2015-08-07 11:53:00

D: „Gott kann Youtube"


Youtube – da denken manche vielleicht noch an Musikvideos und Amateurfilme aus dem eigenen Hausgarten. Aber das Medium ist schon lange nicht mehr ein reiner Unterhaltungskanal. Hier werden junge Nutzer zu gesellschaftlichen Akteuren. In eigens eingerichteten Youtube-Kanälen machen sie ihre eigenen Videos, in denen sie über Gott und die Welt sprechen. Von Schminktipps über Schulaufgaben und Aufklärungsvideos über die Machenschaften von Großunternehmen – hier werden praktisch alle gesellschaftlichen Themen behandelt. Bei den sogenannten Videodays, dem größten europäischen Treffen von Youtubern, das am Freitag und Samstag in Köln stattfinden, gibt es nun auch einen Wettbewerb zum Thema Glauben.

Sie sind mittlerweile regelrechte Stars. Wenn am Freitag und Samstag in Köln hunderte YouTuber zusammentreffen, um sich über ihre Vermarktung und Produktionstechniken auszutauschen, dann sind mit Sicherheit auch Tausende ihrer Fans dabei. Die YouTuber sind Menschen wie du und ich, die sich auf dem Videokanal ein Profil mit Künstlernamen erstellen und Dinge aus dem Alltag, Politik und Gesellschaft erklären oder einfach eine witzige Idee zu einem Sketch haben. Neu an dem diesjährigen Treffen ist ein Video-Wettbewerb zum Thema „Glaube, Liebe Hoffnung“. Hier können die Teilnehmer Videos selbst produzieren und über ihr Verständnis von Glaube sprechen. Wie das zusammenpasst mit Schminkvideos und Comedyeinlagen auf Youtube? Video-Days-Veranstalter Christoph Krachten findet: sehr gut. Er meint, den Jugendlichen werde oft zu Unrecht unterstellt, sie wollten nur Spaß.

„Das ist eigentlich ein großer Irrtum, das stimmt nicht – im Gegenteil. Diese Generation, die wir zurzeit haben ist sehr wohl deutlich daran interessiert: Was passiert in der Welt? Wo stehe ich und wie will ich mich einordnen? Deshalb fanden wir von den Videodays dieses Thema für einen Videowettbewerb super spannend. Weil hier die jungen Menschen aufgefordert werden, diese Fragen in Videos umzusetzen. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, gibt es sehr viele hochwertige Einreichungen. Das zeigt, dass dieser Wettbewerb exakt ins Schwarze getroffen hat und diese Generation bei einem der Themen abgeholt hat, das sie sehr beschäftigt.“

Das Thema Glaube spielt auf diesen Kanälen bisher eine untergeordnete Rolle. Dabei ist die Reichweite eines Youtube-Kanals mittlerweile enorm. Das zeigt nicht zuletzt der explosionsartige Erfolg der Videodays: Waren es beim ersten Treffen 2010 noch 400 Besucher, kamen 2014 rund 15.000. In diesem Jahr werden die Tage gleich in zwei Städten ausgetragen: In Köln und Berlin. Grund genug auch für die Kirche, stärker auf Youtube und das neue Massenmedium Online zu setzen. Christoph Krachten, selbst YouTube-Experte, erklärt, worauf es dabei ankommt:

„Es reicht nicht zu sagen: Ich möchte jetzt das transportieren. Wie mache ich das denn aus meiner Perspektive am besten? Das ist der falsche Weg. Sondern man muss die Perspektive des Zuschauers einnehmen. Wo sind diese Zuschauer, wenn sie meine Videos sehen? In welcher Welt findet das statt? Erst dann, wenn ich das alles überlegt habe, kann ich auch meine Zuschauer erreichen.“

Eine Schwierigkeit beim Einstieg in die Youtube-Welt ist nach Ansicht von Krachten eine Wand zwischen den Generationen. Die Älteren wüssten oft gar nicht, was die Jüngeren da machten. Aber nicht nur die klassischen Institutionen und die Kirche stehen vor der Herausforderung, neu auf die junge Generation zuzugehen. Auch die klassischen Medien müssen sich nach Krachtens Meinung neu orientieren.

„Es ist natürlich wahnsinnig schwierig. Wir sehen das ja anhand von Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehanstalten, die es zum Teil vergeblich versuchen. Aber es gibt auch immer mehr Beispiele, wo man merkt: Die Produktionsfirmen und Fernsehsender verstehen langsam, wie sie ihr Publikum erreichen. Das wird sicher ein langer Weg sein. Und sicher wird dieser Weg auch die Kirche wiederum beeinflussen. Es werden von dieser Generation sehr viele Fragen gestellt. Und das sind auch berechtigte Fragen. Und ich glaube, die Kirche muss in einen intensiven Dialog treten. Es sind soziale Medien, mit denen sie da umgeht. Das heißt, es geht um Austausch und Kommunikation. Und das kann keine Einweg-Kommunikation sein.“

Ein neuer Ansatz der katholischen Kirche für ihren Austausch mit den Gläubigen ist die Familienumfrage, die der Vatikan mit Blick auf die Bischofssynode durchgeführt hat. Youtube-Experte Krachten sieht die Kirche da auf  dem richtigen Weg. Er ist auch der Ansicht, dass sich die Kirche bei gesellschaftlichen Themen wie Flüchtlingen und Umweltschutz Gehör verschaffen muss. Junge Menschen legten aber insbesondere Wert darauf, dass es Taten gebe – nicht nur Worte.

„Die Menschen wollen etwas verändern. Sie wollen gegen Armut, Umweltverschmutzung handeln und etwas tun gegen den übermäßigen Verbrauch der Ressourcen. Sie sind ja auch ganz konkret betroffen. Im Moment leben wir auf Kosten der nachwachsenden Generation. Es ist für sie überlebenswichtig, etwas zu tun. Wer, wenn nicht die Kirche, kann dazu etwas beitragen! Sie muss da aktiv werden. Das ist ihre Aufgabe.“

Ihr gesellschaftliches Engagement könnte die Kirche noch stärker in die Öffentlichkeit tragen - etwa mit Youtube-Videos, findet Krachten. Seiner Überzeugung nach haben gerade Katholiken ein Talent für die mediale Inszenierung. 

„Das ist das, was Katholiken besonders gut können. Wenn man sich in Deutschland mal die Riege der Showmaster anschaut: Ganz viele von denen, etwa Harald Schmidt, waren Messdiener. Warum sollen diese Messdiener nur Fernsehsendungen und Youtube-Kanäle moderieren? Warum sollen sie nicht auch Botschaften verbreiten, die wichtig für die Kirche und den Glauben und für unsere Gemeinschaft sind. Also ich glaube, Gott kann Youtube. Vielleicht müssen wir noch ein bisschen warten. Aber das wird sicher kommen.“

(rv 07.08.2015 cz)








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