2016-01-07 15:56:00

Satire und Religion - Geht das?


Zwölf Menschen sind letztes Jahr in den Redaktionsräumen von Charlie Hebdo gestorben, weil sie lustig sein wollten. Die Zeitschrift Charlie Hebdo betreibt Satire, sie ist provokant und plakativ. Auch jetzt, ein Jahr nach dem Anschlag von Islamisten, bei dem zwölf ihrer Kollegen starben, testen die Satirezeichner die Grenze des guten Geschmacks aus. Auf ihrem aktuellen Cover ist Gott blutverschmiert mit einer Kalaschnikow zu sehen, darüber die Überschrift „Der Mörder ist noch immer auf der Flucht“. Viele empören sich, auch die Vatikanzeitung Osservatore Romano. Wir haben Tim Wolff vom Satire-Magazin Titanic gefragt: Ist das witzig? Die Antwort des Chefredakteurs: „Das ist eine ganz nette Idee, als Witz fehlt mir aber eine weitere Wendung.“

Doch auch wenn für Wolff auf dem französischen Cover der Dreh zum Witz fehlt, darf Satire das. Für das deutsche Satire-Magazin Titanic sind aber lebendige Persönlichkeiten aus dem Tagesgeschehen wichtiger. Das Problem bei Satire und Religion sieht Wolff nicht bei Karikaturen über Gott, sondern bei der Grundthese von Religionsgemeinschaften: dem Wahrheitsanspruch. „Religion und Satire miteinander zu versöhnen ist sehr schwierig. Satire arbeitet mit der grundsätzlichen Aussage, es gibt keine Wahrheit, der nicht widersprochen werden darf - und Religionen verkünden die einzige Wahrheit. Wenn religiöse Gemeinschaften sagen, dies muss man ausschließen, dann kann der Satiriker nicht mehr mitmachen, und am Ende kann man keine Satire mehr betreiben.“

Satire und die Päpste

Das Magazin Titanic ist dafür bekannt, jeden aufs Korn zu nehmen, der sich im aktuellen Tagesgeschehen anbietet. Da muss auch die katholische Kirche und für diese repräsentativ der Papst herhalten. Den emeritierten Papst Benedikt XVI. bezeichnet Wolff als „dankbares Opfer“. „Benedikt hatte in seiner Steifheit und seiner Ernsthaftigkeit deutlich mehr Angriffsfläche geboten - und er war Deutscher. Ein deutscher Papst hat für ein deutsches Satiremagazin eine ganz andere Bedeutung. Mit Papst Franziskus haben wir in der Tat größere Probleme.“

Der Vatikan hatte das Satiremagazin 2012 wegen eines Covers angezeigt, auf dem Papst Benedikt XVI. als inkontinent abgebildet ist. Für Wolff war das freilich ein „absolut pro-katholisches“ Titelbild. „Wenn man das Cover kritisch auflösen will, steht dort im Grunde, dieser Papst ist zu schwach, um seinen Laden unter Kontrolle zu halten. Streng genommen wünscht sich dieses Titelbild einen starken Papst. Und jetzt haben wir einen deutlich stärkeren Papst.“ Diese Meinung teilte die Kirche nicht und ging gegen die Satirezeitschrift juristisch vor. Der Vatikan bekam Recht - und die Titanic eine einstweilige Verfügung vom Landesgericht Hamburg.

Grenzenlose Satire

Grenzen in der Satire gibt es für Wolff auch nach dem Attentat auf Charlie Hebdo keine, solange man niemanden beleidige. Satire sei Polemik, die Grenzen austeste. Schmerzgrenzen seien subjektiv, und für viele werden sie in religiöser Satire generell überschritten. Andere Nuancen brachte der deutscher Karikaturist Klaus Staeck ein, der zwar bei religiösen Themen eine Sensibilität fordert, aber auch sagte: „Unser wunderbares Wertesystem hat es geschafft, dass man auch den Papst karikieren kann, und trotzdem steht niemand mit einer Pistole oder einer Kalaschnikow an der Tür. Diese Freiheit haben gerade wir Deutschen mühsam genug errungen.“ Für Wolff ist ein Gewinn der Komik gerade im Hinblick auf das Attentat von Charlie Hebdo oder Terror im Allgemeinen: „Der Gewinn, der durch Komik entsteht, ist, dass man schreckliche Situationen besser verarbeiten kann.“

(rv 07.01.2016 pdy)








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