2015-07-01 08:36:00

Papst bittet um Gebet für Griechenland


  Papst Franziskus bittet um Gebet für Griechenland. Der Papst wolle dem griechischen Volk seine Nähe bekunden, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung von Vatikansprecher Federico Lombardi. Die Nachrichten über die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes seien besorgniserregend. Franziskus denke vor allem an die vielen Familien, die von „einer sehr komplexen und leidvollen menschlichen und sozialen Krise“ schwer geprüft seien.

Zugleich ermahnt der Papst dazu, dass die Menschenwürde in allen politischen und technischen Debatten im Zentrum bleiben müsse, so Jesuitenpater Lombardi. Dies gelte ebenso für die „Annahme verantwortlicher Entscheidungen“. Franziskus rufe alle Gläubigen auf, sich dem Gebet für das Wohl des „geliebten Volkes“ anzuschließen.

Was denkt Papst Franziskus eigentlich von Griechenland und der Krise im Euro-Raum? Es ist schon auffallend, dass er sich zu diesem Thema bis zu diesem Mittwoch fast nie geäußert hat. Es sei denn, man wolle das Diktum „Diese Wirtschaft tötet“ aus seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium von 2013 jetzt auf Brüssel und Berlin beziehen.

Dabei weiß der Papst sehr genau, wie sich Krise anfühlt. 1998 schlitterte seine Heimat Argentinien in eine schwere Wirtschaftskrise, er war damals Erzbischof von Buenos Aires. Die Produktivität brach ein, Präsidenten kamen und gingen, die Regierung erklärte den Staatsbankrott und musste den Peso abwerten. Zu Beginn des Jahres 2002 blieben die Banken (wie jetzt in Griechenland) mehrere Tage zwangsweise geschlossen, aus den Automaten kam kein Geld mehr. Da hatte es schon längst fast dreißig Tote bei Demonstrationen im Zentrum von Buenos Aires gegeben; Menschen aus der Mittelklasse, die plötzlich vor dem Nichts standen, schlugen mit Suppenkellen oder Löffeln auf Kochtöpfe ein, ein ohrenbetäubender Krach als Zeichen des Protestes. Was heute Athen ist, war damals Buenos Aires. Auch der Erzbischof hörte den cacerolazo (von ‚cacerola’, Kochtopf). Die argentinischen Bischöfe mussten reagieren.

Mit dem Katechismus gegen die Krise

Aber sie schrieben keinen Hirtenbrief gegen Neoliberalismus, Auslandsschulden, Globalisierung oder die Arroganz der Elite, wie man das eigentlich hätte erwarten können. Stattdessen rieten sie den Argentiniern in einem Brief, dessen unpathetischer Stil deutlich den Einfluss von Erzbischof Jorge Mario Bergoglio verrät, jetzt doch einmal zum Katechismus, zu den Zehn Geboten und den Seligpreisungen Jesu zu greifen. Das war in dieser verzweifelten Lage eine ungewöhnliche Empfehlung. „Wir präsentieren die Botschaft des Katechismus so, wie sie ist“, erklärte Erzbischof Bergoglio damals. „Wer ihm folgt, rettet sich selbst und die anderen. Die Leiden unseres Volkes sind uns klar: Viele Kinder sind unterernährt, in den Krankenhäusern fehlt das Nötigste zur Grundversorgung der Patienten. In dieser Lage die Botschaft Jesu zu präsentieren bedeutet, den Weg zu zeigen, den er gebahnt hat. Um von Seiner Würde her Würde zu bewahren. Jeder in unserem Volk hat ein Recht darauf, dass seine Würde respektiert und nicht mit Füßen getreten wird. Die Würde einer Frau, eines Mannes, eines Kindes, eines alten Menschen mit Füßen zu treten, ist eine schwerwiegende Sünde, die zum Himmel schreit.“

Mit dem Katechismus gegen die Krise – das scheint naiv, aber es hat auch etwas Jesuitisches. In diesen Anti-Krisen-Empfehlungen blitzt die Ambivalenz auf, die zu Bergoglio-Franziskus gehört: Schlauheit und Einfachheit. Kampf für die Armen und Gottvertrauen.

Griechenland braucht „Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern“

Ansonsten ist bekannt, mit welcher Schärfe Papst Franziskus die „Vergötzung des Geldes“, ja einen „richtiggehenden Wirtschafts- und Finanzterrorismus“ verurteilt. Auch in seiner neuen Enzyklika ‚Laudato Si´’ wird er sehr deutlich. Aber lässt sich das eins zu eins auf die Griechenland-Krise übertragen? Am 5. Februar (kurz nach Amtsantritt der Regierung Tsipras in Athen) empfing der Papst im Vatikan katholische Bischöfe aus Griechenland – und in dem Redetext, den er ihnen überreichte, fällt auf, dass die scharfen Töne fehlen. Stattdessen stellte er fest, dass Griechenland „in diesem Augenblick mehr denn je den Dialog zwischen seinen verschiedenen politischen und kulturellen Komponenten braucht, um das Gemeinwohl zu schützen und zu fördern“. Und Franziskus bat die Besucher aus Griechenland: „Werdet nicht müde, angesichts der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise, die euer Land besonders hart getroffen hat, alle zum Vertrauen in die Zukunft zu ermahnen und der sogenannten ‚Kultur des Pessimismus’ entgegenzuwirken!“

Die Katholiken sind in Griechenland eine Minderheit: 140.000 von insgesamt 11,3 Millionen Einwohnern. Viele Katholiken sind Gastarbeiter oder Migranten. Dementsprechend ermunterte der Papst die Griechen, trotz der Krise weiter Offenheit für Migranten zu zeigen. Christen bezeugten „im konkreten alltäglichen Leben“ Solidarität; dieser „Geist“, diese „Perspektive der Solidarität“ sei ein „Sauerteig der Hoffnung“ für die Griechen. Das Land brauche eine „Haltung des Dialogs und der Zusammenarbeit auch mit den anderen europäischen Ländern“.

Dieser letzte Punkt zeigt, dass man Franziskus in der derzeitigen Brüsseler und Athener Gemengelage nicht einfach als Tsipras-Sympathisanten instrumentalisieren darf.

(rv 01.07.2015 sk)








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