2015-06-22 16:52:00

Neue Debatte um Karfreitagsfürbitte für Juden


In Deutschland ist eine neue Debatte über die den Juden gewidmete Karfreitagsfürbitte im außerordentlichen Messritus entbrannt. Es geht um die Fassung, die Papst Benedikt XVI. im Jahr 2008 eigens für den alten Ritus neu formuliert hatte. Da viele jüdische Gläubige nicht nur die alte, sondern auch die neue Fassung dieser Karfreitagsfürbitte als problematisch empfinden, forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, von der katholischen Kirche, die Neuformulierung wieder zurückzunehmen. Für dieses Anliegen äußerte Bischof Heinrich Mussinghoff Verständnis. Der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum der Deutschen Bischofskonferenz wünschte ebenfalls eine Zurücknahme der Neuformulierung und zugleich einen endgültigen Schlussstrich unter die Verhandlungen mit der traditionalistischen Piusbruderschaft.

Schuster und Mussinghoff äußerten sich bei einer Diskussion am Sonntagabend in Frankfurt. Als Abgesandter des Heiligen Stuhles verteidigte Pater Norbert Hofmann die Fürbitte. Der Sekretär der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum betonte, Benedikt XVI. habe „sicher in guter Absicht und theologisch korrekt“ eine neue Formulierung gewählt, da die bis dahin existierende Fassung im alten Ritus „viel schlimmer“ gewesen sei. Die neue Fürbitte sei wohl „diplomatisch heikel“, aber bestimmt kein „Missionsbefehl“.   

Im Gegensatz zu dieser Position sagte Schuster, die Neufassung der Karfreitagsfürbitte durch Papst Benedikt XVI. habe bei vielen Juden den Verdacht aufleben lassen, die Kirche wolle „letztlich doch die alte Judenmission fortsetzen“ und ein „Überlegenheitsgefühl“ gegenüber den Juden betonen. Ähnliche Formulierungen hätten über Jahrhunderte „christlichen Anti-Judaismus gefördert. Und was daraus wurde, das wissen wir ja alle“, so Schuster im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Auch Mussinghoff betonte, er könne die Neuformulierung von 2008 „nicht  verstehen und nachvollziehen“. Dass Papst Benedikt das so gehandhabt habe, sei „mit Verlaub gesagt und bei allem Respekt keine gute Sache“ gewesen, so Mussinghoff gegenüber der KNA. „Wir haben eine wunderbare Formulierung im ordentlichen Ritus, und ich würde es sehr begrüßen, wenn die neue Form der Fürbitte im außerordentlichen Ritus zurückgezogen würde.“ Sie sei eine „Belastung“ für die christlich-jüdischen Beziehungen, die man aber auch leicht wieder zurücknehmen könne.

Die Karfreitagsfürbitte über die Juden war Jahrhunderte lang Ausdruck eines katholischen Antijudaismus. Gebetet wurde unter anderem für die „verblendeten“ und für die „treulosen“ Juden. Im Zug der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hieß es dann im volkssprachlichen Gottesdienst: „Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat. Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen, damit sie das Ziel erreichen, zu dem sein Ratschluss sie führen will.“ In dieser Fassung ist die Fürbitte bis heute die am Karfreitag in deutschsprachigen Gottesdiensten allgemein verwandte Formulierung.

2008 ließ Papst Benedikt die alte lateinische Messe als außerordentliche Form des römischen Ritus wieder auf breiter Basis zu und verfasste eigens eine neue Karfreitagsfürbitte, die für jüdische Proteste sorgte. In dem selten praktizierten alten Ritus wird seitdem in lateinischer Sprache sinngemäß darum gebetet, dass die Herzen der Juden erleuchtet werden mögen, damit sie Jesus Christus als Retter und Heiland aller Menschen erkennen. Viele Juden werten das als neuerlichen Ausdruck eines katholischen Überlegenheitsgefühls und als Aufforderung zur Judenmission, auch wenn die Kirche dies immer wieder dementiert.

Schuster und Mussinghoff äußerten sich bei einer Diskussion zum 50. Jahrestag der Verabschiedung der Konzilserklärung „Nostra aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Dabei bewerteten beide die christlich-jüdischen Beziehungen insgesamt als sehr gut, was aber nicht den Blick auf kleinere Belastungen dieser Beziehungen verstellen dürfe.
(kna 22.06.2015 gs)








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