2016-02-05 10:29:00

China und Heiliger Stuhl: „Positive Offenheit hilft“


Noch eine historische Premiere gab es diese Woche: Anlässlich des chinesischen Neujahresfestes hat Papst Franziskus der asiatischen Zeitung „Asia Times News“ ein einstündiges Interview gegeben. Das an diesem Dienstag veröffentlichte Interview ist das erste eines Papstes zum Thema China. Die Volksrepublik China und der Heilige Stuhl unterhalten seit 1951 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Franziskus brachte in dem Interview seine Bewunderung für die chinesische Kultur zum Ausdruck, sprach unter anderem von Respekt mit einem großen R. Außerdem brauche die Welt keine Angst vor dem wirtschaftlichen Wachstum Chinas zu haben. Religionsfreiheit und die spannungsreichen Beziehungen zwischen der staatlich anerkannten Kirche und der Untergrundkirche Chinas wurden in dem Gespräch nicht thematisiert.

Radio Vatikan sprach mit der Chefredakteurin des katholischen Informationsdienstes „China heute“ und Mitarbeiterin des China-Zentrums in Sankt Augustin, Katharina Wenzel-Teuber, über die Reaktionen auf das Interview in China und über die Hoffnungen auf Fortschritte in den Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Peking.

RV: Frau Wenzel-Teuber, gibt es schon Reaktionen auf das Interview in China? Wenn ja, welche?

Die zwei populärsten Websites der katholischen Kirche haben auf Chinesisch Nachrichten über das Interview gebracht – unter anderem haben sie eine chinesische Meldung Ihres Senders eingestellt. Das Interview wurde natürlich von den chinesischen Katholiken beachtet. Ein katholischer Priester aus Festlandchina hat in seinem Blog den Teil des Interviews herausgestrichen, in dem der Papst sagt, dass jedes Volk sich mit den Licht- und Schattenseiten seiner eigenen Geschichte versöhnen und dann nach vorne gehen muss. Der Priester meinte, das sollte auch für die chinesische Kirche gelten. Er erwähnte allerdings außerdem, dass nicht alle in der chinesischen Kirche die Verhandlungen zwischen China und dem Vatikan positiv sehen.

Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte, China habe das Interview zur Kenntnis genommen und sei weiterhin aufrichtig um eine Verbesserung der Beziehungen mit dem Vatikan und einen konstruktiven Dialog bemüht – eher eine zurückhaltende Standardreaktion. Die chinesischsprachigen staatlichen Medien haben sehr wenig über das Interview berichtet.

Die englischsprachige parteinahe Global Times erwähnte das Interview und zitierte einen chinesischen Experten (Liu Guopeng). Der sagte, ein „chinesisches Modell“ für die Ernennung katholischer Bischöfe werde womöglich anders aussehen als das „vietnamesische Modell“, China werde möglicherweise mehr Mitspracherecht bei der Ernennung der Bischöfe fordern als Vietnam.

RV: Was halten Sie von dem Schritt von Papst Franziskus, das Interview zu geben?

Es ist ein Signal, ein betonter Schritt auf China und das chinesische Volk zu, in dem für Papst Franziskus typischen persönlichen und menschlichen Stil. Ich denke, sein Anliegen ist in der Tat – wie ein Kommentator bemerkt hat –, Verkrustungen aufzubrechen.

Der Papst betont seine Bewunderung für China und seinen Respekt (mit großem R) für die chinesische Kultur – übrigens nicht zum ersten Mal. Er spricht davon, dass Angst vor einem aufstrebenden China ein schlechter Ratgeber ist und Dialog der einzige Weg. Er sagt, dass es darauf ankommt, gemeinsam unterwegs zu sein, auch wenn man nicht immer einer Meinung ist. Auch die Versöhnung mit sich selbst und der eigenen Geschichte ist ein Thema, das für China wichtig ist. Der Papst erwähnte es im Zusammenhang mit dem Jahr der Barmherzigkeit. 

Das Signal ist positiv, und dass er jetzt nicht über politische Themen gesprochen hat, liegt unter anderem auch an dem Journalisten. Francesco Sisci, der das Interview geführt hat, hat ja eingangs erklärt, dass er den Papst nur zu kulturellen und philosophischen Themen befragen wollte und nicht zu religiösen oder politischen. Tatsächlich hat aber Papst Franziskus schon früher gesagt, dass der Brief, den Papst Benedikt XVI. 2007 an die chinesische Kirche geschrieben hat, weiterhin Gültigkeit hat und dass man ihn lesen sollte. In diesem langen Brief werden die komplizierten Fragen und Probleme deutlich behandelt, die sich aus der staatlichen Religionspolitik für die katholische Kirche Chinas ergeben. 

RV: Er wählte in dem Interview eher harmonische Töne, wurde im Nachklapp aber auch kritisiert, dass er die Religionsfreiheit im Land nicht angesprochen hat.

Es stimmt natürlich, dass es in China gerade in den Bereichen von Medien, Religionen, NGOs etc. in letzter Zeit immer mehr Einschränkungen gibt, die unter anderem daher kommen, dass der chinesische Staat zunehmend Sorge vor ausländischer Infiltration hat. Als Antwort auf diese Sorge passt in gewisser Weise etwas, das Papst Franziskus im Interview gesagt hat: dass Zivilisationen, wie Menschen, zur Kommunikation tendieren und dass sie nicht innerhalb eines Landes eingeschlossen bleiben können.

RV: Die Volksrepublik China und der Heilige Stuhl unterhalten seit 1951 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Papst Franziskus sucht offenbar die Annäherung, wie er mit seinem Interview diese Woche wieder gezeigt hat und mit seinem Wunsch, China zu besuchen. Wie stehen die Chancen für einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und China aktuell?

Papst Franziskus und Präsident Xi Jinping wurden gleichzeitig im März 2013 in ihr jeweiliges Amt gewählt, es war also quasi ein personeller Neuanfang. Und es ist bekannt, dass es seit Sommer 2014 wieder offizielle Gespräche zwischen beiden Seiten gibt und dass jetzt Ende Januar ein drittes Treffen der Vertreter beider Seiten in Rom stattgefunden hat.

Die Gespräche scheinen intensiv zu sein. Aber es gibt bis jetzt keine offiziellen Äußerungen der beiden Seiten über Verlauf und Fortschritt der Gespräche. Im Oktober letztes Jahres sagte Staatssekretär Kardinal Parolin: „Allein die Tatsache, dass wir miteinander sprechen können, ist ein signifikanter Schritt.“ Schwer zu sagen, wie das ausgeht, aber es scheint tatsächlich eine intensive Phase im Moment.

RV: Manche Beobachter spekulieren nach einer jüngsten Verhandlungsrunde Ende Januar, dass der Vatikan und die Volksrepublik möglicherweise noch in diesem Jahr Botschafter austauschen könnten. Das Problem der Bischofsernennungen könnte demnach dadurch gelöst werden, dass Peking dem Papst vorab eine Liste von genehmen Kandidaten vorlegt. Ein Zeichen für Entspannung bei heiklen Themen der diplomatischen Beziehungen?

Das Problem der Bischofsernennungen ist natürlich zentral und hat schon zu großen Spannungen und Verwirrungen und auch Leid in der chinesischen Kirche geführt. Eine gute Einigung in dieser Frage wäre sicher zu begrüßen und könnte künftige Zerreißproben in den betroffenen Diözesen verhindern.

Der Corriere della Sera hat am 31. Januar gemeldet, bei den jüngsten Verhandlungen sei eine Übereinkunft über die Bischofsernennungen getroffen worden. Er schrieb, dass Peking eine kurze Liste (shortlist) akzeptabler Namen vorlegt und der Papst einen daraus wählt und ernennt. Doch es ist weder bekannt, ob diese Meldung stimmt, noch weiß man Genaueres, z.B. was passieren würde, wenn keiner der von Peking gewählten Kandidaten für den Papst akzeptabel ist. Jede Bewertung wäre also spekulativ. Aber für die Kirche geht es bei den Bischöfen eben um gute und glaubensfeste Seelsorger, für die Regierung um politisch zuverlässige Leute; die Kriterien sind naturgemäß sehr verschieden.

RV: Immerhin wurde mit dem katholischen Priester Joseph Zhang Yinlin im August der erste Bischof seit drei Jahren geweiht…

Das stimmt, er wurde geweiht mit päpstlicher Ernennung und Zustimmung der Regierung. Und jetzt – laut Corriere della Sera – soll der Papst demnächst in Abstimmung mit Peking drei weitere Bischöfe ernennen, die dann geweiht werden könnten. Solche Weihen mit doppelter Zustimmung von beiden Seiten gab es allerdings auch früher schon. Neu wäre, wenn in China bei der Weihe offiziell die Ernennung des Papstes verlesen werden dürfte.

RV: In welchen Punkten könnte es eine Annäherung geben, wo hapert es noch? Strittig ist ja auch das Festhalten der Beziehungen des Heiligen Stuhls zu Taiwan.

Die Beziehungen zu Taiwan sind ein Punkt, aber wohl nicht der am schwierigsten zu lösende. Wiewohl die Frage der Bischofsernennungen sehr zentral ist, gibt es noch weitere größere Baustellen.

Schwierig ist es mit der Rolle der Patriotischen Vereinigung der katholischen Kirche. Sie ist eine von der Regierung sanktionierte Massenvereinigung, die die offizielle Kirche nach innen kontrolliert. Sie hat das Prinzip der Unabhängigkeit der chinesischen Kirche (von Rom) in ihren Statuten. Dieses Problem dürfte nicht leicht zu lösen sein.

Auch die offizielle (staatlich sanktionierte) chinesische Bischofskonferenz ist von Rom nicht anerkannt, u.a. weil ihr illegitime Bischöfe angehören und die Bischöfe der Untergrundkirche nicht darin vertreten sind.

Dann bleibt das Problem, was mit den chinesischen Bischöfen geschieht, die illegitim ohne päpstliche Ernennung geweiht wurden; drei von ihnen sind sogar explizit exkommuniziert. Umgekehrt sind die Bischöfe im inoffiziellen Teil der Kirche zwar vom Papst, aber nicht von der Regierung anerkannt.

Und natürlich das Schicksal von Bischöfen in Arrest oder Hausarrest. Bischof Su Zhimin von Baoding ist seit 1997 verschwunden, Bischof-Koadjutor Cui Tai von Xuanhua seit 2014. In Shanghai ist der Bischof in einer Art Hausarrest, auch dort ist die Lage sehr kompliziert.

RV: Wie steht es aktuell um das Verhältnis zwischen der „Patriotischen Vereinigung“ und der Untergrundkirche?

Die Patriotische Vereinigung ist nicht identisch mit dem offiziellen, vom Staat anerkannten Teil der Kirche. Das Verhältnis zwischen der offiziellen Kirche und der inoffiziellen, vom Staat als illegal betrachteten Kirche im Untergrund hat sich an vielen Orten gebessert. Man versucht aufeinander zuzugehen, seit Papst Benedikt in seinem Brief von 2007 zur Versöhnung aufgerufen hat. Natürlich gibt es da auch noch Schwierigkeiten. Die Macht der Patriotischen Vereinigung über den offiziellen Teil der Kirche ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich.

Sie merken: Die Situation ist kompliziert, und vielleicht braucht es auch – neben allem Realismus, den der Papst in seinem Interview angemahnt hat – auch eben die positive Offenheit, die der Papst ausstrahlt, um Lösungen näher zu kommen.

(rv 05.02.2016 cz)








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