2015-11-20 09:28:00

Kardinal Piacenza: Ablass ist wie ein Staubsauger Gottes


Drei Wochen noch, dann eröffnet Papst Franziskus am 8. Dezember das Heilige Jahr der Barmherzigkeit. Reue, Buße, Versöhnung und Umkehr sind zentrale Begriffe des Jubeljahres, und ausdrücklich will Franziskus die Gläubigen zum Sakrament der Beichte einladen. Wie seit jeher ist die Teilnahme am Heiligen Jahr mit einem vollkommenen Ablass verbunden. Für Angelegenheiten, die mit Buße und Gewissen zu tun haben, ist beim Heiligen Stuhl ein eigener Gerichtshof zuständig: die Apostolische Pönitentiarie. Gudrun Sailer sprach mit Großpönitentiar Kardinal Mauro Piacenza.

RV: Herr Kardinal, die Heiligen Jahre ziehen seit jeher sehr viele Pilger an, weil sie dabei einen vollkommenen Ablass erhalten. Ablass ist ein komplexer Begriff, wie würden Sie ihn einem Laien erklären?

„In der Beichte vergibt Gott die Sünden. Wenn aber der Schmerz über die begangenen Sünden nicht so groß ist, dann bleibt da ein Rest, ein Rückstand von Strafe und Leid. Diesen Rückstand büßt man ab, entweder hier im irdischen Leben oder im Jenseits. Der Ablass – und da liegt seine Kostbarkeit – gibt die unendliche Barmherzigkeit Gottes weiter: er macht an dieser Stelle sauber, nimmt gewissermaßen als Staubsauger Gottes die Krümel der Sünde weg. Wenn also ein Mensch nach der Beichte den Ablass erhält, dann ist er praktisch wie nach der Taufe: Er beginnt ein neues Leben.“ 

RV: Was müssen Gläubige tun, um den Ablass zu erlangen?

„Die üblichen Auflagen sind: Beichte und Kommunion, Gebet nach der Meinung des Heiligen Vaters, ein Vaterunser und das Glaubensbekenntnis. Diese Auflagen sind wichtig, weil sie das Ganze strukturieren – aber das wichtigste ist die Substanz. Und die liegt in der aufrichtigen Reue des Herzens. Beichte und  Ablass gehören zusammen, und auf ihnen liegt der Fokus eines jeden Heiligen Jahres.“  

RV: Papst Franziskus hat für die Dauer des Jubiläumsjahres die Heilige Pforte des Petersdoms zur „Pforte der Barmherzigkeit“ erklärt. Was bedeutet das?

„Die Tür hat in kirchlichen Gebäuden immer eine große symbolische Bedeutung. Bei Johannes sagt Jesus: Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden. Es ist ein Übergehen vom Zustand der Sünde in den Zustand der Gnade. Auf diese Theologie verweist der Papst, wenn er eine Heilige Pforte öffnet. Klarerweise ist es keine magische Tat, eine Pforte zu durchschreiten. Es ist vielmehr dann ein religiöses Zeichen, wenn ich ihm einen Inhalt gebe. Wenn ich also glaubend diese Pforte durchmesse, mitsamt dem Staub, der sich während der Pilgerschaft durch die Welt auf mein Kleid gelegt hat, und wenn ich mich innerlich sammle und sage, ich möchte gerne von einem Zustand der Sünde in einen Zustand des Lebens gelangen, und ich erkenne an, dass Christus meine Tür ist, meine Rettung, und ich höre in meinem Ohr Jesus sagen: Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden – dann bin ich im Einklang mit dem, was der Heilige Vater uns sagen wollte, indem er uns diese Pforte wies.“

„Hier ist die Spannung der Seelen zu spüren"

RV: Die Pönitentiarie ist als Gnadengerichtshof der katholischen Kirche für Lossprechungen von schwersten Sünden zuständig. Verhandelt werden hier Fragen, die das innerste Gewissen betreffen. Wie kann man sich die Arbeit vorstellen, die hier geleistet wird?

„Ich würde sagen, die Pönitentiarie ist eine große Waschmaschine, die am Werk ist. Aber man kostet auch, pastoral gesprochen, den tiefen Sinn der Kirche und des Priesters, der lossprechen kann. Das ist eine außergewöhnliche Kurienbehörde. Bei uns geht es nicht so sehr um Akten – ich sage das mit höchstem Respekt für die Arbeit aller anderen Kurienbehörden, jedes Dikasterium tut seine Pflicht. Aber hier ist die Spannung der Seelen zu spüren. Die reuigen Seelen, die Versöhnung suchen. Und es ist eine Freude, diese Versöhnung geben zu können. Es ist eine Freude, so arbeiten zu können, Tränen trocknen zu können, Hoffnung zurückgeben zu können, und dazu anstiften zu können, wieder Lebensfreude zu gewinnen, die Freude, den Glauben im Alltag wieder zu entdecken.“

RV: Kommt auf die Pönitentiarie im Heiligen Jahr mehr Arbeit zu als sonst?

„Wir legen mehr Augenmerk auf die Beichten in den römischen Basiliken, es wird etwa mehr Beichtväter in den verschiedenen Sprachen geben, und wir denken auch an Hilfstruppen, die den Pilgern bei der Gewissenserforschung beistehen können. Das Heilige Jahr ist ein Jahr der friedensstiftenden Realität für die Seelen. Sicher, die Pönitentiarie ist ein Tribunal, aber eines, in dem die Akten sozusagen mit den Tränen der heilsamen Buße durchtränkt sind und dann getrocknet werden an der Sonne der göttlichen Barmherzigkeit. Und das täglich! Bei uns ist immer Jubiläum.“

(rv 12.11.2015 gs)








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