2015-11-22 08:00:00

Aktenzeichen: Albert Schweitzer – Humanist, Arzt, Philosoph


Albert Schweitzer, evangelischer Theologe und Prediger, Musikwissenschaftler und Bachinterpret, Kulturphilosoph und Schriftsteller, schließlich Doktor der Medizin, gilt als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Sein Lebensweg ist so einzigartig, dass er sich kaum mit dem eines anderen Menschen unserer Zeit vergleichen lässt.

Am 14. Januar 1875 wurde der spätere Friedensnobelpreiträger Albert Schweitzer als Sohn des Stellvertreters im Pfarramt des elsässischen Kaysersberg und einer Pfarrerstochter geboren. Seine Herkunft prägte ihn dahingehend, dass er nicht nur Arzt – als der er wohl den meisten bekannt ist – sondern schon vor seinem Medizinstudium evangelischer Theologe, Organist, Doktor der Philosophie und Pazifist war.

Lambarene ist heute eine gabunische Stadt mit mehr als 25.000 Einwohnern und einem Flugplatz. Inzwischen ist ein neues Krankenhaus entstanden. Es ist größer und moderner als das vorherige. Die Orte, an denen Albert Schweitzer, seine Frau Helene und ihre Tochter Rhena gearbeitet und somit unzähligen Kranken geholfen haben, sind noch erhalten.

Albert Schweitzer sagte einmal von sich selbst: Ich bin zu einem Drittel Professor, zu einem Drittel Apotheker und zu einem Drittel Bauer. Er war mehr; Apostel der tätigen Nächstenliebe, dessen philosophische Theorie und ärztliches Handeln Zeit seines Lebens eine Einheit bildeten.

„Ehrfurcht vor dem Leben“ war das Motto, unter das Albert Schweitzer sein Leben stellte und das sein Denken und Handeln bestimmte. Er hat sich damit eingereiht in den Kreis der Großen der Menschheitsgeschichte, die wegen ihres Beispiel gebenden Wirkens und Handelns ein großes Vorbild sind, was gerade heute Erwachsenen und Jugendlichen vor Augen gestellt werden sollte.

Bereits vor Lambarene war der junge Gelehrte Albert Schweitzer auch als Musiker, Musikschriftsteller, Bachforscher und Orgelbauer eine anerkannte Persönlichkeit. Sein deutsches Bachbuch wurde in die meisten übrigen Kultursprachen übersetzt und übertrifft, zusammen mit der Auflagenhöhe, bei weitem alles Vergleichbare in der Musikliteratur. Hunderte von Orgelkonzerten dienten ihm schließlich als zusätzliche Einnahmequelle für den Aufbau und Unterhalt seines Tropenspitals.

Den „Doktor der Philosophie“ erwarb sich Albert Schweitzer bereits als 24-Jähriger. Im Urwald Afrikas entwickelte er die Grundidee seiner „Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“, die Tier- und Pflanzenwelt einschließt und zu einer grenzenlos erweiterten Verantwortung gegenüber der ganzen Schöpfung auffordert. Seine unermüdlichen Friedensappelle und Aufrufe gegen Kernwaffen erregten die Weltöffentlichkeit. 1954 nahm er den Friedensnobelpreis in Oslo entgegen.

Als junger Dr. theol. war Albert Schweitzer in Straßburg zu gleicher Zeit Vikar an der Kirche St. Nikolai, Professor an der theologischen Fakultät und Direktor des Thomasstifts. Schon in den Studienjahren beschäftigte er sich mit dem Leben Jesu. Das Werk „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ gilt als Schweitzers beachtlichste theologische Leistung. 1995 kam unter dem Titel „Reich Gottes und Christentum“ sein letztes theologisches Werk heraus, das er selber als „Finale meiner Leben-Jesu-Forschung und zur Mystik des Paulus“ bezeichnet hatte.

Als 30-Jähriger fasst Schweitzer den Entschluss, sich „einem unmittelbaren, menschlichen Dienen zu weihen“. Er studiert noch Medizin, als er 1913 nach ­Französisch-Äquatorialafrika (heute Gabun) ausreist und dort das Tropenhospital Lambarene gründet. Es wird sein Lebenswerk. Innerlich getrieben, versorgt der knorrige wie patriarchalische Doktor mit erstaunlicher Ausdauer seine Patienten, die ihn von weit her aufsuchen. Mittels Fundraising-Touren durch Europa finanziert Schweitzer das Hospital, er hält Vorträge und gibt Orgelkonzerte. An seiner Seite steht die jüdisch stämmige Gattin Helene, eine Krankenschwester und Pädagogin. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg warnt er mit Albert Einstein vor dem Atomkrieg und tritt für den Weltfrieden ein.

Trotz der ihn bisweilen übermannenden Arbeit findet Schweitzer bei nächtlichem Kerzenschein noch Zeit, Bücher zu schreiben. In den drei Bänden seiner „Kulturphilosophie“ versucht er den Weltkulturen und Religionen einen neuen Weg zu ebnen. Dieser Weg leuchtet erstmals in einem Inspirationserlebnis auf, das ihm im September 1915 während einer Flussfahrt auf dem Ogowe widerfährt: Umgeben von einer Herde Nilpferde, wird er der „Ehrfurcht vor dem Leben“ gewahr. Diese sei, so Schweitzer, ein universales Grundprinzip und schließe alles Lebende ein.

Die konsequente Umsetzung seines ethischen Ansatzes hat den schnurrbärtigen ­Urwalddoktor, der nach Ansicht des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ wie ein „naher Verwandter des lieben Gottes“ aussieht, weltweit zu einer Symbolgestalt gelebter Humanität gemacht. Dafür wurde er mannigfach geehrt, 1952 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Mit 90 Jahren schloss Albert Schweitzer am 4. September 1965 in seinem Urwaldhospital für immer die Augen. Sein großes Werk, Lambaréné, ist heute eines der modernsten Krankenhäuser in Gabun. Er liegt mit seiner Frau Helene in Lambarene begraben.

(rv 22.11.2015 ap)








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