2015-07-12 10:25:00

Franziskus: Nein zu götzendienerischem Wirtschaftsmodell!


Nein zu Ideologien, ja zu einem Fortschritt mit menschlichem Antlitz! Das war der Tenor einer Rede, mit der sich Papst Franziskus am Samstagnachmittag (Ortszeit) in der Hauptstadt Asunción an Vertreter von Staat und Gesellschaft Paraguays gewandt hat. Das Treffen war lockerer als vergleichbare Termine in den anderen Hauptstädten Lateinamerikas, die der Papst zuvor besucht hat; trotzdem sprach Franziskus ein sehr deutliches Nein zu Diktaturen, wie sie auch Paraguay in seiner Geschichte mehrfach erlebt hat. Und in Anwesenheit von Staatspräsident Horacio Cartes, der zu den reichsten Unternehmern des Landes zählt, forderte er auch eine Abkehr vom reinen Profitdenken.

Großer Bahnhof für Franziskus: Ein Kinderorchester spielte auf Instrumenten aus recyceltem Müll, Tänzer führten Laudato si´ auf. Der Papst ließ sich auf ein Frage-Antwort-Spiel ein; einem Jugendlichen schrieb er ins Stammbuch, dass „Glück und Vergnügen nicht gleichbedeutend“ seien und dass junge Leute nicht „wie Betäubte durchs Leben gehen“ sollten. Stattdessen sei der Einsatz für Geschwisterlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Würde ihre Hauptaufgabe. „Allerdings gibt es die Gefahr, dass das ... reines Lippenbekenntnis bleibt. Nein! Geschwisterlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Würde sind konkret, sonst nutzen sie nichts! Sie sind alltäglich! Man macht sie täglich! Darum frage ich euch, junge Leute, wie setzt ihr diese Ideale täglich im Konkreten um? ... Ich gestehe, dass mich da manchmal eine gewisse Allergie befällt, ... wenn ich große Reden schwingen höre mit all diesen Worten darin und daran denke, wer da spricht: ‚Was für ein Lügner!’“

„Möge es keine Menschen zweiter Klasse geben“

Eine Frage nach dem Dialog nutzte der Heilige Vater, um vor einem „Dialog-Theater“ zu warnen: „Das heißt, wir tun so, als führten wir Dialog, wir spielen Dialog, und dann reden wir hinterher unter vier Augen, und das Ganze ist gelöscht. Der Dialog findet am Tisch statt! Wenn ihr im Dialog nicht sagt, was ihr wirklich denkt und fühlt, und nicht dem anderen zuhört und dabei bereit seid, euer Denken zu ändern, dann bringt der Dialog nichts, dann ist er nur ein hübsches Gemälde!“ Natürlich sei Dialog „nicht einfach“, aber Konflikten auszuweichen, bringe nichts, im Gegenteil, es gelte sie frontal anzugehen und durchzuhalten, nur so öffne sich der Weg zu einer Lösung. „Wenn jemand meint, dass es Personen, Kulturen, Situationen zweiter, dritter oder vierter Klasse gibt, wird etwas sicher schlecht ausgehen, denn es fehlt ihm einfach das Minimum, die Anerkennung der Würde des anderen. Möge es keine Menschen zweiter, dritter oder vierter Klasse geben: Alle sind auf einer Linie!“

Womit der „Papst der Armen“ bei einem seiner Herzensanliegen war, nämlich dem Einsatz für die Armen. Das war auch der Moment zu seiner Ideologien-Schelte. „Ein grundlegender Aspekt, um die Armen zu fördern, liegt in der Art und Weise, wie wir sie sehen. Nicht dienlich ist eine ideologische Sichtweise, die sie am Ende zugunsten anderer politischer oder persönlicher Interessen gebraucht (vgl. Evangelii gaudium 199). Ideologien gehen schlecht aus, sie nützen nichts. Ideologien haben eine unvollständige oder kranke oder schlechte Beziehung zum Volk. Sie nehmen das Volk nicht wirklich wahr. Denken Sie an das letzte Jahrhundert! Wohin münden die Ideologien? In Diktaturen: immer! Sie denken für das Volk, sie lassen nicht das Volk selbst denken... Alles für das Volk, aber nichts mit dem Volk – das sind die Ideologien.“

„Nein zu einem götzendienerischen Wirtschaftsmodell“

Um tatsächlich „das Wohl der Armen zu suchen“, müsse man „zuallererst eine wirkliche Sorge um ihre Person haben“, so Papst Franziskus, müsse man auch „bereit sein, von ihnen zu lernen“. Die Armen hätten uns „in Bezug auf Menschlichkeit, Güte und Opfer viel zu lehren“. Sprach’s und holte erneut, wie schon mehrfach auf dieser Lateinamerika-Reise, zu einer heftigen Kritik am heutigen Wirtschaftssystem aus: „Sicher ist es für ein Land sehr notwendig, für Wirtschaftswachstum und Wohlstand zu sorgen und dafür, dass dies alle Bürger erreicht, ohne dass irgendjemand davon ausgeschlossen bleibt. Die Schaffung dieses Wohlstands muss immer auf das Gemeinwohl ausgerichtet sein und nicht auf das einiger weniger. Und in diesem Punkt muss Klarheit herrschen! „Die Anbetung des antiken goldenen Kalbs (vgl. Ex 32,1-35) hat eine neue und erbarmungslose Form gefunden im Fetischismus des Geldes und in der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht“ (Evangelii gaudium 55). Die Personen, die berufen sind, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, haben die Aufgabe, darüber zu wachen, dass dies immer ein menschliches Gesicht hat. Der wirtschaftliche Fortschritt muss ein menschliches Antlitz haben! Nein zur Wirtschaft ohne Gesicht!“

Und Nein, so fuhr der Papst fort, zu einem „götzendienerischen Wirtschaftsmodell, das es nötig hat, auf dem Altar des Geldes und der Rentabilität Menschenleben zu opfern“. Wie ein Gegenmodell aussehen könnte, skizzierte er mit einem Verweis auf die berühmten Jesuiten-Reduktionen Paraguays; Missionare des Ordens, dem auch Franziskus angehört, lebten in den Reduktionen von Anfang des 17. Jahrhunderts bis zu ihrer Vertreibung durch die Spanier 1767 mit der Urbevölkerung des Landes zusammen. „In ihnen war das Evangelium die Seele und das Leben der Gemeinschaften, in denen es weder Hunger, noch Arbeitslosigkeit, noch Analphabetismus noch Unterdrückung gab. Diese historische Erfahrung lehrt uns, dass eine menschlichere Gesellschaft auch heute möglich ist... Sie ist möglich! Wenn Liebe zum Menschen vorhanden ist und der Wille, ihm zu dienen, ist es möglich, Bedingungen zu schaffen, so dass alle Zugang zu den notwendigen Gütern erhalten, ohne dass irgendjemand ausgesondert wird...“

(rv 12.07.2015 sk)








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