2016-02-02 13:04:00

Premiere: Papst-Interview zu China


Es ist eine historische Premiere: Anlässlich des chinesischen Neujahresfestes hat Papst Franziskus der asiatischen Zeitung „Asia Times News“ ein einstündiges Interview gegeben. Das an diesem Dienstag veröffentlichte Interview ist das erste eines Papstes zum Thema China. Die Volksrepublik China und der Heilige Stuhl unterhalten seit 1951 keine diplomatischen Beziehungen mehr. Was auch daran liegt, dass der Vatikan bisher an Beziehungen zu Taiwan festhält, zum Ärger Pekings.

In dem Gespräch mit dem Kolumnisten Francesco Sisci rät Franziskus der internationalen Gemeinschaft, keine Angst vor dem wirtschaftlichen Wachstum Chinas zu haben. Die Chinesen erlebten derzeit einen positiven Moment, so der Papst. Er sprach im Rahmen des Interviews dem chinesischen Volk und seinem Präsidenten Xi Jingping auch seine Neujahrgrüße aus. 

„China von Anfang an faszinierend“

China sei von Anfang an „faszinierend“ für ihn gewesen, ein Bezugspunkt für „Größe“, ein Land mit einer großartigen Kultur und unerschöpflichen Weisheit, so Papst Franziskus, der vor vielen Jahrzehnten in den Jesuitenorden eingetreten ist, weil er Asienmissionar werden wollte - ein Vorhaben, das sich dann zerschlug. Dennoch ist Asien mittlerweile ein Schwerpunkt seines Pontifikats, was mehrere Reisen auf den Kontinent belegen, etwa vor genau einem Jahr auf die Philippinen.

Er bewunderte bereits als Junge China, erläuterte Franziskus; vor allem der Jesuitenpater Matteo Ricci, dessen missionarische Tätigkeit in China während der Ming-Dynastie für den Beginn der Verbreitung des Christentums in China steht, sei eine wichtige Figur für ihn. An dieser historischen Figur habe er gelernt, dass der Dialog mit China notwendig sei, denn China sei eine „Ansammlung von Weisheit und Geschichte.“ Die Kirche habe die Pflicht, alle Kulturen zu respektieren - „Respektieren, mit einem großen R geschrieben“, betonte der Papst.

Kunst der Zivilisation und Pasta aus China

Franziskus erwähnte auch den Jesuitenpater und Künstler Giuseppe Castiglione, der Missionar und Maler in China war. Ihm gelinge es, meinte der Papst, „die Schönheit und die Erfahrung von Offenheit“ einer der „zivilisiertesten Zivilisationen“ überhaupt wiederzugeben. Chinesen hätten eine Kultur, in der man sich „begegne“. Franziskus scherzte auch, dass er sich nicht ganz sicher sei, ob es nun wahr sei oder nicht, dass Marco Polo die Pasta aus China nach Italien gebracht habe. Auf heikle Punkte, die zwischen der Volksrepublik China und dem Vatikan stehen, ging er hingegen wohl mit Bedacht nicht ein. Das sind nicht nur die erwähnten diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, sondern vor allem der Streit um Bischofsernennungen.

Dritter Weltkrieg? Keine Angst

China sei das erste Mal seit vielen Jahrhunderten auf einem Weg der Öffnung, betonte der Journalist - und dies in einem Szenario, in dem Papst Franziskus des öfteren von einem „Dritten Weltkrieg auf Raten“ spreche. Auf seine Frage, was das für die weltweite Herausforderung bedeute, Frieden zu schaffen, antwortete Papst Franziskus, dass Angst jedenfalls kein „guter Ratgeber“ sei. Wenn ein Vater und eine Mutter Angst davor hätten, ihren Sohn aufzuziehen, dann könnten sie mit ihm nicht gut umgehen.

Eine Kultur müsse sich öffnen – und China habe so viel Kultur, so viel Weisheit, so viel technisches Wissen, die schlechterdings nicht innerhalb des Landes eingeschlossen bleiben könnten. Wir Menschen bzw. unsere Zivilisationen neigten dazu, mit anderen zu kommunizieren, fuhr der Papst fort. Diese Kommunikation dürfe jedoch nicht in harschen Tönen geführt werden. Vielmehr müsse man im Dialog auf Ausgleich bedacht sein, und nur der Dialog führe letztlich auch zum Frieden.

Geburtenkontrolle

Der Journalist erwähnte dann die seit 1980 bis in die jüngste Vergangenheit von Peking durchgesetzte Ein-Kind-Politik, die erst kürzlich abgeschafft wurde. Chinesen mussten das aufgeben, was ihnen am liebsten sei, nämlich Kinder, so der Korrespondent; dies habe tiefe Wunden hinterlassen. Franziskus versetzte, dass die Bevölkerung immer älter werde, sei überall ein Thema. So erwähnte er, dass in Italien die Geburtenrate außerordentlich niedrig liege. Grund dafür könnte die Angst sein, so mutmaßte der Papst, wegen der eigenen Kinder in die Armut abzurutschen. In Frankreich gebe es dank der Familienpolitik Besserungen, aber in Rom beispielsweise sehe man zu seinem Leidwesen keine Kinder „herumhüpfen“. Doch es sei nicht natürlich, wenn nur einige wenige junge Leute die Bürde der gesamten alternden Gesellschaft auf ihren Schultern tragen müssten. Er verstehe, dass China vor diesem Hintergrund nun neue Wege geöffnet habe.

In Afrika sei es ihm auf seiner jüngsten Reise im November 2015 eine Freude gewesen, so viele Kinder zu sehen, betonte er. Auch Albanien oder Bosnien seien zumindest in dieser Hinsicht ein positives Beispiel. Dies seien junge Länder, die in naher Vergangenheit viel gelitten hätten und sich daher nun für das Leben entschieden.

Die Geschichte der Menschen ist ein steter Weg

Franziskus gab als Botschaft den Chinesen mit auf den Weg, dass auch in der Geschichte alles stets ein Pfad, ein Weg sei. Manchmal gehe man schneller, manchmal langsamer, manchmal gehe es aufwärts, manchmal abwärts. Manchmal nehme man die falsche Abzweigung, manchmal gleich die richtige. Und wenn Menschen vorwärts gingen, dann beunruhige ihn das nicht, denn das heiße, dass sie Geschichte schrieben.

Wenn die Chinesen auf den in der jüngsten Vergangenheit zurückgelegten Weg blickten, dann sollten sie nicht bitter sein, riet der Papst. Jeder solle den Frieden finden und sich mit der Vergangenheit aussöhnen, auch wenn Fehler gemacht worden seien. 

Und der Elefant im Raum, von dem keiner sprach? Das war die Papstreise nach Peking. Auf dieses Ziel, oder zumindest auf eine Verbesserung der schwierigen Beziehungen zur Volksrepublik, arbeitet Papst Franziskus beharrlich hin, unter anderem mit diesem Interview.

(rv 02.02.2016 no)

 








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