2015-08-05 10:48:00

Migranten in Calais: „Die Lage ist unlösbar“


Nein vieler EU-Bürger zu Migranten: Der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ ist das an diesem Mittwoch eine Titelgeschichte wert. Vor allem im französischen Calais drohe die Lage immer mehr zu eskalieren, zehn Migranten hätten in den letzten zwei Monaten das Leben verloren, die Sicherheitskräfte gingen immer schärfer gegen die Versuche von Migranten vor, in den Eurotunnel einzudringen und nach Großbritannien zu gelangen.

Emile Hennard ist Priester und Sprecher des Bistums Arras, zu dem Calais gehört. Er bestückt schon seit Jahren eine Webseite zum Flüchtlingsproblem – und sagt zu den neuesten Nachrichten aus Calais: „Für mich ist die Lage, so wie sie heute ist, schlechthin unlösbar. Alle sagen, was ihnen gerade so durch den Kopf geht, alles Mögliche; die Zahl der Migranten ist enorm, drei- bis viertausend allein in Calais. Wir reden hier nicht von Frankreich insgesamt, diese Zahl bezieht sich allein auf die Stadt Calais! Und ich könnte weitere Zahlen von Migranten aus benachbarten Städten nennen, von denen aber im Moment niemand spricht. Die Lage in Calais ist unlösbar, weil es eine Verweigerung des Dialogs gibt, eine Weigerung, die Situation zur Kenntnis zu nehmen.“

Und diese Weigerung sei keineswegs nur eine der Politik: Die Menschen in Frankreich und Europa seien im allgemeinen heute nicht bereit, andere Menschen bei sich aufzunehmen. „Vor dreißig, vierzig Jahren haben wir zwei Millionen (oder mehr) Flüchtlinge aus Algerien bei uns willkommen geheißen – heute dagegen sagen wir Nein.“ Noch vor zwanzig Jahren habe die EU die Türen für Flüchtlinge aus dem zerfallenden Jugoslawien geöffnet – unvorstellbar heute, glaubt Hennard. Über das Anschwellen der Flüchtlingszahlen brauche man sich allerdings nicht zu wundern, auch die Zahl der Kriege und Konflikte vor Europas Haustür habe ja zugenommen.

Dass der rechtsextreme „Front National“ von Marine Le Pen in Frankreich an Boden gewinnt – zeitweise führten ihn die Umfragen als stärkste Partei –, bringt der Bistumssprecher aber nicht mit dem Ausländerthema in Verbindung. „Das ist nicht der Grund für das Vordringen des „Front National“; dass diese Partei vorrückt, hängt eher damit zusammen, dass in Paris Parteienregierungen jeder Couleur ausprobiert worden sind – und alle sind gescheitert. Alle. Und auf wen setzt man in so einer Lage? Auf die einzige Partei, die man noch nicht ausprobiert hat.“

„Viele Verbände ziehen sich zurück“

Er sei sechs Jahre lang Pfarrer in einer Stadt gewesen, in der binnen kurzer Zeit durch den Rückgang des Kohleabbaus Zehntausende von Arbeitsplätzen verlorengegangen seien. „Das ist ein Versagen vor der Zukunft, darum haben die Menschen bei Marine Le Pen Zuflucht gesucht. Den Franzosen brennt nicht in erster Linie das Migrantenthema unter den Nägeln, sondern die Zukunft ihrer Kinder!“

Zurück zu den Migranten in Calais: Am Engagement vieler Katholiken, vieler Privatpersonen für die Flüchtenden habe es bisher nicht gefehlt, so Hennard. „Kleider sammeln, Pakete packen, die Migranten empfangen – zum Beispiel mal an einem Samstagabend 500 Menschen. Und natürlich Nahrungsmittel verteilen.“ Aber die Hilfe werde immer weniger. „Viele Verbände ziehen sich zurück. Belle Etoile hat aufgehört, Salam und der Secours Catholique stehen kurz vor dem Aufgeben, denn sie sagen sich: Angesichts dieser Menschenmenge ist das keine Angelegenheit für Einzelne oder ein paar Gruppen mehr, sondern eine staatliche Aufgabe!“ Der Ball liegt also, wieder mal und immer noch, im Feld der Politik.

(rv 05.08.2015 sk)








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