2015-07-07 12:04:00

Griechenland: Caritas-Chef befürchtet Unruhen


Caritasdirektor Antonio Voutsinos befürchtet „schwere soziale Spannungen und Unruhen“ aufgrund der Bankensperre. Das Nein beim Referendum am Sonntag dürfe nicht als Nein zur EU verstanden werden, sondern als Nein zu den Austeritäts-Vorgaben der Institutionen, sagte er am Dienstag einer Nachrichtenagentur.

Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Griechenlands, Fragkiskos Papamanolis, übte derweil scharfe Kritik an dem Referendum. Ministerpräsident Alexis Tsipras habe sich als „inkompetent“ erwiesen. Die von ihm vorgelegte Fragestellung sei nämlich für fast alle unverständlich und unklar gewesen. Bei einer klaren Fragestellung – „Wollt ihr Europa, wollt ihr den Euro?“- wäre ein völlig anderes Ergebnis herausgekommen.             

Griechenlands Banken steht jetzt das Wasser bis zum Hals. Seit einer Woche sind sie geschlossen, und sie werden das auch mindestens bis Donnerstag bleiben. Nur dank Notkrediten der Europäischen Zentralbank (EZB) sind die Geldhäuser überhaupt noch flüssig und können die Bankomaten nachfüllen. Die EZB beschloss am Montag, die Notkredite vorerst zu verlängern. Allerdings werden sie nicht aufgestockt, sondern auf dem aktuellen Niveau belassen. Die Griechen dürfen derzeit pro Tag maximal 60 Euro abheben, was sich auf 200 bis 400 Millionen Euro täglich summiert. Lange reichen die Reserven aber auch dafür nicht mehr. Noch diese Woche könnte das Bargeld ausgehen, am 20. Juli könnte das gesamte griechische Bankensystems zusammenbrechen, falls nicht 3 Milliarden Euro an die EZB zurückgezahlt werden. Griechenland bliebe dann nur der Ausstieg aus dem Euro.

Caritas wird helfen

Die europäischen Caritas-Netzwerke sind deshalb auf eine humanitäre Krise in Griechenland vorbereitet. Falls eine soziale Krise nicht abzuwenden sei, werde die Caritas den Menschen in Griechenland helfen, sagte der Generalsekretär der Caritas-Europa, Jorge Nuno-Mayer, am Montag in Brüssel. Nuno-Mayer forderte die Verhandlungsführer auf, bei dem Sondergipfel zu Griechenland am Dienstag in Brüssel das Leiden der Menschen nicht zu vergessen. „Mehr Armut, besonders von Kindern; mehr Arbeitslosigkeit, besonders von Jugendlichen; eine gestohlene Zukunft; es ist für viele nicht mehr auszuhalten“, sagte er. Die Sparprogramme der vergangenen Jahre hätten weder dazu geführt, dass Arbeitsplätze geschaffen wurden, noch hätten sie mehr Wachstum erreicht.

Es sei höchste Zeit, die Menschen in Griechenland und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen. Ziel müsse ein ganzheitliches europäisches Projekt mit und für Griechenland sein, so Nuno-Mayer. Die EU müsse einen Solidaritätsansatz finden, bei dem es nicht nur um Geldtransfer gehe. Ein erster positiver Schritt sei, dass die Politiker am Sonntag erstmals auch die Menschen in Not angesprochen hätten. Es bleibe zu hoffen, dass in den weiteren Verhandlungen die Themen Arbeit, Erziehung, Soziales und Gesundheit eine stärkere Rolle spielen würden.

Ungeachtet der katastrophalen wirtschaftlich-sozialen Lage in Griechenland nimmt sich der orthodoxe Bischof von Katerini am Olymp, Georgios Chrysostomou, noch ärmerer Menschen aus Nahost an: Auf seine Einladung verbringen fünfzig Palästinenserkinder und Jugendliche im Juli Erholungsferien am Meer und im Kloster zum Hagios Dionysios hoch am Götterberg der alten Griechen. Sie stammen aus dem Gazastreifen, Jerusalem und dem Westjordanland sowie aus Flüchtlingslagern in Jordanien. Die meisten der jungen Gäste von Metropolit Georgios sind arabischsprachige orthodoxe Christen, doch finden sich unter ihnen auch Muslime aus ihrem Freundeskreis. Sie alle werden von der „Orthodoxen Jugend“ der Diözese Katerini betreut. Wie Metropolit Georgios bei der Begrüßung der Jugendlichen unter Hinweis auf die Lage in Griechenland unterstrich, könne „niemand so in Not sein, um nicht noch Bedürftigeren zu helfen“.

„Arme dürfen nicht unter die Räder kommen“

Es ist „moralisch und auch politisch in keiner Weise vertretbar“, dass in der gegenwärtigen Griechenlandkrise die sozial Schwachen, die Alten und Kranken „unter die Räder kommen“ und die Mittelschicht „an den Rand des finanziellen Kollaps gerät“: Das hat die Wiener Theologin und Sozialethikerin Ingeborg Gabriel am Montag in einem Blogeintrag auf katholisch.at unterstrichen. Die Arbeitslosenrate in Griechenland liege bei mehr als 25 Prozent, sogar sechzig Prozent der Jugendlichen sei betroffen; die Mehrheit der Bevölkerung verfüge über keine Gesundheitsvorsorge mehr, schilderte Gabriel die dramatischen Folgen der Krise.

Für Europa gehe es nun darum, „sich geduldig vom Abgrund zurück zu bewegen, auch wenn das schwer ist“. Wichtig sei eine Politik, die im Sinne von Max Weber mit dem „Bohren von harten Brettern mit Geduld und Augenmaß“ verglichen werden kann. An weiteren Verhandlungen führt laut der Ordinaria am Institut für Sozialethik an der Uni Wien kein Weg vorbei, deren Scheitern „wäre trotz allem langfristig die um vieles schlechtere Option für Europa“. Leidende Menschen bräuchten „in jedem Fall unsere Solidarität“, ein weitsichtiger und mutiger Plan für die EU unter Bewahrung der sozialen Seite der Marktwirtschaft sei aber auch notwendig, um ähnliche Szenarien in anderen Ländern zu vermeiden.

Gabriel kritisierte erneut die Austeritätspolitik der EU unter der Führung Deutschlands. Das Eingeständnis von schweren Fehlern müsse aber auch der griechischen Regierung abverlangt werden. Das Kabinett Tsipras habe vor dem Referendum wiederholt versichert, es gehe um ein besseres Standing in Brüssel. „Die Griechen glauben zu machen, dass ein 'Nein' die Verhandlungsposition verbessert, grenzt an Realitätsverweigerung und Verantwortungslosigkeit“, so Gabriel. Der „zusammengewürfelten Protestpartei“ Syriza wirft sie einen „erratischen Zickzackkurs“ vor.

(kap 07.07.2015 sk)








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