2016-01-07 13:24:00

D: Keine Pauschalverurteilung von Flüchtlingen, bitte


Die katholische Kirche muss nach den Vorfällen der Silvesternacht in Köln, Hamburg und anderen deutschen Städten der pauschalen Verurteilung muslimischer Flüchtlinge entgegentreten. Das fordert der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke, der in der Deutschen Bischofskonferenz für den Interreligiösen Dialog verantwortlich ist. Im Gespräch mit Radio Vatikan warnte Jaschke vor einer „irrationalen Stimmung“ gegen Flüchtlinge und vor politischem Missbrauch der Vorfälle, stellte aber auch klar, dass Asylsuchende in Deutschland sich auf hier geltende Grundwerte wie die gleiche Würde von Mann und Frau zu verpflichten hätten. In der Silvesternacht hatten Hunderte mutmaßlich organisiert auftretende Männer Frauen massiv sexuell attackiert, eingeschüchtert und beraubt.

Weihbischof Jaschke: „Wir sind alle als anständige Menschen erschrocken und empört. Die erste Pflicht ist, wir müssen ein klares Bild über das bekommen, was wirklich passiert ist. Man muss versuchen, die Schuldigen, die Täter dingfest zu machen, und man muss die Opfer - in Anführungszeichen - auch ermutigen, dass sie sich melden und bei der Aufklärung helfen. Ein zweites: Die Kirche muss nach der Ermittlung und Aufklärung besonders darauf achtgeben, dass nicht eine irrationale Stimmung entsteht, dass man allgemeine Verdächtigungen erhebt, etwa gegen „die Ausländer“ oder gar gegen „die Flüchtlinge“. Es gibt in Deutschland immer unselige Stimmen, auch in führenden Parteien, die gleich wieder Propaganda gegen Flüchtlinge machen wollen. Deswegen muss man erst wissen, wer die Täter sind.“

RV: Die Täter stammen mutmaßlich aus dem nordafrikanischen bzw. arabischen Raum, jedenfalls mit muslimischem Hintergrund. Das Grundproblem scheint mehr ein kulturelles als ein religiöses. Dennoch die Frage an Sie als Vorsitzenden der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz: Welche Rolle spielt der Umgang mit Frauen im Dialog zwischen Christen und Muslimen?

Weihbischof Jaschke: „Ich möchte erstmals wirklich eine saubere Prüfung haben. Natürlich haben Frauen einen anderen Stellenwert im Islam, und es ist auf keinen Fall erlaubt, dass man Frauen sexuell attackiert. Es mag sein, dass manche Muslime sagen, so wie Frauen in der westlichen Gesellschaft sich geben, wie frei sie auftreten und welche Reize sie damit vermitteln, das gefällt uns nicht – aber das muss man wirklich prüfen. Und wenn es heißt nordafrikanischer Hintergrund, dann sind es ja nicht die Flüchtlinge aus Syrien, diese armen Menschen, die zu uns kommen. Es sind offenbar doch organisierte Leute. Und über kulturelle Hintergründe möchte ich erst dann reden, wenn ich etwas weiß. Aber das darf auf keinen Fall als eine Art Entschuldigung oder sogar als eine Verschärfung der Anklage angesehen werden.“

RV: Meinen Sie, dass die Vorfälle, die jetzt erst - Tage später – wirklich ans Licht kommen, in Deutschland einen massiven Meinungsumschwung in der Flüchtlingsfrage herbeiführen könnten?

Weihbischof Jaschke: „Das könnte dazu führen, deswegen muss man wirklich erst sehen, dann urteilen und dann handeln. Die meisten Leute wollen sofort urteilen und wollen Sündenböcke haben. Da müssen wir uns in aller Klarheit wehren. Wir müssen Unschuldige schützen, die Opfer sind, aber wir sind auch den Flüchtlingen gegenüber in der Pflicht, gerade als Menschen in unserer Kirche.“

RV: Sind wir in Deutschland zu zaghaft dabei, im Umgang mit muslimischen Migranten bestimmte unantastbare Werte vorzutragen, wie etwa die gleiche Würde von Mann und Frau?

Weihbischof Jaschke: „In Worten vertreten wir das immer. Wir sagen, wer zu uns kommt, wer Asyl bekommt, aber auch wer Asyl bekommen will, der verpflichtet sich auf unser Grundgesetz, auf die Grundwerte und auf die Grundhaltungen, die in unserem Zusammenleben gelten. Wer dagegen verstößt, der ist kriminell und wird bestraft, und wenn es ganz schlimm ist, muss eben auch eine Ausweisung erfolgen. Aber noch einmal: Ich möchte das Vorgefallene nicht zum Anlass nehmen, eine pauschale Verdächtigung der guten Meinung über die Flüchtlinge, die Hilfe brauchen, herbeizuführen. Da werde ich ganz aggressiv und böse, weil ich die Töne jetzt schon höre, auch in bestimmten Parteien.“

Das Gespräch führte Gudrun Sailer.

(rv 07.01.2016 gs)








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