2016-02-01 10:17:00

Konfliktrohstoffe: Sorgfaltspflicht und Transparenz


Rohstoffe für unsere Konsumwirtschaft finanzieren direkt oder auf Umwegen Konflikte auf der Welt: Diesem Tatbestand wollen die USA und jetzt auch die EU Herr werden. Dazu treffen sich ab diesem Montag Vertreter von Parlament, Europäischer Kommission und den einzelnen Mitgliedsstaaten in Straßburg. „Trilog" heißen ihre Verhandlungen rund um das Thema Konfliktrohstoffe. Ziel ist es, zu einer europäischen Verordnung zu kommen, die den Handel mit diesen Stoffen an schärfere Bedingungen knüpft. Diese Rohstoffe sind immer wieder Ursache für gravierende Menschenrechtsverletzungen, gewaltsame Konflikte und  Umweltschäden. Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks Misereor, betont die Mitverantwortung der EU und ihrer Bürger. Es brauche Sorgfalt im Umgang mit diesen Rohstoffen, und zwar verpflichtende Sorgfalt.

Spiegel: „Wenn wir über Konfliktrohstoffe sprechen, reden wir momentan über vier Rohstoffe, nämlich Gold, Wolfram, Zinn und Koltan. Deren Abbau in den Konfliktregionen dieser Erde sorgt für Konflikte.“

RV: Was soll genau auf EU-Ebene nun verhandelt und abgesprochen werden?

Spiegel: „Der Ursprung liegt darin, dass im Jahr 2010 von den USA ein Gesetz verabschiedet wurde, in dem auf untragbare Situationen in verschiedenen Ländern dieser Erde hingewiesen wird. Die USA hatten damals beschlossen, dass aus solchen Situationen keine Rohstoffe mehr importiert werden dürfen. Die OECD hat das übernommen, so dass nun eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen besteht, entlang der gesamten Lieferkette transparent zu machen, woher die Rohstoffe kommen, vom Abbau bis zum Importeur.

Die EU hat daraufhin einen Entwurf über diese Konfliktrohstoffe gemacht, und es war die Frage, ob diese Transparenz der Lieferkette verpflichtend sein muss oder ob es eine freiwillige Vereinbarung ist.“

RV: Tut die EU bislang auf diesem Gebiet zu wenig?

Spiegel: „Die EU hatte nach 2010 ein sehr ambitioniertes Programm, das die Standards der Unternehmen eigentlich übernehmen wollte. Sie hat sogar über die in den USA genannten Länder und vier Rohstoffe hinausgehende Forderungen gestellt. Aber was dann auf den Weg gebracht wurde, hatte zu wenig Verbindlichkeit, und es war nur ein Teil der Lieferkette integriert. In Straßburg beginnen nun die Verhandlungen, um über eine schärfere Regelung zu reden.

Von daher die Forderung von Misereor: Wir sagen, dass Voraussetzungen geschaffen werden müssen, dass soziale Standards und Umweltstandards entwickelt werden, dass es Gesundheitsstandards gibt und eine große Transparenz bei der Ausbeutung dieser Rohstoffe - kurz, eine Sorgfaltspflicht.“

RV: Um welche Länder handelt es sich dabei, woher kommen diese Rohstoffe?

Spiegel: „Es geht besonders um die Situation in der Demokratischen Republik Kongo und in den Anrainerstaaten Burundi, Ruanda und andere. Wir kennen die Länder und ihre Konflikte. Die Ausbeutung der Rohstoffe darf da nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.“

Im vergangenen Mai hatten 148 Bischöfe ein Dokument unterschrieben, in dem sie unter anderem diese Sorgfaltspflicht und Transparenz fordern: Menschliches Handeln habe moralische Aspekte, und die müssten bedacht werden. Papst Franziskus hatte dann das Thema in seiner Enzyklika Laudato Si’  aufgegriffen und Kategorien für ein gutes Wirtschaften angeboten: „Um zu erkennen, ob ein Unternehmen zu einer wahren ganzheitlichen Entwicklung beiträgt, müssten in der gesamten Diskussion die folgenden Fragestellungen bedacht werden: Wozu? Weshalb? Wo? Wann? In welcher Weise? Für wen? Welches sind die Risiken? Zu welchem Preis? Wer kommt für die Kosten auf, und wie wird er das tun? In dieser Prüfung gibt es Fragen, die den Vorrang haben müssen.“ (LS 185)

Zum Beginn der Verhandlungen von EU-Rat, -Parlament und -Kommission über eine neue Gesetzgebung gegen Konfliktmineralien an diesem Montag forderte die katholische Dreikönigsaktion verbindliche Regeln in der gesamten Lieferkette von Mineralien wie Gold, Tantal, Wolfram und Zinn. Es gelte, dem Druck der Industrie-Lobby nicht nachzugeben und eine Verordnung zu beschließen, die menschliches Leid wirkungsvoll verhindere, so die Rohstoffexpertin Gloria Huaman Rodriguez von der Dreikönigsaktion. Hersteller etwa von Mobiltelefonen, Waschmaschinen, Kühlschränken oder Autos sollten verpflichtet werden, ihre Beschaffungskanäle zu überprüfen und sicherzustellen, dass durch ihre Einkäufe keine bewaffneten Konflikte und Gewalt finanziert werden.

Die Dreikönigsaktion kritisiert, dass die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten sich bei ihren bisherigen Verhandlungen über ein gemeinsames Verhandlungsmandat für den EU-Rat lediglich auf eine freiwillige Selbstverpflichtung geeinigt haben. Dadurch werde nur ein Teil der Beschaffungskette in den Blick genommen, bemängelt Rodriguez. „Sie fällt damit bedauerlicherweise weit hinter die Vorschläge des EU-Parlaments zurück, in dem verpflichtende Sorgfaltspflichten enthalten sind. Wenn sich die Mitgliedsstaaten mit ihren Vorstellungen durchsetzten, werde nur eine sehr geringe Anzahl an europäischen Metall- und Mineralien-Importeuren erfasst.“ Der Großteil der betroffenen Erze und Mineralien wird in Südostasien weiterverarbeitet und dann erst nach Europa importiert. Beim Kauf von Smartphones und Computern könnten europäische Konsumenten weiterhin nicht sicher sein, ob sie nicht gegen ihren Willen Menschenrechtsverletzungen mitfinanzieren, gab Rodríguez zu bedenken. 

(rv/kap 01.02.2016 ord)








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