2015-10-10 11:44:00

Koch: „Ich weiß, dass Homosexuelle ein Wort der Anerkennung erwarten“


Homosexuelle erwarten ein Wort der Anerkennung, das sagt der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Er sitzt mit seinen deutschen Kollegen gemeinsam in der deutschen Sprachgruppe. Am Freitag berichteten die einzelnen Gruppen von ihren Beratungen der ersten Woche. Die deutsche Gruppe warb für eine nuancierte Wahrnehmung der Wirklichkeit der Familie und der sie umgebenden Kulturen. Ein Synodendokument müsse „die jeweiligen kulturellen Eigenheiten und Unterschiede sachgerecht wahrnehmen“, heißt es in dem Text, der aus der deutschsprachigen Kleingruppenarbeit der ersten Woche hervorgegangen ist. Mit Radio Vatikan sprach Koch über seine Eindrücke der Beratungen.

Nach Erzbischof Koch zeigt sich bei den Synodenteilnehmern aus verschiedenen Kulturen auch die Unterschiedlichkeit der Probleme. In manchen Ländern wie Eritrea, Irak oder Syrien sei die Familiensituation durch Unterdrückung und Flucht zum Teil deutlich problematischer als etwa in Deutschland. Insgesamt habe er aber den Eindruck, dass sich durch die Synode auch gemeinsame Linien zögen.

„Die Eindrücke waren schon sehr bunt und das zeigt wie breit gefächert es ist. Aber es gibt auch gemeinsame Richtungen, etwa die Gesellschaft nicht nur pessimistisch und negativ zu sehen, sondern auch als Chance und als Herausforderung. Es zeigt sich auch ein Grundzug: Wir reden gerade in Deutschland sehr viel von Trennung und dem Scheitern von Ehen und wie wir dann damit umgehen. Erst mal müssen wir auch den Menschen vermitteln, warum sie nicht nur heiraten sollen, sondern auch das Sakrament der Ehe spenden sollen. Dass das neu übersetzt und den Menschen nahegebracht werden muss, das scheint eine weltweite Aufgabe zu sein.“

Gemeinsam mit seinen deutschsprachigen Kollegen plädiert Koch im Synoden-Schlussdokument für einen Abschnitt über „die Schönheit der Ehe und den Auftrag der Ehen und Familien“. Außerdem sollte die Synode einen Dank an Eheleute und Familie aussprechen: einen Dank für ihren Dienst an der Gesellschaft und der Kirche, einen Dank besonders auch an jene, die „in Schwierigkeiten beieinander geblieben sind und so ein sichtbares Zeichen der Treue Gottes geworden sind“.

Koch geht auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften ein, auch sie bräuchten ihre Anerkennungen. Demgegenüber sei die Ehe die Beziehung zwischen Mann und Frau, die der Weitergabe des Lebens diene und in der Gott gegenwärtig sei. Die Ehe sei etwas deutlich anderes als eine gleichgeschlechtliche Beziehung. Aber auch diese Beziehungen haben einen hohen Wert wie Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Koch erinnert sich an seine Zeit als Weihbischof in Köln: „Aus meiner Kölner Zeit kenne ich alte homosexuelle Menschen, die sich auch im Alter, wenn es nichts Begeisterndes mehr gibt, gegenseitig tragen, auch in Krankheit, Demenz und im Sterben. Das ist auch ein hoher Wert, dass sie nicht allein sind.“ Es gebe sicher einige, die sagen, dass diese Beziehungen nichts mit dem kirchlichen Verständnis von Ehe gemeinsam hätten. Und dennoch würde Bischof Koch ganz klar sagen, dass die Frage, wie Kirche mit diesen Menschen und ihren Beziehungen umgeht, für Deutschland nun ansteht: „Ich weiß, dass homosexuelle Menschen auf ein Wort warten, das für sie ein Stück Anerkennung und Achtung ist. Ich glaube nicht, dass sie von uns erwarten, dass wir das bejahen, was alle meinen, nämlich ein Bekenntnis zur Ehe für alle. Mir ist es ein besonderes Anliegen, weil wir auch in Berlin homosexuelle Menschen haben, die sehr stark zu ihrem christlichen Glauben stehen und dafür von ihren homosexuellen Gemeinschaften scharfe Kritik und Vorhaltungen bekommen, wie sie eigentlich als Homosexuelle noch mit dieser Kirche verbunden bleiben. Diese Menschen möchte ich stärken und nicht enttäuschen.“

Ob die Sicht der deutschen Gruppe auf Homosexualität von den anderen Synodenteilnehmern angenommen wird, muss sich zeigen. Letztlich müsse ohnehin der Papst entscheiden, welche der vorgeschlagenen Punkte im Schlussdokument er aufgreife und welche nicht. Koch ist zuversichtlich, dass die Synode das Papier in einer großen Einmütigkeit und Verbundenheit – auch mit unterschiedlichen Standpunkten vorgelegt werde. Es sei aber auch zu überlegen, ob die kulturell sensiblen Dinge immer zentral geregelt sein müssen, merkt Koch an. Für den neuen Berliner Bischof müssen die theologischen Grundlagen überall gleichsein, das stehe außer Frage. Denn das Kirche weltumfassend ist, sei ihr großer Pluspunkt. Die Loyalität mit dem Papst und der Kirche werde für Koch immer bleiben. „Aber man muss sich auch fragen, welche Dinge vor Ort vielleicht auch unterschiedlich geregelt werden können, weil die Situation ganz unterschiedlich ist. Die Frage zum Beispiel, ob es möglich ist, jemanden trotz eines Bruches seiner Ehe zur Eucharistie zuzulassen oder ob er ein Leben lang ausgeschlossen bleiben muss, bis sein Partner stirbt. Das sind Fragen, die grundsätzlich geklärt werden müssen. Wenn man nachher sagt, wir müssen Einzelfallbetrachtungen ansehen, weil es wirklich ganz unterschiedliche Situationen gibt, dann schlage ich vor, dass man auch überlegt, wie man das in den einzelnen Teilen unterschiedlich regelt.“

Eine längere Passage ihres Textes widmet die von Kardinal Christoph Schönborn moderierte deutsche Sprachgruppe dem Stil eines Synodendokuments. Es sollten eine „positive, die christliche Position entfaltende Sprache“ verwendet werden und auch positive Entwicklungen der Gesellschaft aufgegriffen werden. „Der Wunsch ist in unserem Sprachzirkel sehr deutlich herausgekommen: Wir müssen wieder zündend und einladend in einer pluralen Gesellschaft sagen, was für uns Ehe und Familie ist. Und dass es nicht ein katholisches Sondergut ist, sondern eine lebensbedeutsame Hilfe und Lebensqualität ist auch für Menschen, die diesen Glauben nicht teilen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es hier nicht um eine Ordnungsfrage oder eine soziologische Frage geht, um Tradition und Brauchtum, sondern wirklich um ein Stück gelingendes Leben. Diese Grundsehnsucht liegt in jedem Menschen: Ich möchte lieben und ich möchte geliebt werden - bedingungslos und ohne Einschränkung. Ich muss nicht die Angst haben, dem anderen irgendwann nicht mehr zu genügen. Und ich möchte diese Liebe weitergeben. Auch ein Menschenleben weitergeben.“

Zugleich darf für Koch nicht vergessen werden, dass Familie mehr ist als Vater Mutter Kind, sondern das gesamte Netz der Verwandtschaft. Und zu diesem Netz gehörten auch die alten Menschen, die es ohne Familie am Schwersten hätten. Auch die Diskussion über Sterbehilfe in Deutschland sei letztlich auch ein Familienthema: „ Wo trägt eine Familie das Sterben ihrer Mitglieder mit? Wir haben da viel zu sagen und dieses kostbare Gut, das wir von Christus empfangen haben und das für alle Menschen offen ist, dürfen wir nicht zurückhalten."

(rv 10.10.2015 cz)








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