2015-10-21 09:04:00

Bericht aus den Arbeitsgruppen: Pastorale Kreativität


Der pastorale Blick und der authentische Geist der Barmherzigkeit werden gebraucht, aber wie lassen diese sich in konkrete Entscheidungen und Situationen übersetzen? Die Aufgabe der Bischofssynode zum dritten, praktischen Teil des Vorbereitungsdokumentes war nicht einfach; es war der längste Teil, und dementsprechend hat er die meisten „Modi“, also Änderungsvorschläge, bekommen. An diesem Dienstag Nachmittag wurden im Plenum der Bischofssynode die dreizehn Berichte aus den Arbeitsgruppen vorgelegt, Pater Bernd Hagenkord gibt uns einen Überblick.

Was ist das eigentlich?

Am Anfang steht die Frage, was hier eigentlich beraten wird. Überraschend viele Gruppen (darunter auch die deutschsprachige) haben sich zunächst einmal zur Frage des Titels des Textes geäußert – und alle in derselben Richtung. Dabei geht es nicht nur um Semantik: Man wolle sicherstellen, dass es ein Text wird, der an den Papst gerichtet ist, nicht an die Familien, nicht an die Welt, nicht an die Kirche. Das müsse sich sofort im Titel zeigen. Der deutschsprachige Vorschlag lautet „Überlegungen und Vorschläge für den Heiligen Vater, Papst Franziskus“. So oder ähnlich lauten alle diesbezüglichen Entwürfe. Sie wollen Klarheit schaffen in einem bisher eher unklaren Punkt – und damit auch dem Papst helfen, sein Amt besser ausüben zu können.

Insgesamt sind viele Gruppen – wieder einmal – nicht zufrieden mit dem Grundlagentext. Das betrifft natürlich mehr als nur die Frage, an wen er denn gerichtet sei. Die innere Logik stimme nicht, vieles müsse umgestellt und anders aufeinander bezogen werden. Viel Arbeit also für das Redaktionsteam, das bis Samstag einen beschlussreifen Schlusstext zusammenstellen soll.

Wiederverheiratete Geschiedene

Ein einheitliches Bild ergibt sich nicht aus den Berichten aus den Kleingruppen: Einige lehnen den „Weg der Buße“, erstmals von Kardinal Walter Kasper im Frühjahr 2014 ins Spiel gebracht, ab. Andere versuchen es mit einer „Via Caritatis“, einem „Weg der Nächstenliebe“. Wieder andere tasten vorsichtig nach pastoralen Lösungen in kulturell und soziologisch ganz unterschiedlichen Umständen.

Man dürfe den „Schrei“ der Menschen nicht ignorieren, so eine Gruppe: Viele Menschen wollten voll am Leben der Kirche teilnehmen, darauf müsse die Kirche eingehen.

Ein Punkt, den die Kirche klären müsse, sei zum Beispiel (abseits von der Frage nach dem Sakramentenempfang), ob Menschen. die geschieden und wiederverheiratet sind, Paten sein können oder Katecheten, und ob sie in der Liturgie mitwirken dürften.

Das Gewissen

Mehrere Gruppen formulieren, es müsse ein Verfahren geben, organisiert und geleitet vom Ortsbischof, das im „Forum Internum“, also in der Beichte, Gewissensentscheidungen möglich macht. „Aufgabe der Hirten, zusammen mit den Betroffenen“ ist es, „diesen Weg der Unterscheidung zu gehen“, lautet die Formulierung dazu im deutschsprachigen Dokument. Das Gewissen müsse natürlich „informiert“ und „gebildet“ sein, heißt es an anderer Stelle, aber hier zeige sich ein möglicher Weg für problematische Situationen. Ein solches informiertes und gebildetes Gewissen lebe die Harmonie zwischen kirchlicher Lehre und individueller Entscheidung – eine große Aufgabe.

Wege der Versöhnung müsse es dort geben, wo Brüche im Leben entstanden seien und Menschen in Situationen lebten, die der Lehre widersprächen. Überhaupt hat die Metapher des Weges, die auch Papst Franziskus häufig gebraucht, eine große Bedeutung in den Papieren.

Armut und Vertreibung

In den Berichten zum ersten Teil des Arbeitspapiers sei oft von Armut und Vertreibung die Rede gewesen, deswegen dürfe das im dritten Teil nicht fehlen, mahnen einige Gruppen. Zu wenig sei dieser Aspekt genannt und berücksichtigt, wenn man die die Synode beginnende Reflexion zu Grunde lege.

Die Botschaft der Kirche richte sich mehr denn je an die Armen dieser Welt, heißt es hierzu in einem Papier, weil ihr Familienleben ernsthaft von ökonomischen und politischen Faktoren bedroht sei. Aber auch abseits von Armutsfragen ist die sozio-ökonomische und die politische Umgebung wichtig. Die deutschsprachige Gruppe spricht von „struktureller Rücksichtslosigkeit gegenüber Familien“: „Nicht die Familie hat sich wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen, sondern umgekehrt.“

Kultur und Ortskirche

„Es ist nicht möglich, allgemeine Kriterien für alle auftretenden Fälle zu schaffen“: Ein wichtiges Thema der gesamten Synode war die Frage, wie die universelle Weltkirche und die lokale Ortskirche zueinander stehen. Weitgehend einig sind sich die Papiere dahingehend, dass die Einheit der Kirche ein hohes Gut ist und auf keinen Fall durch lokale Einzelentscheidungen in Frage gestellt werden darf, auch wenn es auf der Ebene der Bischofskonferenzen geschieht. Aber wie weit können dann die konkreten, lokalen Kriterien gehen? Dazu gibt es einige, teils sich gegenseitig stützende, teils sich widersprechende Stellungnahmen. Verschiedene kulturelle Hintergründe seien ein Reichtum der katholischen Kirche, machten die konkrete Entscheidungsfindung aber nicht einfacher, geht als Tenor aus den Papieren hervor. Man hoffe, dass das Schlussdokument eine, nicht trenne, hofft eine Relatio.

Begleitung von Familien

In vielen Gruppen wurde die Vorbereitung und Begleitung von Paaren auf dem Weg zur Ehe betont, sei es in der „Ehe in Etappen“ Afrikas, sei es unter den Bedingungen des „Westens“ oder Asiens. Hier ist einer der langen roten Fäden der Synode, schon in den vorhergehenden Berichten wurde immer wieder dieser Aspekt hervorgehoben.

Familie ist Subjekt, nicht Objekt

Fast einmütig haben sich die Kleingruppen hinter die Aussage gestellt, dass Familien nicht Empfänger von Katechese und Begleitung seien, sondern die wichtigsten Handelnden auf diesem Gebiet. Wo das noch nicht der Fall sei, müsse sich das schnell ändern. Die Ausbildung von Priestern und Seelsorgern müsse sich daran anpassen, neue Modelle der Begleitung von Familien sollten gefunden, gefördert und/oder verbreitet werden.

Dazu gehört auch die Frage nach der „Berufung“ der Familie: Familien hätten einen Auftrag in der Kirche, sie seien aktiv und nicht nur Empfänger, hier zeige sich der gelebte Glaube, hier werde Glaube weitergegeben. Davon müsse die Kirche lernen. Mehr als einmal wurde in diesem Zusammenhang direkt Bezug genommen auf ‚Evangelii Gaudium’, das programmatische Apostolische Schreiben von Papst Franziskus aus dem Herbst 2013; hier beginne die „pastorale Umkehr“ der Kirche.

Gemischte Ehen

Wenn eine Ehe interkonfessionell oder interreligiös ist, hat das wichtige Auswirkungen auf das Leben des Glaubens, dessen sind sich die meisten Gruppen bewusst. Anstatt aber vor allem auf das Problematische an solchen Konstellationen einzugehen, überwiegt in den Berichten der Wille, zuerst einmal das Positive zu würdigen. Hier sei „interreligiöser Dialog mit beiden Beinen auf der Erde“ möglich, heißt es in einem der 13 Sprachgruppen-Berichte. Auch interkonfessionelle Ehen seien „Hauskirchen“, heißt es in einem anderen Papier. Aber es wird auch gewarnt: Vor dem Zustandekommen einer solchen Ehe müsse man darauf hinwirken, dass der katholische Teil Wurzeln in der eigenen Gemeinschaft schlagen könne.

Entscheidung

Was auch immer dem Papst geraten wird, es sollte nicht zu noch mehr Verwirrung führen. Diese Worte aus einem englischen „Circulus“ geben die Stimmung vieler Synodaler wieder. Deswegen kam auf der Synode auch immer wieder mal der Vorschlag, eine Kommission – möglichst während des anstehenden Heiligen Jahres – mit weiterem Studium zu beauftragen. Vor allem geht es um die Frage, wie der Glaube der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe, der ja auf Worten Jesu fußt, mit der pastoralen Praxis verbunden werden kann. Wie kann man die Lehre, das Kirchenrecht und die Pastoral harmonisieren?, so drückt es eine Gruppe aus.

Außerhalb der Aula gebe es Vermutungen und Befürchtungen in alle Richtungen, so einige Gruppen; dem ließe sich doch durch das Einrichten einer solchen Kommission begegnen.

Familiaris Consortio

Die Doppelsynode zum Thema Familie ist keineswegs die erste zum Thema: Auch die erste Synode des Pontifikats von Johannes Paul II. kreiste um die Familie. Das anschließende postsynodale Schreiben ‚Familiaris Consortio’ (1981) wurde aber erst in diesen Tagen wirklich wichtig – genauer gesagt: zwei Abschnitte daraus.

Zum einen geht es da um die Frage nach der Autorität des Papstes und der Bischöfe, zum anderen um Stufen der Ehevorbereitung: „die entferntere, die nähere und die unmittelbare Vorbereitung“ (FC 66). In vielen Berichten wird dieser Absatz wörtlich zitiert.

Neben ‚Familiaris Consortio’ war es vor allem die Enzyklika ‚Humanae Vitae’ von Papst Paul VI. mit ihrer Theologie, dass die eheliche Liebe und Sexualität Anteil habe am Schöpfungsakt Gottes, die wiederholt aufgegriffen wurde.

Entschuldigungsbitte

Einen besonderen Ton schlug die deutschsprachige Gruppe an: In der Vergangenheit habe die Kirche oft „im Bemühen, die kirchliche Lehre hochzuhalten“, unbarmherzig gehandelt, vor allem gegenüber ledigen Müttern oder außerehelichen Kindern, homosexuell orientierten Menschen oder nichtehelichen Lebensgemeinschaften. „Als Bischöfe unserer Kirche bitten wir diese Menschen um Verzeihung.“

Gewalt und Missbrauch

Gewalt in der Familie, sexueller Missbrauch, Ausbeutung: All diese Fragen dürften nicht unter den Tisch fallen, wenn es um das Thema Familie geht, so eine Gruppe.

Was fehlt?

Beginnend mit der ersten vortragenden Gruppe wurden in den Berichten aus den Sprachzirkeln immer wieder Punkte benannt, die auch im vorliegenden langen Text des ‚Instrumentum Laboris’ noch fehlen. Zum Beispiel würden die katholischen Schulen nicht erwähnt, außerdem alleinerziehende Eltern oder die Rolle der Paten.

(rv 21.10.2015 ord)








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