2015-07-03 08:27:00

Klimaexperte: Ansätze der Umwelt-Enzyklika weiterdenken


Klimaschutz und Armutsbekämpfung müssen Hand in Hand gehen. Das ist eine der Hauptaussagen der Enzyklika „Laudato si‘“ von Papst Franziskus zum Thema Umwelt. Und es ist ein Imperativ – denn einen anderen Ansatz kann sich die Welt heute schlichtweg nicht mehr leisten, sagt im Interview mit Radio Vatikan Ottmar Edenhofer, Professor für Ökonomie des Klimawandels an der TU Berlin und Mitglied im Weltklimarat (IPCC).

„Das wäre aus meiner Sicht die wichtigste Aufgabe, die uns diese Enzyklika stellt: Wege zu finden, kreativ darüber nachzudenken, wie diese beiden Aspekte zusammengehen. Denn die Aussage mancher Experten, die sagen, erst Armut bekämpfen, dann Klima schützen – das wird eben nicht funktionieren. Wir müssen beides gleichzeitig machen! Wenn wir in dem einen Bereich versagen, haben wir auch in dem anderen Bereich versagt und verspielen im Grunde genommen das Ganze.“

CO2-Steuer einführen, um nachhaltige Energiewirtschaft zu finanzieren

Edenhofer ist Teilnehmer einer internationalen Klimakonferenz in Rom, die der Päpstliche Friedensrat und die internationale Allianz katholischer Entwicklungsorganisationen (CIDSE) an diesem Donnerstag und Freitag in Rom organisieren. Konkrete Ansätze, um Klimaschutz und Armutsbekämpfung zu verbinden, gibt es bereits, so der Experte. Ein Stichwort hier ist der Umgang mit CO2-Emissionen.

„Der Papst sagt ja in seiner Enzyklika im berühmten Abschnitt Nummer 23, das Klima sei ein globales Gemeinschaftsgut. Warum ist es das? Weil die Atmosphäre nur noch eine ganz begrenzte Menge an CO2 aufnehmen kann. Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen, sind es noch tausend Gigatonnen. Das würde heißen, bei heutigem Emissionsausstoß sind die tausend Gigatonnen in drei, vier Dekaden verbraucht. Also ist das in der Tat ein Zeitproblem. Wenn aber die Atmosphäre knapp ist, kann man CO2 bepreisen! Das kann man zum Beispiel machen durch eine CO2-Steuer, und die Einnahmen aus dieser Steuer kann man eben dann verwenden dafür, dass man in die sogenannten ,Sustainable Development Goals‘ investiert. Das wäre ein Weg, wie man Klimaschutz und Armutsbekämpfung miteinander verbinden kann.“

Kohlerenaissance abwenden

Eine spürbare und verbindliche Reduktion des weltweiten CO2-Ausstoßes ist eines der Ziele, die sich die Klimakonferenz von Paris COP21 gesetzt hat, die Ende November startet. Paris sei „ein erster Schritt“, so Edenhofer. Dass der Gipfel aber die erhoffte Klimawende bringen wird, glaubt er nicht. Der Weg zu einem effektiven Klimaschutz sei „noch sehr, sehr weit“, vermutet der Wissenschaftler, weltweit gebe es derzeit sogar einige Tendenzen, die völlig in die andere Richtung gingen:

„Was wir international beobachten ist ja, dass wir uns im Augenblick inmitten der größten Kohlerenaissance befinden! Und diese Kohlerenaissance ist nicht nur ein Thema Chinas und Indiens, sondern das sehen wir auch bei den kleineren asiatischen Staaten wie zum Beispiel in Vietnam. Und was wir mit größter Sorge beobachten ist, dass jetzt auch im großen Maßstab in Afrika Kohlekraftwerke gebaut werden, weil eben Kohle sehr, sehr billig ist und von vielen Staaten als ein wichtiger Beitrag empfunden wird zu billiger Energie und zu künftigem Wirtschaftswachstum. Die Menschheit steht jetzt – damit meine ich das Jahr 2015 – an einem Scheideweg. Und es muss jetzt ein effektiver Einstieg in einen Klimaschutz gefunden werden, weil sonst eben viele Länder in Afrika Kohlekraftwerke bauen werden, die eine Lebenszeit von 30, 40 Jahren haben, und es wird dann sehr schwer werden, die Emissionen abzusenken.“

Unter dem Klimawandel leiden vor allem die armen Länder der Welt, die ihn nicht maßgeblich verursacht haben. Auch das arbeitet Franziskus‘ Lehrschreiben heraus. Die freiwilligen Selbstverpflichtungen der größten Umweltsünder haben bisher wenig gebracht. Wären hier nicht endlich auch einmal Sanktionen sinnvoll?, will Radio Vatikan von dem Professor wissen. Edenhofer kommt noch einmal auf die Vorteile einer möglichen CO2-Steuer zu sprechen:

„Aus meiner Sicht muss es in der Tat so etwas geben wie Sanktionen – aber CO2-Preise oder eine CO2-Steuer hat ja drei Funktionen: Sie bestraft im Grunde genommen die Nutzung von fossilen Energieträgern, vor allem von Kohle, weil das der CO2-intensivste ist, sie fördert die CO2-freien Technologien, vor allem die erneuerbaren, und mit den Einnahmen kann man eben in Armutsbekämpfung investieren. Und was man nicht vergessen sollte: Schon allein durch die Abschaffung der Subventionen auf die fossilen Energieträger, die ja beachtlich sind, ließe sich in vielen Ländern ein universeller Zugang zu sauberem Wasser, zu Sanitäranlagen, zu Mobiltelefonen, zu Straßen finanzieren – alles Investitionen, die vor allem den Armen zugutekämen.“

Enzyklika schlug in Wissenschaftswelt hohe Wellen

Der deutsche Ökonom zeigt sich im Interview mit Radio Vatikan letztlich überzeugt davon, dass Papst Franziskus‘ Enzyklika die internationalen Klima-Verhandlungen positiv beeinflussen könne. Der Papst habe mit seinem Schreiben weitaus mehr Menschen erreicht als erwartet, so Edenhofer. Erstaunlich etwa seien die hohen Wellen gewesen, die „Laudato si`“ in der Wissenschaftswelt geschlagen habe, so der Experte, der auch stellvertretender Direktor des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK) ist:

„So wurde ein eigenes Editorial in der wichtigsten Fachzeitschrift ,Nature‘ veröffentlicht, in der die Enzyklika und der Papst ausführlich gewürdigt wurden. Schon im Vorfeld der Enzyklika gab es in ,Science‘ – ein anderes wichtiges Journal – ein eigenes Editorial, wo der Einsatz des Papstes für nachhaltige Entwicklung gewürdigt worden ist. Das ist doch alles sehr erstaunlich! Es gab auch viele meiner Kollegen, die sich als agnostisch oder atheistisch bezeichnen würden, die Leitartikel geschrieben haben über diese Enzyklika. Und zu meinem großen Erstaunen spricht die Enzyklika in der Tat zu allen Menschen auf diesem Planeten und hat eine Sprache gefunden, die von allen sofort verstanden wird.“

Vor Hintergrund der Dringlichkeit des Themas sei die Enzyklika „zum richtigen Zeitpunkt“ gekommen und könne „die internationalen Verhandlungen“ beflügeln, zeigt sich Edenhofer zuversichtlich. Jetzt sei allerdings die Zeit gekommen, die Debatte auch weiterzutragen und konkrete Lösungsansätze zu finden, so der Experte weiter - auch innerhalb der katholischen Kirche. Ansonsten laufe man Gefahr, bei einem bloßen „Medienhype“ stehenzubleiben und das Potential des Schreibens „verpuffen“ zu lassen.

(rv 01.07.2015 pr)








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