2015-06-16 13:00:00

Die Päpste, der Umweltschutz und der Klimawandel


Franziskus ist der erste Papst, der den Umweltschutz in den Mittelpunkt einer ganzen Enzyklika stellt, und der erste Papst, der die Realität einer globalen Klimaerwärmung ausdrücklich anerkennt und sich damit befasst. Näheres wird am Donnerstag bekannt werden, wenn das Embargo der Enzyklika „Laudato si“ endet. Allerdings ist Franziskus keineswegs der erste Papst, der sich zu ökologischen Fragen äußert. Seit Paul VI. (1963-1978) haben sich die Nachfolger Petri und der Vatikan immer wieder zu diesem Thema zu Wort gemeldet. Benedikt XVI. tat dies zuletzt so oft, dass ihm italienische Medien sogar den Beinamen „grüner Papst“ gaben.

Den Anfang machte Papst Paul VI. (1963-1978) mit seiner Enzyklika „Populorum Progressio“ im Jahr 1967 - drei Jahre vor der ersten UNO-Konferenz zum Klimaschutz. Ihr Kernthese lautet: „Entwicklung“ ist mehr als nur Wirtschaftswachstum. Sie muss auch daran gemessen werden, wie sozial, gerecht und nachhaltig es zugeht. Der Umweltschutz wird hier zwar noch nicht ausdrücklich erwähnt. Das Schreiben bildet nach den Worten des Münchner Sozialethikers Markus Vogt „den allgemeinen Rahmen für die römische Lehre zum Thema Umweltschutz“. 1970 entsandte der Vatikan eine eigene Delegation zur ersten UN-Umweltkonferenz nach Stockholm. 1971 warnte Paul VI. dann davor, dass der Mensch Gefahr laufe, „infolge seiner unbedachten Ausbeutung der Natur selbst zum Opfer der 'zurückschlagenden Schändung'“ zu werden.

Sein Nachfolger Johannes Paul II. (1978-2005) warnte gleich in seiner ersten Enzyklika „Redemptor hominis“ 1979 vor einer fortschreitenden Umweltverschmutzung und prangerte Energieverschwendung an. Karol Wojtyla wusste aus eigener Erfahrung im sozialistischen Polen nur zu gut, wovon er sprach: Die Schlote der Lenin-Hütte färbten die Wäsche in seiner früheren Bischofsstadt Krakau regelmäßig schwarz.

In seiner Sozialenzyklika „Centesimus annus“ führte er 1991 schließlich den Begriff der „Human-Ökologie“ ein und verband so den Naturschutz mit dem Lebensschutz. Noch schwerer als die Zerstörung der natürlichen Umwelt wiege die Zerstörung der menschlichen Umwelt, schrieb er. Die Zerstörung der Umwelt wurde so ebenso wie Abtreibung als Ausdruck einer „Kultur des Todes“ gedeutet. Johannes Paul II. forderte einen „tiefgreifenden Wandel im Lebensstil der modernen Konsumgesellschaft, besonders in den reichen Ländern“. Er verwies bereits ausdrücklich auch auf den Klimawandel und seine Folgen.

Der Klimaschutz wurde ebenfalls in einem „Kompendium der kirchlichen Soziallehre“ angesprochen, das der Päpstliche Rat Jusitita et Pax 2004 veröffentlichte. „Das Klima ist ein Gut, das geschützt werden muss“, heißt es darin. Außerdem wird das Recht der einheimischen Völker auf ihre natürlichen Ressourcen hervorgehoben. Erstmals nahm der Vatikan in dem Kompendium auch zu grüner Gentechnik Stellung, die er grundsätzlich vorsichtig begrüßte.

Benedikt XVI. (2005-2013) - der Papst, der u.a. die Mülltrennung im Vatikan einführte - äußerte sich besonders oft zum Umweltschutz. In seiner dritten und letzten Enzyklika „Caritas in veritate“ aus dem Jahr 2009 widmete er dem Thema mehrere Abschnitte. Besonders konkret wurde er beim Umgang mit Energie. „Das Aufkaufen der nichterneuerbaren Energiequellen durch einige Staaten, einflussreiche Gruppen und Unternehmen“ stelle ein „schwerwiegendes Hindernis für die Entwicklung der armen Länder“ dar. Den Klimawandel erwähnte Benedikt XVI. in der Enzyklika allerdings nicht. Insgesamt forderte auch er einen Lebensstil, der von Solidarität zwischen den Generationen geprägt ist, aber auch die nachfolgenden Generationen im Blick hat. Benedikt XVI. übernahm hierbei den Begriff der Human-Ökologie von Johannes Paul II., stellte ihn aber in einen größeren theologischen Zusammenhang.

Vor allem in seiner Rede im Deutschen Bundestag im September 2011 hob der deutsche Papst hervor, dass Umweltschutz Lebensschutz im umfassenden Sinne ist. Furore machte dabei seine Einlassung zu den Grünen: Das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 1970er Jahren habe „zwar wohl nicht Fenster aufgerissen“, sei „aber ein Schrei nach frischer Luft gewesen", den man auch heute nicht überhören dürfe.

Harsche Kritik an Rohstoffausbeutung in armen Ländern

Franziskus geht nun aufs Ganze. Der Wortlaut von „Laudato si“ ist bislang noch unter Verschluss. Wenn man seine Kernaussage in einem Tweet zusammenfassen müsste, würde er lauten „Die Zeit der geschlossenen Gemeinschaften ist vorbei“, sagt einer, der den Text schon kennt. Der Monsignore verwendet hierbei den englischen Begriff „Gated communities“. Er wird für bewachte Wohnkomplexe von Reichen gebraucht, wie es sie vor allem in lateinamerikanischen Städten häufig gibt.

Beobachter rechnen außerdem damit, dass der Papst seine harsche Kritik an Konsumgesellschaft und ungerechtem Kapitalismus erneuern wird. Dass er mit den reichen Ländern hart ins Gericht gehen wird, die Rohstoffe in armen Ländern rücksichtslos ausbeuten. Mit besonderer Spannung wird erwartet, wie konkret sich der Papst zum Klimawandel äußern wird. Er selbst hatte die Enzyklika auch als Beitrag zur UN-Klima-Konferenz angekündigt, die Ende November in Paris beginnt.

Es sei jedoch kein „Strategie-Papier“, erklärt ein Eingeweihter. Klar scheint zu sein, dass der Papst den Klimawandel auch als vom Menschen verursachtes Phänomen in den Blick nehmen wird. Dafür sprechen nicht zuletzt seine bisherigen Äußerungen und der Umstand, dass einer der weltweit prominentesten Klimaforscher das Papier vorstellt. In Sachen Atomenergie gab es in den Medien Spekulationen, der Papst werde eine sehr kritische Haltung einnehmen.

Welcher Geist das Schreiben durchweht, das deutet der Titel schon an: Es ist der Geist des heiligen Franz von Assisi, des armen Bettelmönchs. „Laudato si“ stammt aus seinem berühmtesten Gebet, dem Sonnengesang. Zugleich zeigt er an, dass Franziskus wieder einmal mit einer Tradition bricht. Denn normalerweise tragen Enzykliken lateinische Titel. Seit ihrem Aufkommen Mitte des 18. Jahrhunderts gab es bislang nur vier Ausnahmen von dieser Regel. Fest steht zumindest schon jetzt der Kreis der Adressaten: Die Enzyklika richte sich an alle Menschen, betonte Franziskus am Sonntag auf dem Petersplatz. Jeder müsse Verantwortung übernehmen. Wenn Menschen sich versammelten, um über die Schöpfung zu beraten, wünsche er sich, dass man sagen könne: „Nein, das sind nicht die 'Grünen'. Das ist christlich“, hatte Franziskus vor einiger Zeit in einer Morgenmesse geäußert. Die Arbeiterfrage, so lautet die Kritik bis heute, hätten die Päpste im 19. Jahrhundert zu lange den Sozialdemokraten überlassen. Das soll man ihr nach Franziskus' Willen in Sachen Umweltschutz später nicht nachsagen können.

(kap 16.06.2015 mg)








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