2015-12-04 11:26:00

„Auch Muslime sollten Pforte der Barmherzigkeit öffnen“


Ein ungewöhnlicher Vorschlag kommt ein paar Tage vor dem Start des Heiligen Jahres aus dem Vatikan: Auch Muslime sollten doch eine „Heilige Pforte der Barmherzigkeit“ öffnen. Der das sagt, ist der Missions-Verantwortliche des Papstes, Kardinal Fernando Filoni – übrigens ein früherer Papst-Botschafter im Irak während des letzten Golfkriegs. „Auch im Herzen des Islams steht doch ein vor allem barmherziger Gott“, sagte Filoni im Gespräch mit Radio Vatikan. „Auch im Herzen des Islams steht Barmherzigkeit, auch wenn man ihr manchmal die Flügel beschneidet, sie vergisst oder beiseiteschiebt. Wir wissen, dass Barmherzigkeit einer der 99 Namen ist, unter denen Gott, Allah, angerufen wird!“

Kardinal Filoni äußerte sich in dem Interview vor allem zur Papstreise nach Afrika. Sie ist letzten Montag zu Ende gegangen. Franziskus hatte unter anderem in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, Bangui, eine „Heilige Pforte“ geöffnet und damit eine Art Vorpremiere des „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ geliefert, das offiziell erst nächsten Dienstag in Rom startet. „Der Papst reist in ein Land, wo es diese Konflikte gibt“, sagt dazu Filoni: „Es sind Konflikte, die auch von religiösen Aspekten geprägt sind, zumindest aus der Sicht von Fundamentalisten. In dieser Hinsicht also kann man sagen: Wir Christen öffnen eine Heilige Pforte, die die Pforte der Barmherzigkeit ist – und jetzt erwarten wir uns, dass auch unsere muslimischen Brüder, die an einen barmherzigen Gott glauben, ebenfalls eine Heilige Pforte öffnen. Auch für sie ist das die Pforte der göttlichen Barmherzigkeit, die angewandt, praktiziert werden muss, indem man die Waffen wegwirft und zum Beispiel damit für ein schönes Feuer sorgt, um sie zu verbrennen und mit ihnen Schluss zu machen!“

Die erste Sure des Koran nennt Allah „den Barmherzigen, den Allerbarmer“; diese Formel, die sogenannte Bismillah, wird von Muslimen beim Gebet und auch im Alltag immer wieder gesprochen. Die Tradition eines Heiligen Jahres kennt der Islam nicht; am ehesten vergleichbar damit ist die islamische Verpflichtung zur Hadsch, also zur Mekka-Wallfahrt, mindestens einmal im Leben. Filoni hat schon vor ein paar Monaten bei einem Besuch im Irak eine muslimische Version eines „Jahres der Barmherzigkeit“ ins Spiel gebracht. Ähnlich äußerte sich kurz nach den Terroranschlägen von Paris auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin gegenüber der französischen katholischen Tageszeitung „La Croix“.

„Nein zur Toleranz, Ja zum Recht auf Zusammenleben“

Im Radio-Vatikan-Interview beschreibt Kardinal Filoni den Papst als einen Friedensbringer für Afrika. „Ich hoffe, dass jetzt nicht andere gegen den Frieden, gegen das friedliche Zusammenleben ankämpfen, die der Papst verkündet hat. Der Papst hat etwas sehr Wichtiges gesagt: „Ich spreche nicht gerne von Toleranz.“ Und das sage ich auch für mich selbst! Toleranz nämlich ist nur ein Zugeständnis, das ich, weil ich zur Mehrheit gehöre, anderen gegenüber mache, die in der Minderheit sind. Aber so sollte es nicht sein. Es gibt ein Recht auf Frieden, auf Zusammenleben, ganz unabhängig von Mehrheit oder Minderheit, religiös oder nicht. Das liegt, wie der Papst gesagt hat, daran, dass wir vom existenziellen, religiösen Standpunkt her alle Kinder Gottes sind.“

Nur dass das nicht alle so sehen – das weiß auch der „rote Papst“, wie der Präfekt der vatikanischen Missionskongregation manchmal auch traditionell genannt wird. Filoni hat deswegen noch eine etwas allgemeingültigere Variante seines Diktums parat: „Wir sind alle Kinder derselben Erde, wir sind alle Kinder derselben Realität. Warum sollen wir dann nicht zusammen gehen und leben können? Also Nein zur Toleranz, die vielleicht die erste Stufe in Richtung Krieg und Gewalt ist, aber Ja zum Recht für alle, zu leben, zu arbeiten und zusammenzusein!“

(rv 04.12.2015 sk)








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