuten kann.“

Und trotzdem, Pater Cantalamessa: Diese Pilger, die kleine Heiligenbildchen oder Rosenkränze an den Sarg von Pater Pio drücken, um eine Berührungsreliquie zu schaffen – manchen Katholiken ist bei solchen Szenen unbehaglich.

„Natürlich hat die Volksfrömmigkeit Ausdrucksformen, die nicht dazu geschaffen wurden, um die ganz feinen Gaumen zufriedenzustellen, die Wohlerzogenen, manchmal auch Säkularisierten unserer Welt. Allerdings: Das, was das Volk liebt, geringzuschätzen, ist für mich eine Beleidigung des Volkes. Wir können uns nicht einerseits bei jeder Debatte aufs Volk berufen, wie sogenannte Volksparteien das immer tun, und andererseits, wenn das Volk sich in Bewegung setzt, von Lemmingen sprechen oder vom Mittelalter. Ich höre da ein bisschen Hochmut heraus – als käme man sich da besser vor als andere. Sicher muss man die Volksfrömmigkeit erziehen, aber ich wäre selbst gerne so einfach, um es einfach wie diese Leute zu halten und Gottvertrauen zu haben, auch Zutrauen zur Fürbitte der Heiligen.“

(rv 09.02.2016 sk)








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