2015-06-29 09:55:00

Homosexuelle und die Schöpfungsordnung


 Die Ehe zwischen zwei Partnern desselben Geschlechts gibt es jetzt in Irland und auch in den USA. In Irland wurde sie kürzlich per Volksentscheid eingeführt, in den USA machte das Oberste Gericht in Washington sie vor ein paar Tagen flächendeckend legal in allen Bundesstaaten. Das alles natürlich gegen den Protest der katholischen Bischöfe. Warum gibt die katholische Kirche gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht ihren Segen? Das fragte das Kölner Domradio den deutschen Theologen und Psychologen Wunibald Müller. Er leitet eine von mehreren Bistümern getragene Einrichtung für Kirchenleute, die in persönlicher oder beruflicher Krise sind. Also - warum ist der katholischen Kirche nicht egal, ob ein Mensch hetero- oder homosexuell ist?

„Weil Homosexualität nach wie vor in unserer Gesellschaft tabuisiert wird, sie immer noch etwas Fremdes ist, wir die Last mittragen, dass Homosexualität noch in den sechziger Jahren kriminalisiert und später pathologisiert wurde. Und manchmal auch, weil viele Menschen Angst haben, mit ihren eigenen homosexuellen Gefühlen in Berührung zu kommen, wenn sie das Thema zulassen. Und dann natürlich auch, weil viele innerhalb der Kirche davon ausgehen, dass die Homosexualität nicht der Schöpfungsordnung entspricht.“

Schöpfungsordnung – darüber schreibt auch Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika ‚Laudato Si´’. Die göttliche Schöpfungsordnung baut nach katholischer Überzeugung auf heterosexueller Liebe auf, weil nur beim Bund von Mann und Frau Fortpflanzung möglich ist.

„Dass die Fortpflanzung auf der heterosexuellen Liebe aufbaut, ist richtig; ob die Homosexualität damit der Schöpfungsordnung nicht entspricht, weiß ich nicht! Will die katholische Kirche in dem, was sie zur gelebter Sexualität sagt, homosexuelle Menschen ansprechen, dann muss die Sexualmoral erweitert werden. Im Grunde genommen heißt es im Moment: Nur innerhalb der Ehe ist gelebte Sexualität moralisch gut. Es schließt also alle aus, die nicht innerhalb der Ehe ihre Sexualität leben. Und das betrifft natürlich auch die Homosexuellen.“

„Nur Betrunkene halten sich an der Laterne fest“

Für Wunibald Müller müsste sich die katholische Sexualmoral „insofern ändern, dass man nicht mehr von der Heterosexualität als Norm ausgeht“. Sein Ansatz würde so lauten: „Es gibt das Potential der Sexualität, und die Aufgabe der Kirche ist es, Menschen zu helfen, in ihrem Leben und in ihren Beziehungen dieses Potential der Sexualität so zu leben, dass es zu einer Bereicherung ihres Lebens beiträgt.“

Das hört sich nicht sehr nach Katechismus an. Im Weltkatechismus der katholischen Kirche steht, dass Homosexualität der Naturordnung widerspricht. Frage an Wunibald Müller: Wie gehe ich als Katholik damit um?

„Indem ich es zur Kenntnis nehme und weiß, dass es im Moment die Lehre der Kirche ist und ich es damit nicht übergehen kann. Auf der anderen Seite ist es wichtig, davon auszugehen, dass sich auch die Lehre der Kirche entwickeln kann. Hier gilt, was Karl Rahner einmal bezogen auf die Dogmen gesagt hat: Sie sind Laternen in der Dunkelheit vergleichbar, und nur Betrunkene halten sich an ihnen fest. Die Lehre der Kirche kann wie eine Laterne in der Nacht Licht schaffen, kann Orientierung sein. Entscheiden, was ich tue, muss ich selbst.“

„Sperrigkeit in der Lehre der Kirche zur Kenntnis nehmen“

Dabei könne auch helfen, dass in der Bibel steht: ‚Gott ist die Liebe’. Und dass es Werte gibt, für die sich das Christentum schon immer stark gemacht hat, so Wunibald Müller. Dazu gehörten die Würde und die Gleichheit des Menschen. „Die Aussage, Homosexualität sei nicht in Ordnung, wird dann konfrontiert mit der Liebe und den Werten, die sich daraus ergeben. Die Spannung, die sich daraus ergibt, muss man als Kirche aushalten, will man homosexuelle Menschen in ihrer Lebenswirklichkeit, zu der auch ihre innigen Beziehungen zählen, ernstnehmen und ansprechen. Also, man muss diese Sperrigkeit in der Lehre der Kirche zur Kenntnis nehmen und sich davon herausfordern lassen - aber stets das Element der Liebe mit einbeziehen.“

Die Bibel verurteilt die praktizierte gleichgeschlechtliche Liebe mehrfach als Sünde. Doch Wunibald Müller hält dem entgegen, es sei etwas anderes, wenn die Heilige Schrift von Homosexualität spreche oder wenn wir Heutigen das täten. „Was wir heute über Homosexualität wissen - dass das eine Anlage eines Menschen ist -, dieses Verständnis gab es zu der Zeit, als die biblischen Texte verfasst worden sind, nicht! Deswegen muss man bei der Bewertung von Homosexualität und homosexueller Liebe das beachten, was die Humanwissenschaften uns sagen, vor allem aber was homosexuelle Menschen selbst von sich berichten.“

Allerdings liegt es auch nach Müllers Analyse an den biblischen Vorgaben, wenn sich die heutigen Kirchenführer so schwertun mit dem Thema Homosexualität. „Die Verantwortlichen in der Kirche verstehen die Bibel so, dass sie der Heterosexualität die Norm zuspricht. Also: Menschwerdung geschieht in der Begegnung von Mann und Frau. Jetzt schwulen und lesbischen Liebesbeziehungen den gleichen Stellenwert einzuräumen, betrachten sie als Verrat an der Bibel, auch wenn es sich bei diesen Beziehungen um treue, verbindliche, liebevolle und fürsorgliche Beziehungen handelt.“

„Ein nächster Schritt wäre die Segnung“

Wunibald Müller hat den Eindruck, dass der Anteil von Homosexuellen in der katholischen Kirche nicht höher ist als in der Gesamtgesellschaft. Allerdings: „Was die ,Oberschicht´ in der Kirche betrifft, also die Priester und die Bischöfe, ist sie erheblich höher. Bei den Priestern können wir von mindestens zwanzig Prozent ausgehen.“ Das Thema homosexueller Partnerschaften wird auch zwischen Laien und Amtskirche sehr kontrovers diskutiert. Als es um eine mögliche Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ging, kam es zum offenen Streit zwischen dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken und einigen Bischöfen. „Grundsätzlich gibt es einen Konsens darüber, als Kirche homosexuellen Menschen mit Respekt zu begegnen. Ein nächster Schritt wäre, homosexuellen Paaren, bei denen wichtige Werte, die auch in heterosexuellen Beziehungen gelten, gelebt werden, die Segnung nicht zu verweigern. Das wird nicht dem Sakrament der Ehe vergleichbar sein, aber eine Öffnung zu allen spirituellen Möglichkeiten und Hilfen, die auch für die Ehe gelten, ermöglichen.“

Da liegt die Frage nahe, was sich der Leiter des Recollectio-Hauses der Benediktinerabtei Münsterschwarzach von der nächsten Familiensynode im Herbst in Rom erwartet. Seine Antwort: „Hinsichtlich der Weiterentwicklung der Lehre der Kirche nicht viel. Ich erwarte aber, dass Wiederverheiratete künftig zu den Sakramenten, also dem Empfang der heiligen Kommunion, zugelassen werden! Wenn die Kirche bei dieser Frage versagen sollte, sehe ich schwarz für die Zukunft. Dann werden sich noch mehr Menschen von der Kirche abwenden und sagen, mit diesem lieblosen, unbarmherzigen Laden möchten sie nichts mehr zu tun haben. Aber zu einer Segnung homosexueller Paare wird sich die Synode nicht durchringen können.“

(domradio/rv 29.06.2015 sk)








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