2015-12-24 16:12:00

Flüchtlingskrise: „Ein christliches Ungarn ist Utopie"


Politiker können eine abwehrende Haltung gegenüber Flüchtlingen nicht mit der Verteidigung des christlichen Europas begründen. Das hat der Abt des bedeutendsten Klosters in Ungarn erklärt. „Ein christliches Europa, ein christliches Ungarn sind Utopien und Illusionen", sagte der Erzabt der Benediktinerabtei von Pannonhalma, Imre Asztrik Varszegi, in einem Interview mit dem ungarischen Wirtschaftsmagazin „HVG". Die europäische Tradition sei unbestritten christlichen Ursprungs, daraus könne aber noch lange nicht geschlossen werden, „dass wir auch in Tat und Haltung Christen sind", so Varszegi.

Ungarns rechtskonservative Regierung hat in den vergangenen Monaten umstrittene Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingsstromes  getroffen. Ministerpräsident Viktor Orban, ein evangelischer Christ, hat sein Vorgehen mit Blick auf die muslimische Religionszugehörigkeit der meisten Flüchtlinge als Verteidigung christlicher Werte bezeichnet.

Die Motive einer solchen Argumentation seien zu hinterfragen, sagte nun der Erzabt der Benediktinerabtei von Pannonhalma weiter. Hier gehe es vermutlich mehr um die Verteidigung „unserer Wohlstandes, unseres Komforts und unserer Sicherheit" und nicht so sehr um die Verteidigung des Christentums, so der Ordensmann, der im Sommer mit der Aufnahme von Flüchtlingen in seinem Kloster Aufregung gesorgt hatte. Dazu befragt, erklärte Varszegi, es sei „keine Heldentat, sondern eine Art erste Hilfe" gewesen und habe auch dem Grundsatz seines Ordens entsprochen.

Dem Erzabt zufolge könne die heutige Lage nicht auf den Gegensatz zwischen Christentum und Muslime reduziert werden. Man brauche mehr Informationen, Kenntnisse und vernünftige Töne. Auf Kirche und Politik angesprochen meinte Varszegi: „Die politische Beeinflussung und der unzureichende Informationsstand der Kirche stärken einander und bieten den Nährboden für ein einseitiges Denken."

Der Benediktinerabt äußerte sich auch darüber, wie lange es dauere, bis Veränderungen innerhalb der Kirche eintreten. Er stelle eine stärkere Sensibilität für die Herausforderungen an den modernen Menschen und des Zeitalters fest. „Es wird aufrichtig nach den richtigen Antworten gesucht. Auch diesbezüglich war Papst Franziskus päpstliches Schreiben über die Barmherzigkeit wegweisend."

Varszegi meinte, es sei darin eine unglaubliche Akzentverschiebung festzustellen. Ziel sei es, die Menschen zum barmherzigen Gott zurückzuführen, der durch Jesus seine unendliche Liebe gezeigt habe. "Auch wir müssen über diesen Gott sprechen, der den Menschen aufhebt, befreit und beschenkt. Ich bin hoffnungsvoll auch dann, wenn ich weiß, dass die Kirche mit ihrem Apparat überaus schwerfällig sein kann."

(kap 24.12.2015 gs)








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