2015-09-03 13:00:00

Laudato Si Folge 22: Migrationsprobleme und Klimamigration


Die Flüchtlingsproblematik und der Klimawandel haben unmittelbar miteinander zu tun, auch wenn dies nicht so scheint. Denn es gebe nicht nur eine Flucht vor Waffen und Gewalt, sondern auch die von klimatischer Bedrohung – die zur Klimamigration führe. Daher sollte Europa den Kampf gegen den Klimawandel nicht vernachlässigen. Das erklärt der 46-jährige Oliver Christian Ruppel, Mitglied im Weltklimarat der Vereinten Nationen und Teilnehmer der Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Paris. Er ist Professor für Rechtswissenschaften, internationales Recht und internationale Beziehungen an der Universität Stellenbosch in Südafrika und leitet ein Institut mit interdisziplinären und rechtlichen Fragen zu Recht und Entwicklung. Er sieht im der Umwelt-Enzyklika „Laudato Si“ eine tragende Rolle:

„Das ist ein Dokument, was kein totes Dokument ist, sondern meines Erachtens in der Vorbereitung zum Weltklimagipfel eine ganz, ganz wichtige Rolle der Aufklärung spielen kann. Und wenn jeder, der das Dokument liest und insbesondere jeder, der am Sonntag eine Predigt hält, sozusagen die Wesensmerkmale dieses Dokuments an die breite Öffentlichkeit weitergeben würde, da denke ich, dass vielleicht allein dadurch gewisse Anstöße in der Politik gegeben werden können.“

Die Öffentlichkeit in Europa hat derzeit vor allem ein Thema: Flüchtlinge und die Angst davor, oder die Suche nach Lösungen. Man könnte befürchten, dass in einer prekären Situation wie der jetzigen – vor allem von Europa – die Gedanken auf diese Flüchtlingsproblematik fokussiert seien und dass die Umweltthematik untergehen könnte. Professor Ruppel sieht aber in Bezug auf das stetige Engagement von Europa in den Umweltanbelangen, dass dieses Engagement nicht weniger werden wird.

„Europa hat seit der Entstehung des Kyoto-Protokolls eine klare Ansage gemacht, hat seine Klimaemission deutlich gesenkt, war Vorreiter, was den Entscheidungsprozess der Klimaverhandlungen betrifft, hat sich bereitwillig gezeigt, Konzessionen zu machen, wo sie notwendig waren und ich denke, insbesondere durch die schlimme Situation der Flüchtlingslage in Europa sollte man nicht kurzfristig falsche Schlussfolgerungen ziehen und denken, man könnte an der falschen Stelle Einsparungen machen, weil, wie ich eben angedeutet habe: Klimamigration ist vielleicht die nächste noch viel größere Migrationswelle, die folgt, und insofern sollte man frühzeitig sich darauf gefasst machen und die jetzigen Ereignisse vielleicht nur lediglich als kleine Beispiele dessen nehmen, was noch passieren könnte, wenn noch mehr Menschen auf der Welt – verursacht durch den Klimawandel –von einem Ort zum anderen migrieren müssen und da denke ich, dass die nördliche Hemisphäre die Verantwortung hat, aus menschlicher Sicht auch diese Leute zu unterstützen, und wenn man im Klimaverhandlungsprozess jetzt einen Rückzieher machen sollte, nur weil die Situation in anderlei Hinsicht kritisch ist, wäre das meines Erachtens mehr als kurzsichtig, falsch und verantwortungslos.“

Ruppel sieht in dem Text des Papstes ein „mächtiges Schreibstück“ – und er sieht auch, dass wie Barack Obama unlängst bei der Konferenz in Alaska klar machte: Der Klimawandel ist bereits jetzt hier. Es drohen versunkene Länder, verlassene Städte, ausbleibende Ernten, Lebensmittelknappheit, Flüchtlingsströme und Konflikte. In Afrika sei das bereits äußerst deutlich:

„Die drei wesentlichen Faktoren sind Ernährungssicherheit, Wassermangel und Dürre. In Subsahara-Afrika sind ganz deutliche Veränderungsprozesse nachzuvollziehen. Die Menschen leiden bereits unter dem Klimawandel, die Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser teilweise, Hunger ist natürlich ein Faktor, der ohnehin sehr stark in Afrika ausgeprägt ist. Und das wird alles durch den Klimawandel verschärft. Der Klimawandel hat auch Einfluss auf Konfliktsituationen, wo Leute durch klimatische Veränderungen migrieren müssen. Wir reden von Klimamigrationsfragen, ein Thema, mit dem ich mich in den letzten Jahren vertieft auch aus rechtlicher Sicht beschäftigt habe, wo die Weltgemeinschaft einfach bislang nicht das notwendige Zeichen von Verantwortung übernimmt, das den afrikanischen Kontinent betrifft. Die Meeresspiegel steigen an, aus den ländlichen Gegenden müssen die Leute in die Stadt ziehen, aus den Städten, die meisten am Meer sich befinden, ist der Anstieg des Meeresspiegels schon spürbar. Die Gewässererwärmung in den Küstengewässern ist auch spürbar. Ich könnte noch weitermachen, aber ich denke, das sind die wesentlichen Faktoren -Ernährungssicherheit, Wassermangel und Dürre.“

Es gebe keine Zweifel, verdeutlicht der Klimagipfelteilnehmer. Der Klimawandel ist angekommen und wenn wir die Zukunft und den Planeten retten wollen, dann müssen wir, die Klimadiplomaten, die Politik und jeder Einzelne jetzt handeln, denn es gehe um unser Gemeinschaftsgut. Genau das fordere auch „Laudato Si“:

„Was meines Erachtens ein ganz wesentliches Merkmal von „Laudato Si“ ist, dass an die Verantwortung appelliert wird, dieser Verantwortung kann und sollte sich niemand entziehen können. Und diese globale und soziale Verantwortung würde ich mir wünschen, das nicht nur in einem Themengebiet, sondern in der Gesamtheit in den Weltklimaverhandlungen diesmal ganz stark im Vordergrund steht, dass das Gemeinschaftsgut Klima, dass das Gemeinschaftsgut Atmosphäre einfach nicht verhandelbar ist, zu dem Ausmaß wie das in den letzten Jahren in doch sehr unbefriedigender Weise passiert ist, sondern, dass man ganz konkrete Schritte nimmt, die Verbindlichkeitscharakter haben und die einfach die internationale Politik in die Richtung weisen, die sein muss, damit nationale Regierungen auch auf nationaler Ebene die entsprechenden Vorkehrungen treffen können, um die Menschen zu schützen. Klima ist ein globales Phänomen, das kann nicht einseitig nur angegangen werden, deswegen die Verantwortung, insbesondere des Verursachers des Klimawandels, die Verantwortung, was die Verteilungsgerechtigkeit der negativen Auswirkungen betrifft. Klimawandel als Menschenrecht der Armen auch zu sehen ist meines Erachtens die Message, das COP 21 prägen müsste, damit die verbindlichen Zugeständnisse gemacht werden, die unumgänglich sind, wenn man das vernünftig betrachtet.“

(rv 03.09.2015 no)








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