2015-07-31 14:25:00

Deutscher Ethikrat: Organspende – ja oder nein?


Organspende – ja oder nein? Kann ich mit meinen Organen vielleicht anderen Menschen das Leben retten, wenn ich die Organe nicht mehr brauche? Und ab wann ist mein Körper bereit für eine Organspende? Wer entscheidet wann mein Körper dafür bereit ist? Fragen, die man sich oft nicht mehr rechtzeitig stellen kann. Das sollte man aber, denn das dramatische ist, wenn die Entscheidung an den Angehörigen hängen bleibt, erklärt Weihbischof Anton Losinger, Mitglied des Deutschen Ethikrates im Gespräch mit Radio Vatikan. Die deutschen Bischöfe haben diese Woche in Bonn eine „Orientierungshilfe“ diesbezüglich veröffentlicht. Sie machen sich stark für die Organspende an sich und halten an dem umstrittenen Kriterium des Hirntodes als zuverlässiges Kriterium für den Tod des Menschen fest. Das Dokument der Deutschen Bischofskonferenz greife drei wesentliche Punkte auf, die sich mit der Expertise des deutschen Ethikrates decken, so der Augsburger Weihbischof Losinger.

„Das Erste: Das Organspende auch in der Novellierung des Transplantationsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland, wo wir ja inzwischen eine Entscheidungslösung als ein Ergebnis haben, absolut freiwillig sein soll. Eine Spende ist nur Spende, wenn sie frei ist. Das Zweite: Die Bischöfe halten fest, an einer grundsätzlichen Organspende als einen Akt der mitbrüderlichen und mitfühlenden Nächstenliebe zur möglichen Rettung des Lebens eines anderen Menschen sieht. Und drittens: Die absolute Voraussetzung für die Spendung eines lebenswichtiges Organs ist die Feststellung des sicheren Todes des Spenders. Sie erinnern sich, Papst Benedikt XVI. hat diese starke Kriterium geprägt: Ex-Cadavere. (Anm. Red.: Dass Organe nur vom toten Leichnam entnommen werden dürften). Deswegen ist das Kriterium des Hirntodes ein wichtiges und leitendes Kriterium dieses Dokument der deutschen Bischöfe.“

Der Hirntod, der den Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen umfasst, sei das beste und sicherste Kriterium für den Tod eines Menschen, heißt es in der 30-seitigen Stellungnahme der Bischöfe. Schwer zu fassen, sei das natürlich, weiß auch Weihbischof Losinger aus seiner Erfahrung als Priester.

„Wenn Angehörige da rein kommen, den Besuch machen und der Arzt teilt ihnen mit. Ihr Sohn, der z.B. Motorradfahrer war, hat einen schweren Hirntrauma-Schaden und ist tot, dann sehen die einen Menschen, der künstlich beatmet und am Leben gehalten wird, wo der Brustkorb sich senkt und hebt, wo der Körper warm ist, die können das wirklich nicht verifizieren, dass ein solcher Mensch tot ist.“

Die Feststellung sei deswegen so schwierig, weil es bei Menschen, in so einer Situation die auf der Intensivstation sind, auch für die Ärzte problematisch ist, eine sichere Auskunft zu geben.

„Und hier sind wir, wenn wir den Eintritt des Zeitpunkts des Todes als ein wirkliches existenzielles Kriterium für die Möglichkeit einer Organspende sehen, darauf angewiesen, dass wir sichere naturwissenschaftliche Erkenntnisse haben. Und im Moment muss man sagen, ist die medizinische Forschung und das deckt sich auch mit den Richtlinien der Bundesärztekammer in der Bundesrepublik mit dem Hirntodkriterium als dem derzeit sichersten Kriterium als Eintritts des Todes eines Menschen.“

Die Entnahme eines lebenswichtigen Organs aus dem Körper eines Menschen, der nicht tot ist, das wäre entweder Todschlag oder im schwierigen Fall Mord. Dieses Kriterium ist also wichtig für die Post-Mortem Spende.

„Zusammen mit der Bundesärztekammer und auch mit dem deutschen Ethikrat wird unter dem Hirntod verstanden: Der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen und zwar in allen Hirnbereichen vom Stammhirn bis hin zum Kortex und das muss entsprechend den Kriterien der Bundesärztekammer in einer mehrfach Zeit versetzten Messung durch dazu befähigte Ärzte nachgewiesen werden.“

Die Basis dieser ganzen Entscheidung einer Organspende ist jedoch der Freiheitsaspekt, so der Weihbischof. Die Entscheidung ob ein Organ gespendet werden soll oder nicht soll absolut frei entschieden werden – das ist auch so in Deutschland.

„Wir haben in Europa unterschiedliche Strukturen. In der Bundesrepublik galt für lange Zeit zunächst die erweiterte Zustimmungslösung für die Spende eines Organs. Das heißt nur der ist Organspender, der einen Organspende-Ausweis unterzeichnet hat. In anderen Ländern wie Österreich, Spanien, USA – galt die Widerspruchslösung. Das heißt jeder ist prinzipiell Organspender außer dem, der ausdrücklich und schriftlich widerspricht. In Deutschland haben wir nach der Novellierung des Transplantationsgesetzes inzwischen die sogenannte Zustimmungs- oder Entscheidungslösung. Jeden Bundesbürger, der Erwachsen ist bekommt von seiner Krankenkasse eine Belehrung oder ein Organspende-Ausweis zugeschickt, wo er entweder ja oder nein und bis zu einem bestimmten Bereich auch die Organe bestimmen könne, die er spenden möchte. Ich meine, dass das ein ganz entscheidendes Kriterium ist. Jeder Mensch muss die Freiheit haben zu einer persönlichen Haltung zu einer Organspende zu kommen. Nicht fair, wäre es wenn man nichts ankreuzt, denn dann würde die Entscheidung einfach auf die Angehörigen überwälzt.“

Seit dem letzten Jahrzehnt sind für die Kirche „Organspenden“ ein Akt besonders „hochherziger Nächstenliebe“, erklärt der Weihbischof, denn es können Menschenleben gerettet werden und Menschen von schweren Krankheitssymptomen befreit werden. Für Weihbischof Losinger soll jeder, der sich in dieser Freiheit sieht Organspender sein, aber wenn jemand große Zweifel hat in Bezug auf die Hirntodsituation, dann möge er es nicht tun.

„Als Ethiker ist für mich wichtig, dass wir in eine solche ethische Entscheidung der Bereitschaft zu Organspende sämtliche gesicherte Erkenntnisse der Medizin integrieren müssen und hier würde ich sagen, ist die Hirntoddiagnostik derzeit das beste und sicherste Kriterium des Eintritt des Todes eines Menschen.“

In anderen Ländern werde zum Beispiel der Herz-Kreislaufstillstand als ein solches Kriterium eingeführt, das der Non-heartbeating –Doners, zweifle Weihbischof Losinger an. Hier unterscheiden sich von Land zu Land die Zeiten vom Eintritt bis zur Entnahme: 5 Minuten in Oregon, bis hin zu 20 bis 30 Minuten in der Schweiz oder in den Benelux-Staaten. Dieses Kriterium werde eindeutig von der Bischofskonferenz und auch vom deutschen Ethikrat abgelehnt, so Weihbischof Anton Losinger.

(rv 31.07.2015 no)








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