2015-12-15 11:24:00

Schönborn gegen Flüchtlingspolitik der östlichen EU-Länder


Mit Kritik und Unverständnis hat der Wiener Kardinal Christoph Schönborn auf die Flüchtlingspolitik der östlichen Nachbarländer innerhalb der EU reagiert. Er erinnerte dabei an die christliche Verpflichtung zur Hilfe für Menschen in Not. In einem am Montag erschienen Interview für das slowakische Wochenmagazin „Tyzden“ hinterfragt der Wiener Erzbischof die Haltung der Regierungen in Bratislava, Prag, Budapest und Warschau in der Flüchtlingsthematik und nimmt dabei auch Teile der Ortskirchen nicht aus. Mit Blick auf den abgesetzten slowakischen Erzbischof Robert Bezak hofft der Kardinal auf eine „transparente Lösung“. Daneben werden Fragen im Blick auf seine persönliche Lebensgeschichte, sein Verhältnis zum Papst und zum Islam thematisiert.

Schönborn als Schlüsselkardinal

Vom slowakischen Starjournalisten Stefan Hrib sowie dem Politikbeobachter Anton Vydra als „einer der Schlüsselkardinäle in der nahen Umgebung des Papstes“ vorgestellt, unterstrich Schönborn einleitend die Aktualität des Weihnachtsfestes. Im Hinblick auf Herbergssuche in Bethlehem, Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und Vertreibung des jüdischen Volkes nach Babylon sei „nach der jüdisch-christlichen Tradition die Flüchtlingsfürsorge etwas Elementares“. Diese Überlieferung sei auch „in vielen europäischen Ländern, in denen der christliche Glaube geschwächt ist, gegenwärtig“. Er sehe dies „auch in Österreich, wo viele Menschen aus der säkularisierten Gesellschaft, die von sich selber nicht behaupten, Christen zu sein, die große Verpflichtung gegenüber den Flüchtlingen nicht verloren haben“. Im Alter von neun Monaten 1945 aus seiner Heimat, dem Sudetenland, vertrieben, sei er selbst „im Bewusstsein aufgewachsen, dass wir Flüchtlinge sind“, sagte der Wiener Erzbischof. Wenn er heute die Flüchtlingsschicksale höre, so rufe dies viele Erinnerungen aus seiner eigenen Geschichte wach.

Angesprochen auf den Aufruf von Papst Franziskus, jede Pfarrei Europas möge wenigstens einen Flüchtling aufnehmen und den Unwillen der osteuropäischen Katholiken, die Worte des Papstes in Taten umzusetzen, erwiderte der Kardinal, das sei für ihn „ein Schock, wirklich ein Schock“. Auch zeige eine Vernunftrechnung, dass Europa „Millionen von Zuwanderern braucht, um unseren Lebensstil aufrechtzuerhalten“.

Nein zu russozentrisch-antiwestlicher Ideologie

Bezüglich der wachsenden Sympathien für das Russland Vladimir Putins, die in der Slowakei zu beobachten sind, meinte Christoph Schönborn, slawophile Kreise hätten Russland schon vor der Russischen Revolution von 1917 als „Hort und Hafen christlicher Werte“ idealisiert und den Westen als dekadent und Wurzel alles Bösen dargestellt. Gegen eine solche Ideologie – denn um eine solche handle es sich – gebe es aber eine einfache Arznei, nämlich den „Blick auf die Realität“. Er habe auf dem Wiener Hauptbahnhof, auf dem in der Flüchtlingskrise die meisten Flüchtlinge angekommen sind, alte und junge, christliche und nicht christliche Helfer getroffen, die niemand gerufen habe und die doch geholfen hätten. Da frage er sich: „Sind diese Freiwilligen der dekadente Westen?“

Causa Bezak braucht transparente Lösung

Zur Frage des im Juli 2012 abgesetzten Erzbischofs von Trnava (Tyrnau), Robert Bezak, erklärte Schönborn, er habe ihn vor zwei Jahren getroffen. Er könne nur seine „wirkliche Hoffnung auf eine gute und transparente Lösung dieses Problems äußern“. Er frage sich aber schon, wie es möglich sei, dass er von der Absetzung eines Bischofs in der Nachbarschaft aus der Zeitung erfahren habe. Angesprochen auf Bezaks Reformprogramm, das in vielen Punkten dem des Papstes entsprach – Klärung der finanziellen Situation, Öffnung der Kirche für junge Menschen, Verkündigung der Frohbotschaft an ungewöhnlichen Orten -, erwiderte Kardinal Schönborn, er könne nicht für die Slowakei sprechen. Es bestehe aber „kein Zweifel, dass man ohne Klärung der Finanzen, Offenheit für die Kultur und ohne menschliche Einfachheit das Evangelium nicht zu den Menschen bringen kann“.

(kap 15.12.2015 mg)








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